tel," und der Vertreter der Regierung erklärte, daß der Entwurf auch nur in dieser Beschränkung habe verstanden werden sollen. r)
Die Strafen sind in diesem Fall etwas höher gegriffen als in dem vorhergehenden; die Schärfungsgründe sind auch hier dieselben.
§. 100.
Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet, daß er die Angehörigen des Staates zum Hasse oder zur Verachtung gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldbuße von zwanzig bis zu zweihundert Thalern oder mit Ge- fängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 101.
Wer durch öffentliche Behauptung oder Verbreitung erdichteter oder ent- stellter Thatsachen, oder durch öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit dem Hasse oder die Verachtung aussetzt, wird mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
Beide Paragraphen sind der Verordnung über die Presse vom 30. Juni 1849. entnommen und haben es auch mit verwandten Ver- gehen zu thun.
A. Anreizung der Staatsangehörigen zum Hasse oder zur Ver- achtung gegeneinander (§. 100.).
Der Eingang dieser Vorschrift lautete in der angeführten Verord- nung §. 17.: "Wer den öffentlichen Frieden dadurch zu stören sucht, daß er" u. s. w.; der Entwurf von 1850. hatte aber nach dem Vor- schlage der Preßgesetz-Kommission der zweiten Kammer s) die Beziehung auf die Störung des öffentlichen Friedens ganz weggelassen, so daß die betreffenden Worte lauteten: "Wer die Angehörigen des Staates" u. s. w. In der Kommission der zweiten Kammer für das Strafgesetzbuch kam die Frage zur wiederholten Erörterung. Man fand, daß die im Ent- wurf fehlenden Eingangsworte ein Doppeltes enthielten: einmal, daß die Anreizung zum Haß u. s. w. objektiv den öffentlichen Frieden gefährde; und sodann zweitens, daß der Thäter bei seiner Anreizung die Absicht haben müsse, den öffentlichen Frieden zu stören.
"Diesem letztern Erforderniß," heißt es im Berichte, "kann die Kommission ebenfalls nicht beistimmen, dagegen hält sie zur objektiven
r) Ebendas. zu §§. 88. (99.).
s) Es ist die Kommission aus der Sitzungsperiode von 1849-50. gemeint, welche die Vorschriften der Verordnung vom 30. Juni 1849. zum Theil im Sinne einer stärkeren Repression verändert hatte. Ihre Vorschläge kamen nicht mehr zur Verhandlung im Plenum; die Staatsregierung hat aber bei Ausarbeitung des Straf- gesetzbuchs-Entwurfs von 1850. mehrfach Bezug darauf genommen
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§§. 100. 101. Anreizung zu Haß und Verachtung.
tel,“ und der Vertreter der Regierung erklärte, daß der Entwurf auch nur in dieſer Beſchränkung habe verſtanden werden ſollen. r)
Die Strafen ſind in dieſem Fall etwas höher gegriffen als in dem vorhergehenden; die Schärfungsgründe ſind auch hier dieſelben.
§. 100.
Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet, daß er die Angehörigen des Staates zum Haſſe oder zur Verachtung gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldbuße von zwanzig bis zu zweihundert Thalern oder mit Ge- fängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren beſtraft.
§. 101.
Wer durch öffentliche Behauptung oder Verbreitung erdichteter oder ent- ſtellter Thatſachen, oder durch öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit dem Haſſe oder die Verachtung ausſetzt, wird mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.
Beide Paragraphen ſind der Verordnung über die Preſſe vom 30. Juni 1849. entnommen und haben es auch mit verwandten Ver- gehen zu thun.
A. Anreizung der Staatsangehörigen zum Haſſe oder zur Ver- achtung gegeneinander (§. 100.).
Der Eingang dieſer Vorſchrift lautete in der angeführten Verord- nung §. 17.: „Wer den öffentlichen Frieden dadurch zu ſtören ſucht, daß er“ u. ſ. w.; der Entwurf von 1850. hatte aber nach dem Vor- ſchlage der Preßgeſetz-Kommiſſion der zweiten Kammer s) die Beziehung auf die Störung des öffentlichen Friedens ganz weggelaſſen, ſo daß die betreffenden Worte lauteten: „Wer die Angehörigen des Staates“ u. ſ. w. In der Kommiſſion der zweiten Kammer für das Strafgeſetzbuch kam die Frage zur wiederholten Erörterung. Man fand, daß die im Ent- wurf fehlenden Eingangsworte ein Doppeltes enthielten: einmal, daß die Anreizung zum Haß u. ſ. w. objektiv den öffentlichen Frieden gefährde; und ſodann zweitens, daß der Thäter bei ſeiner Anreizung die Abſicht haben müſſe, den öffentlichen Frieden zu ſtören.
„Dieſem letztern Erforderniß,“ heißt es im Berichte, „kann die Kommiſſion ebenfalls nicht beiſtimmen, dagegen hält ſie zur objektiven
r) Ebendaſ. zu §§. 88. (99.).
s) Es iſt die Kommiſſion aus der Sitzungsperiode von 1849-50. gemeint, welche die Vorſchriften der Verordnung vom 30. Juni 1849. zum Theil im Sinne einer ſtärkeren Repreſſion verändert hatte. Ihre Vorſchläge kamen nicht mehr zur Verhandlung im Plenum; die Staatsregierung hat aber bei Ausarbeitung des Straf- geſetzbuchs-Entwurfs von 1850. mehrfach Bezug darauf genommen
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§§. 100. 101. Anreizung zu Haß und Verachtung.
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Die Strafen ſind in dieſem Fall etwas höher gegriffen als in dem
vorhergehenden; die Schärfungsgründe ſind auch hier dieſelben.
§. 100.
Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet, daß er die Angehörigen
des Staates zum Haſſe oder zur Verachtung gegen einander öffentlich anreizt,
wird mit Geldbuße von zwanzig bis zu zweihundert Thalern oder mit Ge-
fängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren beſtraft.
§. 101.
Wer durch öffentliche Behauptung oder Verbreitung erdichteter oder ent-
ſtellter Thatſachen, oder durch öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen die
Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit dem Haſſe
oder die Verachtung ausſetzt, wird mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern
oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.
Beide Paragraphen ſind der Verordnung über die Preſſe vom
30. Juni 1849. entnommen und haben es auch mit verwandten Ver-
gehen zu thun.
A. Anreizung der Staatsangehörigen zum Haſſe oder zur Ver-
achtung gegeneinander (§. 100.).
Der Eingang dieſer Vorſchrift lautete in der angeführten Verord-
nung §. 17.: „Wer den öffentlichen Frieden dadurch zu ſtören ſucht,
daß er“ u. ſ. w.; der Entwurf von 1850. hatte aber nach dem Vor-
ſchlage der Preßgeſetz-Kommiſſion der zweiten Kammer s) die Beziehung
auf die Störung des öffentlichen Friedens ganz weggelaſſen, ſo daß die
betreffenden Worte lauteten: „Wer die Angehörigen des Staates“ u. ſ. w.
In der Kommiſſion der zweiten Kammer für das Strafgeſetzbuch kam
die Frage zur wiederholten Erörterung. Man fand, daß die im Ent-
wurf fehlenden Eingangsworte ein Doppeltes enthielten: einmal, daß
die Anreizung zum Haß u. ſ. w. objektiv den öffentlichen Frieden
gefährde; und ſodann zweitens, daß der Thäter bei ſeiner Anreizung die
Abſicht haben müſſe, den öffentlichen Frieden zu ſtören.
„Dieſem letztern Erforderniß,“ heißt es im Berichte, „kann die
Kommiſſion ebenfalls nicht beiſtimmen, dagegen hält ſie zur objektiven
r) Ebendaſ. zu §§. 88. (99.).
s) Es iſt die Kommiſſion aus der Sitzungsperiode von 1849-50. gemeint,
welche die Vorſchriften der Verordnung vom 30. Juni 1849. zum Theil im Sinne
einer ſtärkeren Repreſſion verändert hatte. Ihre Vorſchläge kamen nicht mehr zur
Verhandlung im Plenum; die Staatsregierung hat aber bei Ausarbeitung des Straf-
geſetzbuchs-Entwurfs von 1850. mehrfach Bezug darauf genommen
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/277>, abgerufen am 22.02.2025.
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