Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
auf die thörichte Furcht

Weil ein ieder seinem Nächsten mit demjeni-
gen zu dienen verbunden, was ihm GOtt zu er-
kennen gegeben, wenn auch sein Erkänntniß
noch nicht vollkommen wäre, indem das leicht,
was er den andern mittheilet, zu einem mehrern
und völligern Erkänntniß den Weg bahnen kan;
So will auch ich hier in meinem Lebens-Lauffe
eine Weile stille stehen, und nach dem, was mich
GOtt an andern Menschen, und an mir selbst,
durch eigene Erfahrung, mehr als einmahl in
meinem Leben wahrnehmen und anmercken las-
sen, den Zustand und Beschaffenheit solcher Me-
lancholicorum, oder wenn sie nicht allemahl pure
Melancholici sind, doch solcher Leute, welche mit
der Furcht und Einbildung, als ob sie sich selbst
tödten würden, Tag und Nacht gequälet und
gemartert werden, so viel es sich wird thun lassen,
deutlich beschreiben, und sowol dieses Zustandes
Ursache, als auch den unterschiedenen Effect und
Ausgang derselben vor Augen stellen. Der Leser
aber, so nicht studiret, kan im Lesen dieses, was
hier folget, vorbey lassen, und besser unten §. 76.
wieder zu lesen fortfahren.

§. 62.

Man hat beynahe den höchsten Grad der
Wahrscheinlichkeit, daß die Menschliche Seele
ihren Haupt-Sitz im Gehirne habe, und daß

sie da
auf die thoͤrichte Furcht

Weil ein ieder ſeinem Naͤchſten mit demjeni-
gen zu dienen verbunden, was ihm GOtt zu er-
kennen gegeben, wenn auch ſein Erkaͤnntniß
noch nicht vollkommen waͤre, indem das leicht,
was er den andern mittheilet, zu einem mehrern
und voͤlligern Erkaͤnntniß den Weg bahnen kan;
So will auch ich hier in meinem Lebens-Lauffe
eine Weile ſtille ſtehen, und nach dem, was mich
GOtt an andern Menſchen, und an mir ſelbſt,
durch eigene Erfahrung, mehr als einmahl in
meinem Leben wahrnehmen und anmercken laſ-
ſen, den Zuſtand und Beſchaffenheit ſolcher Me-
lancholicorum, oder wenn ſie nicht allemahl pure
Melancholici ſind, doch ſolcher Leute, welche mit
der Furcht und Einbildung, als ob ſie ſich ſelbſt
toͤdten wuͤrden, Tag und Nacht gequaͤlet und
gemartert werden, ſo viel es ſich wird thun laſſen,
deutlich beſchreiben, und ſowol dieſes Zuſtandes
Urſache, als auch den unterſchiedenen Effect und
Ausgang derſelben vor Augen ſtellen. Der Leſer
aber, ſo nicht ſtudiret, kan im Leſen dieſes, was
hier folget, vorbey laſſen, und beſſer unten §. 76.
wieder zu leſen fortfahren.

§. 62.

Man hat beynahe den hoͤchſten Grad der
Wahrſcheinlichkeit, daß die Menſchliche Seele
ihren Haupt-Sitz im Gehirne habe, und daß

ſie da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0310" n="264"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">auf die tho&#x0364;richte Furcht</hi> </fw><lb/>
        <p>Weil ein ieder &#x017F;einem Na&#x0364;ch&#x017F;ten mit demjeni-<lb/>
gen zu dienen verbunden, was ihm GOtt zu er-<lb/>
kennen gegeben, wenn auch &#x017F;ein Erka&#x0364;nntniß<lb/>
noch nicht vollkommen wa&#x0364;re, indem das leicht,<lb/>
was er den andern mittheilet, zu einem mehrern<lb/>
und vo&#x0364;lligern Erka&#x0364;nntniß den Weg bahnen kan;<lb/>
So will auch ich hier in meinem Lebens-Lauffe<lb/>
eine Weile &#x017F;tille &#x017F;tehen, und nach dem, was mich<lb/>
GOtt an andern Men&#x017F;chen, und an mir &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
durch eigene Erfahrung, mehr als einmahl in<lb/>
meinem Leben wahrnehmen und anmercken la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, den Zu&#x017F;tand und Be&#x017F;chaffenheit &#x017F;olcher <hi rendition="#aq">Me-<lb/>
lancholicorum,</hi> oder wenn &#x017F;ie nicht allemahl <hi rendition="#aq">pure<lb/>
Melancholici</hi> &#x017F;ind, doch &#x017F;olcher Leute, welche mit<lb/>
der Furcht und Einbildung, als ob &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
to&#x0364;dten wu&#x0364;rden, Tag und Nacht gequa&#x0364;let und<lb/>
gemartert werden, &#x017F;o viel es &#x017F;ich wird thun la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
deutlich be&#x017F;chreiben, und &#x017F;owol die&#x017F;es Zu&#x017F;tandes<lb/>
Ur&#x017F;ache, als auch den unter&#x017F;chiedenen <hi rendition="#aq">Effect</hi> und<lb/>
Ausgang der&#x017F;elben vor Augen &#x017F;tellen. Der Le&#x017F;er<lb/>
aber, &#x017F;o nicht <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>ret, kan im Le&#x017F;en die&#x017F;es, was<lb/>
hier folget, vorbey la&#x017F;&#x017F;en, und be&#x017F;&#x017F;er unten §. 76.<lb/>
wieder zu le&#x017F;en fortfahren.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 62.</head><lb/>
        <p>Man hat beynahe den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad der<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit, daß die Men&#x017F;chliche Seele<lb/>
ihren Haupt-Sitz im Gehirne habe, und daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie da</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0310] auf die thoͤrichte Furcht Weil ein ieder ſeinem Naͤchſten mit demjeni- gen zu dienen verbunden, was ihm GOtt zu er- kennen gegeben, wenn auch ſein Erkaͤnntniß noch nicht vollkommen waͤre, indem das leicht, was er den andern mittheilet, zu einem mehrern und voͤlligern Erkaͤnntniß den Weg bahnen kan; So will auch ich hier in meinem Lebens-Lauffe eine Weile ſtille ſtehen, und nach dem, was mich GOtt an andern Menſchen, und an mir ſelbſt, durch eigene Erfahrung, mehr als einmahl in meinem Leben wahrnehmen und anmercken laſ- ſen, den Zuſtand und Beſchaffenheit ſolcher Me- lancholicorum, oder wenn ſie nicht allemahl pure Melancholici ſind, doch ſolcher Leute, welche mit der Furcht und Einbildung, als ob ſie ſich ſelbſt toͤdten wuͤrden, Tag und Nacht gequaͤlet und gemartert werden, ſo viel es ſich wird thun laſſen, deutlich beſchreiben, und ſowol dieſes Zuſtandes Urſache, als auch den unterſchiedenen Effect und Ausgang derſelben vor Augen ſtellen. Der Leſer aber, ſo nicht ſtudiret, kan im Leſen dieſes, was hier folget, vorbey laſſen, und beſſer unten §. 76. wieder zu leſen fortfahren. §. 62. Man hat beynahe den hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit, daß die Menſchliche Seele ihren Haupt-Sitz im Gehirne habe, und daß ſie da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/310
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/310>, abgerufen am 30.12.2024.