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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVI. Kaiser Hien-fun's Geburtstag.
chinesischer Art glänzend: die zahlreichen Mandarinen trugen das
grosse gestickte Staatskleid, Tsun-luen allein den gewöhnlichen
Anzug, weil er sich nicht am Orte seiner Amtsführung befand. Die
Kleiderordnung ist nämlich sehr streng in China und regelt die
Tracht der Beamten für jeden besonderen Umstand. -- Die Staats-
kleider bestanden aus durchsichtigen Seidenstoffen von derbem Ge-
webe, mit reicher phantastischer Goldstickerei, deren Hauptdessein
der kaiserliche Drachen in den wunderlichsten Verschlingungen
bildete, mit eingestreuten Emblemen des langen Lebens, der Glück-
seligkeit, und anderen heilbringenden Zeichen. Nach der Gratulation
kam das unvermeidliche Frühstück, bei welchem Tsun-luen dem
Gesandten mit seinen Speisestöckchen die besten Bissen vorlegte,
mit höchsteigenen Nägeln eine Pfirsich schälte, Eis in sein Trink-
glas legte und aus seiner Theetasse kostete. Wir erhielten diesmal
Messer, Gabeln, Servietten und sogar Bier, das aber Zucker und
andere räthselhafte Zuthaten ungeniessbar machten. Auch zum
Thee verging uns die Lust, da die halbgeleerten Tassen immer in
dieselbe Kanne zurückgegossen wurden, aus welcher man ein-
schenkte. Den Appetit macht bei chinesischen Mahlzeiten immer
das Aussehn der Speisen befangen, welches selten die Bestand-
theile verräth, und die augenscheinliche Mitwirkung der Finger beim
Anrichten der niedlichen Schüsselchen. Man reichte zum Schluss
den Chinesen einen nassen Lappen, der einst weiss gewesen war,
zum Abwischen des Gesichtes, erliess den Gästen aber geneigtest
diese Wohlthat.

Die Commissare freuten sich sichtlich der erwiesenen Auf-
merksamkeit und erwiederten den Besuch. Da sie früher für unsere
Speisen wenig Neigung zeigten, so liess Graf Eulenburg ihnen dies-
mal eine chinesische Mahlzeit bereiten, der sie tapfer zusprachen.
Tsun-luen fragte viel nach der Feier des königlichen Geburtstages
in Preussen und war ungewöhnlich mittheilend.

Am 17. Juli wurde die Berathung der einzelnen Artikel zu
Ende geführt. Graf Eulenburg erklärte darauf, dass er auf Grund
der erfolgten Einigung einen neuen Entwurf ausarbeiten und dem-
selben die nicht festgestellten Artikel einfügen werde, deren er
nicht entbehren könne, mit seinen Gründen für deren Annahme.
Eine Note an den Prinzen von Kun solle das an die Commissare
gerichtete Document begleiten; sie möchten dasselbe mit ihrem
eigenen Bericht nach Pe-kin senden. -- Am 18. Juli schrieb Herr

XVI. Kaiser Hien-fuṅ’s Geburtstag.
chinesischer Art glänzend: die zahlreichen Mandarinen trugen das
grosse gestickte Staatskleid, Tsuṅ-luen allein den gewöhnlichen
Anzug, weil er sich nicht am Orte seiner Amtsführung befand. Die
Kleiderordnung ist nämlich sehr streng in China und regelt die
Tracht der Beamten für jeden besonderen Umstand. — Die Staats-
kleider bestanden aus durchsichtigen Seidenstoffen von derbem Ge-
webe, mit reicher phantastischer Goldstickerei, deren Hauptdessein
der kaiserliche Drachen in den wunderlichsten Verschlingungen
bildete, mit eingestreuten Emblemen des langen Lebens, der Glück-
seligkeit, und anderen heilbringenden Zeichen. Nach der Gratulation
kam das unvermeidliche Frühstück, bei welchem Tsuṅ-luen dem
Gesandten mit seinen Speisestöckchen die besten Bissen vorlegte,
mit höchsteigenen Nägeln eine Pfirsich schälte, Eis in sein Trink-
glas legte und aus seiner Theetasse kostete. Wir erhielten diesmal
Messer, Gabeln, Servietten und sogar Bier, das aber Zucker und
andere räthselhafte Zuthaten ungeniessbar machten. Auch zum
Thee verging uns die Lust, da die halbgeleerten Tassen immer in
dieselbe Kanne zurückgegossen wurden, aus welcher man ein-
schenkte. Den Appetit macht bei chinesischen Mahlzeiten immer
das Aussehn der Speisen befangen, welches selten die Bestand-
theile verräth, und die augenscheinliche Mitwirkung der Finger beim
Anrichten der niedlichen Schüsselchen. Man reichte zum Schluss
den Chinesen einen nassen Lappen, der einst weiss gewesen war,
zum Abwischen des Gesichtes, erliess den Gästen aber geneigtest
diese Wohlthat.

Die Commissare freuten sich sichtlich der erwiesenen Auf-
merksamkeit und erwiederten den Besuch. Da sie früher für unsere
Speisen wenig Neigung zeigten, so liess Graf Eulenburg ihnen dies-
mal eine chinesische Mahlzeit bereiten, der sie tapfer zusprachen.
Tsuṅ-luen fragte viel nach der Feier des königlichen Geburtstages
in Preussen und war ungewöhnlich mittheilend.

Am 17. Juli wurde die Berathung der einzelnen Artikel zu
Ende geführt. Graf Eulenburg erklärte darauf, dass er auf Grund
der erfolgten Einigung einen neuen Entwurf ausarbeiten und dem-
selben die nicht festgestellten Artikel einfügen werde, deren er
nicht entbehren könne, mit seinen Gründen für deren Annahme.
Eine Note an den Prinzen von Kuṅ solle das an die Commissare
gerichtete Document begleiten; sie möchten dasselbe mit ihrem
eigenen Bericht nach Pe-kiṅ senden. — Am 18. Juli schrieb Herr

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[85/0099] XVI. Kaiser Hien-fuṅ’s Geburtstag. chinesischer Art glänzend: die zahlreichen Mandarinen trugen das grosse gestickte Staatskleid, Tsuṅ-luen allein den gewöhnlichen Anzug, weil er sich nicht am Orte seiner Amtsführung befand. Die Kleiderordnung ist nämlich sehr streng in China und regelt die Tracht der Beamten für jeden besonderen Umstand. — Die Staats- kleider bestanden aus durchsichtigen Seidenstoffen von derbem Ge- webe, mit reicher phantastischer Goldstickerei, deren Hauptdessein der kaiserliche Drachen in den wunderlichsten Verschlingungen bildete, mit eingestreuten Emblemen des langen Lebens, der Glück- seligkeit, und anderen heilbringenden Zeichen. Nach der Gratulation kam das unvermeidliche Frühstück, bei welchem Tsuṅ-luen dem Gesandten mit seinen Speisestöckchen die besten Bissen vorlegte, mit höchsteigenen Nägeln eine Pfirsich schälte, Eis in sein Trink- glas legte und aus seiner Theetasse kostete. Wir erhielten diesmal Messer, Gabeln, Servietten und sogar Bier, das aber Zucker und andere räthselhafte Zuthaten ungeniessbar machten. Auch zum Thee verging uns die Lust, da die halbgeleerten Tassen immer in dieselbe Kanne zurückgegossen wurden, aus welcher man ein- schenkte. Den Appetit macht bei chinesischen Mahlzeiten immer das Aussehn der Speisen befangen, welches selten die Bestand- theile verräth, und die augenscheinliche Mitwirkung der Finger beim Anrichten der niedlichen Schüsselchen. Man reichte zum Schluss den Chinesen einen nassen Lappen, der einst weiss gewesen war, zum Abwischen des Gesichtes, erliess den Gästen aber geneigtest diese Wohlthat. Die Commissare freuten sich sichtlich der erwiesenen Auf- merksamkeit und erwiederten den Besuch. Da sie früher für unsere Speisen wenig Neigung zeigten, so liess Graf Eulenburg ihnen dies- mal eine chinesische Mahlzeit bereiten, der sie tapfer zusprachen. Tsuṅ-luen fragte viel nach der Feier des königlichen Geburtstages in Preussen und war ungewöhnlich mittheilend. Am 17. Juli wurde die Berathung der einzelnen Artikel zu Ende geführt. Graf Eulenburg erklärte darauf, dass er auf Grund der erfolgten Einigung einen neuen Entwurf ausarbeiten und dem- selben die nicht festgestellten Artikel einfügen werde, deren er nicht entbehren könne, mit seinen Gründen für deren Annahme. Eine Note an den Prinzen von Kuṅ solle das an die Commissare gerichtete Document begleiten; sie möchten dasselbe mit ihrem eigenen Bericht nach Pe-kiṅ senden. — Am 18. Juli schrieb Herr

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/99>, abgerufen am 26.04.2024.