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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Bankok. XXI.
strömenden Fluss mit vielen Seitenarmen und Canälen, die Ufer
nur an einigen Stellen wenige Fuss über dem höchsten Wasser-
stande, -- besser einen grossen von vielen Rinnsalen durch-
schnittenen Sumpf mit einzelnen trockenen Stellen, wo feste Ge-
bäude stehen; denn der grösste Theil von Bankok liegt unter dem
Niveau des Hochwassers und ist zur Regenzeit überschwemmt. Den
von Ringmauern umschlossenen Kern der Stadt mit den Palästen
der beiden Könige umfliesst der Menam im Halbkreis; dort stehen
lauter steinerne Gebäude auf trockenem Boden; der Grund ist wohl
theilweise aufgeschüttet. Südlich davon und am rechten gegen-
überliegenden Stromufer stehen in üppigen Gärten zerstreut ver-
einzelte Paläste und Tempel auf festen Fundamenten, und an den
sumpfigen Ufern der Wasserläufe auf hohe Pfähle gesetzt Reihen
hölzerner Wohnhäuser, die meist nur zur trockenen Zeit von ihren
Gärten zugänglich sind. Im Strom aber und seinen breiteren
Seitenarmen liegen, hier und da in doppelter Reihe, zwanzig Schritt
und weiter vom Ufer die schwimmenden Häuser an Pfähle gebun-
den, dazwischen Tausende malerischer Fahrzeuge, und im Strome
geankert grosse Schiffe, Dschunken und Dampfer. -- Die Cholera
soll in Bankok erst nachgelassen haben, seit der König befahl, auf
dem Flusse zu bauen; die Zahl der schwimmenden Häuser geben
die Siamesen sicher viel zu hoch auf 200,000 an. Die Einwohner-
zahl ist wahrscheinlich 400,000; davon wären 80,000 Chinesen,
20,000 Birmanen, 15,000 Moslem aus Arabien, Persien und den
indischen Ländern. Christen sollen gegen 4000 in Bankok sein;
darunter 1400 cochinchinesische, 1300 portugiesischer Abkunft, 400
chinesische.

Compacte Häusermassen giebt es also fast nur in der Binnen-
stadt; ausserhalb derselben liegen die meisten Gebäude an den
Wasserläufen, zwischen üppigen Gärten, Feldern, im wuchernden
Dickicht. Ausser den Tempeln und Palästen sind alle Gebäude aus
Holz und Bambus, mit Palmblättern gedeckt. Rechte Winkel sieht
man trotz der sorgsamen Fügung selten; denn Ebbe und Fluth
unterwühlen in beständigem Wechsel der Strömung die stützenden
Pfähle, die aus der senkrechten Lage weichend ihre Last oft selt-
sam auseinanderrecken. Diese Hütten mit den vielgestaltigen Booten
im Schattendunkel ihres Pfahlrostes und die mächtigen ausdrucks-
vollen Formen der Pflanzenwelt gruppiren sich überall zu bunten
malerischen Bildern. Schwimmende Häuser giebt es nur im Strom

Baṅkok. XXI.
strömenden Fluss mit vielen Seitenarmen und Canälen, die Ufer
nur an einigen Stellen wenige Fuss über dem höchsten Wasser-
stande, — besser einen grossen von vielen Rinnsalen durch-
schnittenen Sumpf mit einzelnen trockenen Stellen, wo feste Ge-
bäude stehen; denn der grösste Theil von Baṅkok liegt unter dem
Niveau des Hochwassers und ist zur Regenzeit überschwemmt. Den
von Ringmauern umschlossenen Kern der Stadt mit den Palästen
der beiden Könige umfliesst der Menam im Halbkreis; dort stehen
lauter steinerne Gebäude auf trockenem Boden; der Grund ist wohl
theilweise aufgeschüttet. Südlich davon und am rechten gegen-
überliegenden Stromufer stehen in üppigen Gärten zerstreut ver-
einzelte Paläste und Tempel auf festen Fundamenten, und an den
sumpfigen Ufern der Wasserläufe auf hohe Pfähle gesetzt Reihen
hölzerner Wohnhäuser, die meist nur zur trockenen Zeit von ihren
Gärten zugänglich sind. Im Strom aber und seinen breiteren
Seitenarmen liegen, hier und da in doppelter Reihe, zwanzig Schritt
und weiter vom Ufer die schwimmenden Häuser an Pfähle gebun-
den, dazwischen Tausende malerischer Fahrzeuge, und im Strome
geankert grosse Schiffe, Dschunken und Dampfer. — Die Cholera
soll in Baṅkok erst nachgelassen haben, seit der König befahl, auf
dem Flusse zu bauen; die Zahl der schwimmenden Häuser geben
die Siamesen sicher viel zu hoch auf 200,000 an. Die Einwohner-
zahl ist wahrscheinlich 400,000; davon wären 80,000 Chinesen,
20,000 Birmanen, 15,000 Moslem aus Arabien, Persien und den
indischen Ländern. Christen sollen gegen 4000 in Baṅkok sein;
darunter 1400 cochinchinesische, 1300 portugiesischer Abkunft, 400
chinesische.

Compacte Häusermassen giebt es also fast nur in der Binnen-
stadt; ausserhalb derselben liegen die meisten Gebäude an den
Wasserläufen, zwischen üppigen Gärten, Feldern, im wuchernden
Dickicht. Ausser den Tempeln und Palästen sind alle Gebäude aus
Holz und Bambus, mit Palmblättern gedeckt. Rechte Winkel sieht
man trotz der sorgsamen Fügung selten; denn Ebbe und Fluth
unterwühlen in beständigem Wechsel der Strömung die stützenden
Pfähle, die aus der senkrechten Lage weichend ihre Last oft selt-
sam auseinanderrecken. Diese Hütten mit den vielgestaltigen Booten
im Schattendunkel ihres Pfahlrostes und die mächtigen ausdrucks-
vollen Formen der Pflanzenwelt gruppiren sich überall zu bunten
malerischen Bildern. Schwimmende Häuser giebt es nur im Strom

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[254/0268] Baṅkok. XXI. strömenden Fluss mit vielen Seitenarmen und Canälen, die Ufer nur an einigen Stellen wenige Fuss über dem höchsten Wasser- stande, — besser einen grossen von vielen Rinnsalen durch- schnittenen Sumpf mit einzelnen trockenen Stellen, wo feste Ge- bäude stehen; denn der grösste Theil von Baṅkok liegt unter dem Niveau des Hochwassers und ist zur Regenzeit überschwemmt. Den von Ringmauern umschlossenen Kern der Stadt mit den Palästen der beiden Könige umfliesst der Menam im Halbkreis; dort stehen lauter steinerne Gebäude auf trockenem Boden; der Grund ist wohl theilweise aufgeschüttet. Südlich davon und am rechten gegen- überliegenden Stromufer stehen in üppigen Gärten zerstreut ver- einzelte Paläste und Tempel auf festen Fundamenten, und an den sumpfigen Ufern der Wasserläufe auf hohe Pfähle gesetzt Reihen hölzerner Wohnhäuser, die meist nur zur trockenen Zeit von ihren Gärten zugänglich sind. Im Strom aber und seinen breiteren Seitenarmen liegen, hier und da in doppelter Reihe, zwanzig Schritt und weiter vom Ufer die schwimmenden Häuser an Pfähle gebun- den, dazwischen Tausende malerischer Fahrzeuge, und im Strome geankert grosse Schiffe, Dschunken und Dampfer. — Die Cholera soll in Baṅkok erst nachgelassen haben, seit der König befahl, auf dem Flusse zu bauen; die Zahl der schwimmenden Häuser geben die Siamesen sicher viel zu hoch auf 200,000 an. Die Einwohner- zahl ist wahrscheinlich 400,000; davon wären 80,000 Chinesen, 20,000 Birmanen, 15,000 Moslem aus Arabien, Persien und den indischen Ländern. Christen sollen gegen 4000 in Baṅkok sein; darunter 1400 cochinchinesische, 1300 portugiesischer Abkunft, 400 chinesische. Compacte Häusermassen giebt es also fast nur in der Binnen- stadt; ausserhalb derselben liegen die meisten Gebäude an den Wasserläufen, zwischen üppigen Gärten, Feldern, im wuchernden Dickicht. Ausser den Tempeln und Palästen sind alle Gebäude aus Holz und Bambus, mit Palmblättern gedeckt. Rechte Winkel sieht man trotz der sorgsamen Fügung selten; denn Ebbe und Fluth unterwühlen in beständigem Wechsel der Strömung die stützenden Pfähle, die aus der senkrechten Lage weichend ihre Last oft selt- sam auseinanderrecken. Diese Hütten mit den vielgestaltigen Booten im Schattendunkel ihres Pfahlrostes und die mächtigen ausdrucks- vollen Formen der Pflanzenwelt gruppiren sich überall zu bunten malerischen Bildern. Schwimmende Häuser giebt es nur im Strom

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/268>, abgerufen am 26.04.2024.