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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Englische Besatzung in Macao.
erscheinen liess. Der Matrose, wurde nach Pe-kin berichtet, habe
beim Oeffnen eines Fensters im oberen Stockwerk der Factorei aus
Versehen an ein Stück Holz gestossen, durch dessen Fall der
Chinese getödtet wurde. Der kaiserliche Spruch befreite den An-
geklagten von aller Schuld und verlangte nur eine Geldbusse von
12 Tael für die Verwandten des Erschlagenen. -- So plumpe
Lügen wurden dem Hofe später häufig aufgetischt, wenn die Beamten
in Kan-ton sich verrannt hatten.

1802.Politische Ereignisse drohten schon zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts die Stellung der Fremden in China zu erschweren. Lord
Wellesley, damals General-Gouverneur von Indien, glaubte 1802 die
portugiesischen Niederlassungen in Asien vor den Anschlägen Frank-
reichs
sichern zu müssen und schickte auch nach Macao Truppen.
Der Vice-König von Kuan-tun protestirte gegen die Anmaassung,
irgend einen Theil des chinesischen Reiches besetzen zu wollen,
und verlangte schleunige Entfernung der Engländer. Glücklicher-
weise beugte die Nachricht vom Friedensschlusse weiteren Er-
örterungen vor und die Truppen kehrten auch Bengalen zurück. --
1808.Als im Jahre 1808 abermals die Gefahr eines Handstreiches eintrat,
liess die englische Regierung des kantonesischen Handels wegen
Macao wieder besetzen. Der portugiesische Gouverneur war von
Goa aus zu Aufnahme der englischen Truppen angewiesen und
hätte sich mit seiner Handvoll schwarzer Soldaten derselben
wohl kaum erwehren können; er unterzeichnete also gegen
die Weisungen der chinesischen Behörden eine Convention und
liess am 21. September die englischen Truppen landen, beklagte
sich aber im Geheimen beim Vice-König über Gewalt und warnte
ihn vor englischen Eroberungsgelüsten. Aehnlich hatten die Portu-
giesen 1802 gehandelt. -- Der Vice-König verlangte jetzt perem-
torisch die Einschiffung der Truppen, verbot auch alle Handels-
geschäfte und die Proviantirung aller englischen Schiffe: "Ihr
wisst," heisst es in seinem Erlass, "dass das von den Portugiesen
bewohnte Gebiet zum himmlischen Reiche gehört, und könnt nicht
glauben, dass die Franzosen sie dort zu belästigen wagen. Sollten
sie es dennoch thun, so werden unsre tapferen Truppen sie an-
greifen, schlagen und aus dem Lande jagen."

Admiral Drury schlug nun dem Vice-König eine Zusammen-
kunft in Kan-ton vor, erhielt aber keine Antwort. Darauf wies
er alle dortigen Briten an, sich auf ihre Schiffe zu begeben; das

Englische Besatzung in Macao.
erscheinen liess. Der Matrose, wurde nach Pe-kiṅ berichtet, habe
beim Oeffnen eines Fensters im oberen Stockwerk der Factorei aus
Versehen an ein Stück Holz gestossen, durch dessen Fall der
Chinese getödtet wurde. Der kaiserliche Spruch befreite den An-
geklagten von aller Schuld und verlangte nur eine Geldbusse von
12 Tael für die Verwandten des Erschlagenen. — So plumpe
Lügen wurden dem Hofe später häufig aufgetischt, wenn die Beamten
in Kan-ton sich verrannt hatten.

1802.Politische Ereignisse drohten schon zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts die Stellung der Fremden in China zu erschweren. Lord
Wellesley, damals General-Gouverneur von Indien, glaubte 1802 die
portugiesischen Niederlassungen in Asien vor den Anschlägen Frank-
reichs
sichern zu müssen und schickte auch nach Macao Truppen.
Der Vice-König von Kuaṅ-tuṅ protestirte gegen die Anmaassung,
irgend einen Theil des chinesischen Reiches besetzen zu wollen,
und verlangte schleunige Entfernung der Engländer. Glücklicher-
weise beugte die Nachricht vom Friedensschlusse weiteren Er-
örterungen vor und die Truppen kehrten auch Bengalen zurück. —
1808.Als im Jahre 1808 abermals die Gefahr eines Handstreiches eintrat,
liess die englische Regierung des kantonesischen Handels wegen
Macao wieder besetzen. Der portugiesische Gouverneur war von
Goa aus zu Aufnahme der englischen Truppen angewiesen und
hätte sich mit seiner Handvoll schwarzer Soldaten derselben
wohl kaum erwehren können; er unterzeichnete also gegen
die Weisungen der chinesischen Behörden eine Convention und
liess am 21. September die englischen Truppen landen, beklagte
sich aber im Geheimen beim Vice-König über Gewalt und warnte
ihn vor englischen Eroberungsgelüsten. Aehnlich hatten die Portu-
giesen 1802 gehandelt. — Der Vice-König verlangte jetzt perem-
torisch die Einschiffung der Truppen, verbot auch alle Handels-
geschäfte und die Proviantirung aller englischen Schiffe: »Ihr
wisst,« heisst es in seinem Erlass, »dass das von den Portugiesen
bewohnte Gebiet zum himmlischen Reiche gehört, und könnt nicht
glauben, dass die Franzosen sie dort zu belästigen wagen. Sollten
sie es dennoch thun, so werden unsre tapferen Truppen sie an-
greifen, schlagen und aus dem Lande jagen.«

Admiral Drury schlug nun dem Vice-König eine Zusammen-
kunft in Kan-ton vor, erhielt aber keine Antwort. Darauf wies
er alle dortigen Briten an, sich auf ihre Schiffe zu begeben; das

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[42/0064] Englische Besatzung in Macao. erscheinen liess. Der Matrose, wurde nach Pe-kiṅ berichtet, habe beim Oeffnen eines Fensters im oberen Stockwerk der Factorei aus Versehen an ein Stück Holz gestossen, durch dessen Fall der Chinese getödtet wurde. Der kaiserliche Spruch befreite den An- geklagten von aller Schuld und verlangte nur eine Geldbusse von 12 Tael für die Verwandten des Erschlagenen. — So plumpe Lügen wurden dem Hofe später häufig aufgetischt, wenn die Beamten in Kan-ton sich verrannt hatten. Politische Ereignisse drohten schon zu Anfang des 19. Jahr- hunderts die Stellung der Fremden in China zu erschweren. Lord Wellesley, damals General-Gouverneur von Indien, glaubte 1802 die portugiesischen Niederlassungen in Asien vor den Anschlägen Frank- reichs sichern zu müssen und schickte auch nach Macao Truppen. Der Vice-König von Kuaṅ-tuṅ protestirte gegen die Anmaassung, irgend einen Theil des chinesischen Reiches besetzen zu wollen, und verlangte schleunige Entfernung der Engländer. Glücklicher- weise beugte die Nachricht vom Friedensschlusse weiteren Er- örterungen vor und die Truppen kehrten auch Bengalen zurück. — Als im Jahre 1808 abermals die Gefahr eines Handstreiches eintrat, liess die englische Regierung des kantonesischen Handels wegen Macao wieder besetzen. Der portugiesische Gouverneur war von Goa aus zu Aufnahme der englischen Truppen angewiesen und hätte sich mit seiner Handvoll schwarzer Soldaten derselben wohl kaum erwehren können; er unterzeichnete also gegen die Weisungen der chinesischen Behörden eine Convention und liess am 21. September die englischen Truppen landen, beklagte sich aber im Geheimen beim Vice-König über Gewalt und warnte ihn vor englischen Eroberungsgelüsten. Aehnlich hatten die Portu- giesen 1802 gehandelt. — Der Vice-König verlangte jetzt perem- torisch die Einschiffung der Truppen, verbot auch alle Handels- geschäfte und die Proviantirung aller englischen Schiffe: »Ihr wisst,« heisst es in seinem Erlass, »dass das von den Portugiesen bewohnte Gebiet zum himmlischen Reiche gehört, und könnt nicht glauben, dass die Franzosen sie dort zu belästigen wagen. Sollten sie es dennoch thun, so werden unsre tapferen Truppen sie an- greifen, schlagen und aus dem Lande jagen.« 1802. 1808. Admiral Drury schlug nun dem Vice-König eine Zusammen- kunft in Kan-ton vor, erhielt aber keine Antwort. Darauf wies er alle dortigen Briten an, sich auf ihre Schiffe zu begeben; das

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/64>, abgerufen am 26.04.2024.