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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Earl Macartney.
Krieges mit Frankreich gab willkommenen Vorwand zu scheinbar
freiwilliger Abreise; in der That aber wurden die Engländer aus-
gewiesen. Auf der Rückreise durch das Land 17) nach Kan-ton, --
dem vorgeschriebenen Wege der tributbringenden Gesandten, --
wurden sie freundlich behandelt; die begleitenden Mandarinen
benahmen sich bis zum letzten Augenblick sogar herzlich und
sorgten mit persönlicher Aufopferung für die Bequemlichkeit der
Fremden. -- In Kan-ton, wo die Gesandtschaft am 19. December
1793 eintraf, war der Empfang von Seiten der Chinesen sehr ehren-
voll: die den Fluss auf lange Strecken säumenden Festungswerke
und Kriegsdschunken salutirten; die Besatzungen waren am Ufer
aufmarschirt und beugten das Knie, als der Botschafter vor-
überfuhr.

Lord Macartney blieb noch bis zum 8. März 1794 in
Kan-ton und Macao. Bei der Einschiffung nahm Sun-Tadzen, der
chinesische Reisemarschall, unter Thränen von ihm Abschied. Da-
mals schon Mandarin ersten Ranges, wurde dieser liebenswürdige
Mann später Vice-König von Kuan-tun und erwarb sich auch in
dieser schwierigen Stellung die höchste Achtung der Fremden,
welche sein Unglück werden sollte. Als nachher Sun-Tadzen eine
der einflussreichsten Stellungen am Hofe bekleidete, beschloss die
englische Regierung 1812 -- also zwanzig Jahre nach Lord Ma-
cartney's
Reise -- ihm ein werthvolles Ehrengeschenk zu senden,
mit dessen Ueberreichung ein chinesischer Dolmetscher der eng-
lischen Factorei in Kan-ton beauftragt wurde. A-yen kehrte mit
einer Karte des Sun-Tadzen dahin zurück, wurde jedoch alsbald
von den dortigen Behörden verhaftet und nach summarischem Ver-
fahren für unerlaubte Beziehungen zu den Barbaren in die Tartarei
verbannt. Bald darauf erfuhr man, dass Sun-Tadzen in Ungnade
gefallen, das Ehrengeschenk aber zurückgesandt worden sei. Er
soll niemals wieder ein einflussreiches Amt bekleidet haben.

Ein Hauptzweck von Lord Macartney's Sendung war
die Freigebung von Nin-po, Tsu-san, Tien-tsin und anderen
Häfen für den englischen Handel; die Minister lehnten aber jede
darauf zielende Erörterung ab. In seinem Schreiben an den König
von Grossbritannien betont Kien-lon, dass der Handel auf
Kan-ton beschränkt bleiben müsse: "Ihr werdet Euch nicht

17) Der grösste Theil dieses Weges wird auf Wasserstrassen zurückgelegt.

Earl Macartney.
Krieges mit Frankreich gab willkommenen Vorwand zu scheinbar
freiwilliger Abreise; in der That aber wurden die Engländer aus-
gewiesen. Auf der Rückreise durch das Land 17) nach Kan-ton, —
dem vorgeschriebenen Wege der tributbringenden Gesandten, —
wurden sie freundlich behandelt; die begleitenden Mandarinen
benahmen sich bis zum letzten Augenblick sogar herzlich und
sorgten mit persönlicher Aufopferung für die Bequemlichkeit der
Fremden. — In Kan-ton, wo die Gesandtschaft am 19. December
1793 eintraf, war der Empfang von Seiten der Chinesen sehr ehren-
voll: die den Fluss auf lange Strecken säumenden Festungswerke
und Kriegsdschunken salutirten; die Besatzungen waren am Ufer
aufmarschirt und beugten das Knie, als der Botschafter vor-
überfuhr.

Lord Macartney blieb noch bis zum 8. März 1794 in
Kan-ton und Macao. Bei der Einschiffung nahm Suṅ-Tadžen, der
chinesische Reisemarschall, unter Thränen von ihm Abschied. Da-
mals schon Mandarin ersten Ranges, wurde dieser liebenswürdige
Mann später Vice-König von Kuaṅ-tuṅ und erwarb sich auch in
dieser schwierigen Stellung die höchste Achtung der Fremden,
welche sein Unglück werden sollte. Als nachher Suṅ-Tadžen eine
der einflussreichsten Stellungen am Hofe bekleidete, beschloss die
englische Regierung 1812 — also zwanzig Jahre nach Lord Ma-
cartney’s
Reise — ihm ein werthvolles Ehrengeschenk zu senden,
mit dessen Ueberreichung ein chinesischer Dolmetscher der eng-
lischen Factorei in Kan-ton beauftragt wurde. A-yen kehrte mit
einer Karte des Suṅ-Tadžen dahin zurück, wurde jedoch alsbald
von den dortigen Behörden verhaftet und nach summarischem Ver-
fahren für unerlaubte Beziehungen zu den Barbaren in die Tartarei
verbannt. Bald darauf erfuhr man, dass Suṅ-Tadžen in Ungnade
gefallen, das Ehrengeschenk aber zurückgesandt worden sei. Er
soll niemals wieder ein einflussreiches Amt bekleidet haben.

Ein Hauptzweck von Lord Macartney’s Sendung war
die Freigebung von Niṅ-po, Tšu-san, Tien-tsin und anderen
Häfen für den englischen Handel; die Minister lehnten aber jede
darauf zielende Erörterung ab. In seinem Schreiben an den König
von Grossbritannien betont Kien-loṅ, dass der Handel auf
Kan-ton beschränkt bleiben müsse: »Ihr werdet Euch nicht

17) Der grösste Theil dieses Weges wird auf Wasserstrassen zurückgelegt.
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[39/0061] Earl Macartney. Krieges mit Frankreich gab willkommenen Vorwand zu scheinbar freiwilliger Abreise; in der That aber wurden die Engländer aus- gewiesen. Auf der Rückreise durch das Land 17) nach Kan-ton, — dem vorgeschriebenen Wege der tributbringenden Gesandten, — wurden sie freundlich behandelt; die begleitenden Mandarinen benahmen sich bis zum letzten Augenblick sogar herzlich und sorgten mit persönlicher Aufopferung für die Bequemlichkeit der Fremden. — In Kan-ton, wo die Gesandtschaft am 19. December 1793 eintraf, war der Empfang von Seiten der Chinesen sehr ehren- voll: die den Fluss auf lange Strecken säumenden Festungswerke und Kriegsdschunken salutirten; die Besatzungen waren am Ufer aufmarschirt und beugten das Knie, als der Botschafter vor- überfuhr. Lord Macartney blieb noch bis zum 8. März 1794 in Kan-ton und Macao. Bei der Einschiffung nahm Suṅ-Tadžen, der chinesische Reisemarschall, unter Thränen von ihm Abschied. Da- mals schon Mandarin ersten Ranges, wurde dieser liebenswürdige Mann später Vice-König von Kuaṅ-tuṅ und erwarb sich auch in dieser schwierigen Stellung die höchste Achtung der Fremden, welche sein Unglück werden sollte. Als nachher Suṅ-Tadžen eine der einflussreichsten Stellungen am Hofe bekleidete, beschloss die englische Regierung 1812 — also zwanzig Jahre nach Lord Ma- cartney’s Reise — ihm ein werthvolles Ehrengeschenk zu senden, mit dessen Ueberreichung ein chinesischer Dolmetscher der eng- lischen Factorei in Kan-ton beauftragt wurde. A-yen kehrte mit einer Karte des Suṅ-Tadžen dahin zurück, wurde jedoch alsbald von den dortigen Behörden verhaftet und nach summarischem Ver- fahren für unerlaubte Beziehungen zu den Barbaren in die Tartarei verbannt. Bald darauf erfuhr man, dass Suṅ-Tadžen in Ungnade gefallen, das Ehrengeschenk aber zurückgesandt worden sei. Er soll niemals wieder ein einflussreiches Amt bekleidet haben. Ein Hauptzweck von Lord Macartney’s Sendung war die Freigebung von Niṅ-po, Tšu-san, Tien-tsin und anderen Häfen für den englischen Handel; die Minister lehnten aber jede darauf zielende Erörterung ab. In seinem Schreiben an den König von Grossbritannien betont Kien-loṅ, dass der Handel auf Kan-ton beschränkt bleiben müsse: »Ihr werdet Euch nicht 17) Der grösste Theil dieses Weges wird auf Wasserstrassen zurückgelegt.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/61>, abgerufen am 27.04.2024.