III. DIE ZUSTÄNDE NACH DEM FRIEDEN VON NAN-KIN. BIS 1849.
Als Tau-kwan den Frieden von Nan-kin genehmigte, ent- leibte sich sein vornehmster Minister. Die Yu-se oder Censoren -- Staatsdiener vom höchsten Range, deren Amt die Kritik der öffentlichen Handlungen bedingt -- tadelten den Kaiser wegen ver- derblicher Nachsicht gegen unfähige und treulose Räthe. Durch das ganze Reich ging ein Schrei der Entrüstung. Abseits vom Schauplatz des Krieges ahnte ja Niemand die Ueberlegenheit der englischen Waffen; man begriff nicht die Möglichkeit, dass das un- ermessliche Reich der Mitte, dessen Weltherrschaft durch Jahr- tausende währte, von einem Häuflein Barbaren, wilden Inselbewoh- nern von der fernsten Grenze des Oceans bezwungen werden könne, dass Fremde den strahlenden Himmelssohn beschränkten. Am Kaiserhofe gingen viele Denkschriften namhafter Männer aus der Classe der Studirten ein, welche, wie die folgende, den Bruch des Vertrages forderten.
"Tsun-tsun-yuen überreicht eine Denkschrift, worin die Auf- stellung eines Heeres vorgeschlagen wird, um die Barbaren mit dem Zorn des Himmels heimzusuchen und diese Gelegenheit zu ihrer Aus- rottung nicht ungenutzt zu lassen.
Die Barbaren sind bis Nan-kin vorgedrungen, und die Bevoll- mächtigten haben unter dem Druck der Gefahren die Erlaubniss nach- gesucht, Frieden schliessen zu dürfen, was der grosse Kaiser aus Mitleid für das Leben seiner Unterthanen in seiner allumfassenden Güte ihnen im Drange der Umstände gestattete.
Sollte das nun zur Ausführung kommen, so entspringen daraus unfehlbar vier Uebel: 1) die Majestät des Reiches wird verletzt; 2) die Pulsader des Staates wird durchschnitten; 3) Rebellen werden das Haupt erheben; 4) die Völker an den Grenzen und fremde Staaten
III. DIE ZUSTÄNDE NACH DEM FRIEDEN VON NAN-KIṄ. BIS 1849.
Als Tau-kwaṅ den Frieden von Nan-kiṅ genehmigte, ent- leibte sich sein vornehmster Minister. Die Yu-se oder Censoren — Staatsdiener vom höchsten Range, deren Amt die Kritik der öffentlichen Handlungen bedingt — tadelten den Kaiser wegen ver- derblicher Nachsicht gegen unfähige und treulose Räthe. Durch das ganze Reich ging ein Schrei der Entrüstung. Abseits vom Schauplatz des Krieges ahnte ja Niemand die Ueberlegenheit der englischen Waffen; man begriff nicht die Möglichkeit, dass das un- ermessliche Reich der Mitte, dessen Weltherrschaft durch Jahr- tausende währte, von einem Häuflein Barbaren, wilden Inselbewoh- nern von der fernsten Grenze des Oceans bezwungen werden könne, dass Fremde den strahlenden Himmelssohn beschränkten. Am Kaiserhofe gingen viele Denkschriften namhafter Männer aus der Classe der Studirten ein, welche, wie die folgende, den Bruch des Vertrages forderten.
»Tsuṅ-tsuṅ-yuen überreicht eine Denkschrift, worin die Auf- stellung eines Heeres vorgeschlagen wird, um die Barbaren mit dem Zorn des Himmels heimzusuchen und diese Gelegenheit zu ihrer Aus- rottung nicht ungenutzt zu lassen.
Die Barbaren sind bis Nan-kiṅ vorgedrungen, und die Bevoll- mächtigten haben unter dem Druck der Gefahren die Erlaubniss nach- gesucht, Frieden schliessen zu dürfen, was der grosse Kaiser aus Mitleid für das Leben seiner Unterthanen in seiner allumfassenden Güte ihnen im Drange der Umstände gestattete.
Sollte das nun zur Ausführung kommen, so entspringen daraus unfehlbar vier Uebel: 1) die Majestät des Reiches wird verletzt; 2) die Pulsader des Staates wird durchschnitten; 3) Rebellen werden das Haupt erheben; 4) die Völker an den Grenzen und fremde Staaten
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III.
DIE ZUSTÄNDE NACH DEM FRIEDEN VON NAN-KIṄ.
BIS 1849.
Als Tau-kwaṅ den Frieden von Nan-kiṅ genehmigte, ent-
leibte sich sein vornehmster Minister. Die Yu-se oder Censoren
— Staatsdiener vom höchsten Range, deren Amt die Kritik der
öffentlichen Handlungen bedingt — tadelten den Kaiser wegen ver-
derblicher Nachsicht gegen unfähige und treulose Räthe. Durch
das ganze Reich ging ein Schrei der Entrüstung. Abseits vom
Schauplatz des Krieges ahnte ja Niemand die Ueberlegenheit der
englischen Waffen; man begriff nicht die Möglichkeit, dass das un-
ermessliche Reich der Mitte, dessen Weltherrschaft durch Jahr-
tausende währte, von einem Häuflein Barbaren, wilden Inselbewoh-
nern von der fernsten Grenze des Oceans bezwungen werden könne,
dass Fremde den strahlenden Himmelssohn beschränkten. Am
Kaiserhofe gingen viele Denkschriften namhafter Männer aus der
Classe der Studirten ein, welche, wie die folgende, den Bruch des
Vertrages forderten.
»Tsuṅ-tsuṅ-yuen überreicht eine Denkschrift, worin die Auf-
stellung eines Heeres vorgeschlagen wird, um die Barbaren mit dem
Zorn des Himmels heimzusuchen und diese Gelegenheit zu ihrer Aus-
rottung nicht ungenutzt zu lassen.
Die Barbaren sind bis Nan-kiṅ vorgedrungen, und die Bevoll-
mächtigten haben unter dem Druck der Gefahren die Erlaubniss nach-
gesucht, Frieden schliessen zu dürfen, was der grosse Kaiser aus
Mitleid für das Leben seiner Unterthanen in seiner allumfassenden
Güte ihnen im Drange der Umstände gestattete.
Sollte das nun zur Ausführung kommen, so entspringen daraus
unfehlbar vier Uebel: 1) die Majestät des Reiches wird verletzt; 2) die
Pulsader des Staates wird durchschnitten; 3) Rebellen werden das
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. [130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/152>, abgerufen am 18.11.2024.
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