Die gewerblichen Verhältnisse standen im 18. Jahrhundert im allgemeinen noch unter dem Zunftzwang, wenn dieser sich auch in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt hatte. Die Stellung der Zünfte hatte sich seit dem 30 jährigen Kriege wesent- lich dadurch verändert, dass die landesherrliche Bevormundung eine viel stärkere geworden war. Während die Zünfte ihren Ursprung in dem freiwilligen Zusammenschluss der gleichartigen Gewerbetreibenden zum Schutz und gegenseitiger Unterstützung und Förderung hatten, ging diese Unabhängigkeit bei dem fortschreitenden Verfall der Zünfte mehr und mehr verloren. Sie suchten Schutz und materielle Unter- stützung bei der Obrigkeit, so dass sich allmählich die Vorstellung ausbildete, dass auch ihre Rechte nur von der Obrigkeit oder der Landesherrschaft verliehen seien. Diese Auffassung begünstigten die Regierungen, so dass sie sich allmählich zu einer festen Lehre gestaltete. Auch gaben die Zünfte durch ihr Benehmen, welches immer exklusiver wurde, der Regierung oft genug Grund zum Ein- schreiten, zur Prüfung und schliesslich auch zur Abänderung ihrer Satzungen. Der sittliche Wert der Zünfte war schon seit langer Zeit im Schwinden und war im 30 jährigen Kriege ganz verloren gegangen. Kastengeist, Gewinnsucht, Eitelkeit, Wichtigthuerei, engherzige Exklu- sivität, Konkurrenzfurcht, Brotneid und Engherzigkeit waren an die Stelle der alten Bürgertugenden, welche das Handwerk im Mittel- alter ausgezeichnet hatten, getreten. Die alten Zunfteinrichtungen dienten nur noch dazu, einer kleinen Zahl privilegierter Familien in einzelnen Städten eine sichere Existenz zu schaffen 1). Der Zunft- zwang diente nur noch als ein Mittel, Unzünftige auszuschliessen. Das Meisterrecht wurde zu einem Gegenstand des Verkaufs gemacht. Die Geschlossenheit der Zunft, d. h. die Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Meistern, womöglich die gänzliche Sperrung wurden als Privilegium erstrebt. Der Arbeitsfleiss verschwand und mit ihr die Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, welche vordem der Ruhm der deutschen Meister gewesen war. Solche Zustände mussten natür- lich Gegenstand fortwährender Klagen werden. Die Handwerks- missbräuche abzustellen, war eine unaufhörliche Sorge der Regierungen.
1) Siehe Dr. G. Schönberg, Handbuch der politischen Ökonomie, S. 846.
Die gewerblichen Verhältnisse.
Die gewerblichen Verhältnisse.
Die gewerblichen Verhältnisse standen im 18. Jahrhundert im allgemeinen noch unter dem Zunftzwang, wenn dieser sich auch in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt hatte. Die Stellung der Zünfte hatte sich seit dem 30 jährigen Kriege wesent- lich dadurch verändert, daſs die landesherrliche Bevormundung eine viel stärkere geworden war. Während die Zünfte ihren Ursprung in dem freiwilligen Zusammenschluſs der gleichartigen Gewerbetreibenden zum Schutz und gegenseitiger Unterstützung und Förderung hatten, ging diese Unabhängigkeit bei dem fortschreitenden Verfall der Zünfte mehr und mehr verloren. Sie suchten Schutz und materielle Unter- stützung bei der Obrigkeit, so daſs sich allmählich die Vorstellung ausbildete, daſs auch ihre Rechte nur von der Obrigkeit oder der Landesherrschaft verliehen seien. Diese Auffassung begünstigten die Regierungen, so daſs sie sich allmählich zu einer festen Lehre gestaltete. Auch gaben die Zünfte durch ihr Benehmen, welches immer exklusiver wurde, der Regierung oft genug Grund zum Ein- schreiten, zur Prüfung und schlieſslich auch zur Abänderung ihrer Satzungen. Der sittliche Wert der Zünfte war schon seit langer Zeit im Schwinden und war im 30 jährigen Kriege ganz verloren gegangen. Kastengeist, Gewinnsucht, Eitelkeit, Wichtigthuerei, engherzige Exklu- sivität, Konkurrenzfurcht, Brotneid und Engherzigkeit waren an die Stelle der alten Bürgertugenden, welche das Handwerk im Mittel- alter ausgezeichnet hatten, getreten. Die alten Zunfteinrichtungen dienten nur noch dazu, einer kleinen Zahl privilegierter Familien in einzelnen Städten eine sichere Existenz zu schaffen 1). Der Zunft- zwang diente nur noch als ein Mittel, Unzünftige auszuschlieſsen. Das Meisterrecht wurde zu einem Gegenstand des Verkaufs gemacht. Die Geschlossenheit der Zunft, d. h. die Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Meistern, womöglich die gänzliche Sperrung wurden als Privilegium erstrebt. Der Arbeitsfleiſs verschwand und mit ihr die Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, welche vordem der Ruhm der deutschen Meister gewesen war. Solche Zustände muſsten natür- lich Gegenstand fortwährender Klagen werden. Die Handwerks- miſsbräuche abzustellen, war eine unaufhörliche Sorge der Regierungen.
1) Siehe Dr. G. Schönberg, Handbuch der politischen Ökonomie, S. 846.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0792"n="778"/><fwplace="top"type="header">Die gewerblichen Verhältnisse.</fw><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Die gewerblichen Verhältnisse.</hi></head><lb/><p>Die <hirendition="#g">gewerblichen Verhältnisse</hi> standen im 18. Jahrhundert<lb/>
im allgemeinen noch unter dem Zunftzwang, wenn dieser sich auch<lb/>
in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt hatte. Die<lb/>
Stellung der <hirendition="#g">Zünfte</hi> hatte sich seit dem 30 jährigen Kriege wesent-<lb/>
lich dadurch verändert, daſs die landesherrliche Bevormundung eine<lb/>
viel stärkere geworden war. Während die Zünfte ihren Ursprung in<lb/>
dem freiwilligen Zusammenschluſs der gleichartigen Gewerbetreibenden<lb/>
zum Schutz und gegenseitiger Unterstützung und Förderung hatten,<lb/>
ging diese Unabhängigkeit bei dem fortschreitenden Verfall der Zünfte<lb/>
mehr und mehr verloren. Sie suchten Schutz und materielle Unter-<lb/>
stützung bei der Obrigkeit, so daſs sich allmählich die Vorstellung<lb/>
ausbildete, daſs auch ihre Rechte nur von der Obrigkeit oder der<lb/>
Landesherrschaft verliehen seien. Diese Auffassung begünstigten die<lb/>
Regierungen, so daſs sie sich allmählich zu einer festen Lehre<lb/>
gestaltete. Auch gaben die Zünfte durch ihr Benehmen, welches<lb/>
immer exklusiver wurde, der Regierung oft genug Grund zum Ein-<lb/>
schreiten, zur Prüfung und schlieſslich auch zur Abänderung ihrer<lb/>
Satzungen. Der sittliche Wert der Zünfte war schon seit langer Zeit<lb/>
im Schwinden und war im 30 jährigen Kriege ganz verloren gegangen.<lb/>
Kastengeist, Gewinnsucht, Eitelkeit, Wichtigthuerei, engherzige Exklu-<lb/>
sivität, Konkurrenzfurcht, Brotneid und Engherzigkeit waren an die<lb/>
Stelle der alten Bürgertugenden, welche das Handwerk im Mittel-<lb/>
alter ausgezeichnet hatten, getreten. Die alten Zunfteinrichtungen<lb/>
dienten nur noch dazu, einer kleinen Zahl privilegierter Familien in<lb/>
einzelnen Städten eine sichere Existenz zu schaffen <noteplace="foot"n="1)">Siehe Dr. G. <hirendition="#g">Schönberg</hi>, Handbuch der politischen Ökonomie, S. 846.</note>. Der Zunft-<lb/>
zwang diente nur noch als ein Mittel, Unzünftige auszuschlieſsen. Das<lb/>
Meisterrecht wurde zu einem Gegenstand des Verkaufs gemacht. Die<lb/>
Geschlossenheit der Zunft, d. h. die Beschränkung auf eine bestimmte<lb/>
Zahl von Meistern, womöglich die gänzliche Sperrung wurden als<lb/>
Privilegium erstrebt. Der Arbeitsfleiſs verschwand und mit ihr die<lb/>
Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, welche vordem der Ruhm<lb/>
der deutschen Meister gewesen war. Solche Zustände muſsten natür-<lb/>
lich Gegenstand fortwährender Klagen werden. Die Handwerks-<lb/>
miſsbräuche abzustellen, war eine unaufhörliche Sorge der Regierungen.<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[778/0792]
Die gewerblichen Verhältnisse.
Die gewerblichen Verhältnisse.
Die gewerblichen Verhältnisse standen im 18. Jahrhundert
im allgemeinen noch unter dem Zunftzwang, wenn dieser sich auch
in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt hatte. Die
Stellung der Zünfte hatte sich seit dem 30 jährigen Kriege wesent-
lich dadurch verändert, daſs die landesherrliche Bevormundung eine
viel stärkere geworden war. Während die Zünfte ihren Ursprung in
dem freiwilligen Zusammenschluſs der gleichartigen Gewerbetreibenden
zum Schutz und gegenseitiger Unterstützung und Förderung hatten,
ging diese Unabhängigkeit bei dem fortschreitenden Verfall der Zünfte
mehr und mehr verloren. Sie suchten Schutz und materielle Unter-
stützung bei der Obrigkeit, so daſs sich allmählich die Vorstellung
ausbildete, daſs auch ihre Rechte nur von der Obrigkeit oder der
Landesherrschaft verliehen seien. Diese Auffassung begünstigten die
Regierungen, so daſs sie sich allmählich zu einer festen Lehre
gestaltete. Auch gaben die Zünfte durch ihr Benehmen, welches
immer exklusiver wurde, der Regierung oft genug Grund zum Ein-
schreiten, zur Prüfung und schlieſslich auch zur Abänderung ihrer
Satzungen. Der sittliche Wert der Zünfte war schon seit langer Zeit
im Schwinden und war im 30 jährigen Kriege ganz verloren gegangen.
Kastengeist, Gewinnsucht, Eitelkeit, Wichtigthuerei, engherzige Exklu-
sivität, Konkurrenzfurcht, Brotneid und Engherzigkeit waren an die
Stelle der alten Bürgertugenden, welche das Handwerk im Mittel-
alter ausgezeichnet hatten, getreten. Die alten Zunfteinrichtungen
dienten nur noch dazu, einer kleinen Zahl privilegierter Familien in
einzelnen Städten eine sichere Existenz zu schaffen 1). Der Zunft-
zwang diente nur noch als ein Mittel, Unzünftige auszuschlieſsen. Das
Meisterrecht wurde zu einem Gegenstand des Verkaufs gemacht. Die
Geschlossenheit der Zunft, d. h. die Beschränkung auf eine bestimmte
Zahl von Meistern, womöglich die gänzliche Sperrung wurden als
Privilegium erstrebt. Der Arbeitsfleiſs verschwand und mit ihr die
Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, welche vordem der Ruhm
der deutschen Meister gewesen war. Solche Zustände muſsten natür-
lich Gegenstand fortwährender Klagen werden. Die Handwerks-
miſsbräuche abzustellen, war eine unaufhörliche Sorge der Regierungen.
1) Siehe Dr. G. Schönberg, Handbuch der politischen Ökonomie, S. 846.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/792>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.