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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Georg Agricola.
Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis
sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof
Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten.
Dieser gewährte der Hülle des grossen Mannes eine anständige Ruhe-
stätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem
Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte
aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach
Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner
Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet:

"D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chem-
nicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua
optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immor-
talitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna
tabernacula transtulit.

Uxor et Liberi lugentes F. C.

Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Chri-
stum natum 1555."

Es ist ein melancholisches Schicksal, dass oft die besten Männer
von den Nächststehenden ihrer Zeit nicht verstanden werden, denn
während der Leichnam des Georg Agricola solche Schmach seitens
seiner Mitbürger erfuhr, war sein Ruhm als Gelehrter schon über das
ganze gebildete Europa verbreitet. Und wie begründet dieser Ruhm
war, dafür spricht der Umstand, dass er bis zu unserer Zeit nicht
abgenommen hat. Er war einer der grössten Naturphilosophen, die
je gelebt haben. Unübertroffen ist er in seinen Schriften durch die
wunderbare Durchdringung von Praxis und Theorie. Die Empirie,
die damals allein die Technik und selbst die Naturwissenschaft be-
herrschte, genügte ihm nicht, er strebte nach systematischer Behand-
lung, besonders der Mineralogie und Metallurgie. Dabei sind seine
Schriften klassisch in Ausdruck und Form, lebendig und kernig,
anmutig und kräftig, scharfsinnig und originell. Gesner, mit dem
er in wissenschaftlichem Verkehre stand, nennt Agricola den deut-
schen Plinius. Melanchthon schreibt von ihm: Argenti venas
olim celebravit Albertus Magnus Sed hunc longe vicit Georgius
Agricola
Medicus. In einem der Lobgedichte, die sein Freund und
Landsmann Georg Fabricius nach seinem Tode auf ihn verfasste,
heisst es:


Georg Agricola.
Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis
sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof
Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten.
Dieser gewährte der Hülle des groſsen Mannes eine anständige Ruhe-
stätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem
Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte
aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach
Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner
Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet:

„D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chem-
nicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua
optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immor-
talitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna
tabernacula transtulit.

Uxor et Liberi lugentes F. C.

Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Chri-
stum natum 1555.“

Es ist ein melancholisches Schicksal, daſs oft die besten Männer
von den Nächststehenden ihrer Zeit nicht verstanden werden, denn
während der Leichnam des Georg Agricola solche Schmach seitens
seiner Mitbürger erfuhr, war sein Ruhm als Gelehrter schon über das
ganze gebildete Europa verbreitet. Und wie begründet dieser Ruhm
war, dafür spricht der Umstand, daſs er bis zu unserer Zeit nicht
abgenommen hat. Er war einer der gröſsten Naturphilosophen, die
je gelebt haben. Unübertroffen ist er in seinen Schriften durch die
wunderbare Durchdringung von Praxis und Theorie. Die Empirie,
die damals allein die Technik und selbst die Naturwissenschaft be-
herrschte, genügte ihm nicht, er strebte nach systematischer Behand-
lung, besonders der Mineralogie und Metallurgie. Dabei sind seine
Schriften klassisch in Ausdruck und Form, lebendig und kernig,
anmutig und kräftig, scharfsinnig und originell. Gesner, mit dem
er in wissenschaftlichem Verkehre stand, nennt Agricola den deut-
schen Plinius. Melanchthon schreibt von ihm: Argenti venas
olim celebravit Albertus Magnus Sed hunc longe vicit Georgius
Agricola
Medicus. In einem der Lobgedichte, die sein Freund und
Landsmann Georg Fabricius nach seinem Tode auf ihn verfaſste,
heiſst es:


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[30/0050] Georg Agricola. Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten. Dieser gewährte der Hülle des groſsen Mannes eine anständige Ruhe- stätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet: „D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chem- nicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immor- talitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna tabernacula transtulit. Uxor et Liberi lugentes F. C. Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Chri- stum natum 1555.“ Es ist ein melancholisches Schicksal, daſs oft die besten Männer von den Nächststehenden ihrer Zeit nicht verstanden werden, denn während der Leichnam des Georg Agricola solche Schmach seitens seiner Mitbürger erfuhr, war sein Ruhm als Gelehrter schon über das ganze gebildete Europa verbreitet. Und wie begründet dieser Ruhm war, dafür spricht der Umstand, daſs er bis zu unserer Zeit nicht abgenommen hat. Er war einer der gröſsten Naturphilosophen, die je gelebt haben. Unübertroffen ist er in seinen Schriften durch die wunderbare Durchdringung von Praxis und Theorie. Die Empirie, die damals allein die Technik und selbst die Naturwissenschaft be- herrschte, genügte ihm nicht, er strebte nach systematischer Behand- lung, besonders der Mineralogie und Metallurgie. Dabei sind seine Schriften klassisch in Ausdruck und Form, lebendig und kernig, anmutig und kräftig, scharfsinnig und originell. Gesner, mit dem er in wissenschaftlichem Verkehre stand, nennt Agricola den deut- schen Plinius. Melanchthon schreibt von ihm: Argenti venas olim celebravit Albertus Magnus Sed hunc longe vicit Georgius Agricola Medicus. In einem der Lobgedichte, die sein Freund und Landsmann Georg Fabricius nach seinem Tode auf ihn verfaſste, heiſst es:

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/50>, abgerufen am 26.04.2024.