Auf eine noch kürzere, und dabey angenehm über- raschende Art in die entferntesten Tonarten zu kommen, ist kein Accord so bequem und fruchtbar, als der Septimenaccord mit der verminderten Septime und falschen Quinte, weil durch seine Ver- kehrungen, und durch die Verwechselung des Klanggeschlechts sehr viele harmonische Veränderungen vorgenommen werden können. Wenn man hierzu die übrigen harmdnischen Künste und Sel- tenheiten, welche wir in den vorhergehenden Capiteln abgehan- delt haben, mit zur Hülfe nimmt: was eröfnet sich nicht alsdenn für ein unzuübersehendes Feld von harmonischer Mannigfaltigkeit! Solte es alsdenn wohl noch schwehr fallen, dahin zu gehen, wo man nur will? Nein, man darf nur wählen, ob man viele, oder gar keine Umwege nehmen will. Es sind von dem oben ge- dachten Accorde, welcher aus dreyen über einander gesetzten klei- nen Terzen bestehet, nur dreye möglich; bey dem vierten ist die Wiederholung des erstern schon da, wie wir aus der Vorbildung bey (a) sehen. Wir würden zu weitläuftig werden, wenn wir alle Möglichkeiten anführen wolten, die Harmonie durch diesen Accord dahin zu lenken, wohin man nur will. Es sey die bey (b) gegebene Gelegenheit zu Versuchen in dieser Art für dieses mahl hinlänglich. Wir wiederholen nochmals, dergleichen chro- matische Sätze nur dann und wann, mit guter Art, und langsam vorzutragen.
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Von der freyen Fantaſie.
§. 11.
Auf eine noch kürzere, und dabey angenehm über- raſchende Art in die entfernteſten Tonarten zu kommen, iſt kein Accord ſo bequem und fruchtbar, als der Septimenaccord mit der verminderten Septime und falſchen Quinte, weil durch ſeine Ver- kehrungen, und durch die Verwechſelung des Klanggeſchlechts ſehr viele harmoniſche Veränderungen vorgenommen werden können. Wenn man hierzu die übrigen harmdniſchen Künſte und Sel- tenheiten, welche wir in den vorhergehenden Capiteln abgehan- delt haben, mit zur Hülfe nimmt: was eröfnet ſich nicht alsdenn für ein unzuüberſehendes Feld von harmoniſcher Mannigfaltigkeit! Solte es alsdenn wohl noch ſchwehr fallen, dahin zu gehen, wo man nur will? Nein, man darf nur wählen, ob man viele, oder gar keine Umwege nehmen will. Es ſind von dem oben ge- dachten Accorde, welcher aus dreyen über einander geſetzten klei- nen Terzen beſtehet, nur dreye möglich; bey dem vierten iſt die Wiederholung des erſtern ſchon da, wie wir aus der Vorbildung bey (a) ſehen. Wir würden zu weitläuftig werden, wenn wir alle Möglichkeiten anführen wolten, die Harmonie durch dieſen Accord dahin zu lenken, wohin man nur will. Es ſey die bey (b) gegebene Gelegenheit zu Verſuchen in dieſer Art für dieſes mahl hinlänglich. Wir wiederholen nochmals, dergleichen chro- matiſche Sätze nur dann und wann, mit guter Art, und langſam vorzutragen.
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Von der freyen Fantaſie.
§. 11. Auf eine noch kürzere, und dabey angenehm über-
raſchende Art in die entfernteſten Tonarten zu kommen, iſt kein
Accord ſo bequem und fruchtbar, als der Septimenaccord mit der
verminderten Septime und falſchen Quinte, weil durch ſeine Ver-
kehrungen, und durch die Verwechſelung des Klanggeſchlechts
ſehr viele harmoniſche Veränderungen vorgenommen werden können.
Wenn man hierzu die übrigen harmdniſchen Künſte und Sel-
tenheiten, welche wir in den vorhergehenden Capiteln abgehan-
delt haben, mit zur Hülfe nimmt: was eröfnet ſich nicht alsdenn
für ein unzuüberſehendes Feld von harmoniſcher Mannigfaltigkeit!
Solte es alsdenn wohl noch ſchwehr fallen, dahin zu gehen, wo
man nur will? Nein, man darf nur wählen, ob man viele,
oder gar keine Umwege nehmen will. Es ſind von dem oben ge-
dachten Accorde, welcher aus dreyen über einander geſetzten klei-
nen Terzen beſtehet, nur dreye möglich; bey dem vierten iſt die
Wiederholung des erſtern ſchon da, wie wir aus der Vorbildung
bey (a) ſehen. Wir würden zu weitläuftig werden, wenn wir
alle Möglichkeiten anführen wolten, die Harmonie durch dieſen
Accord dahin zu lenken, wohin man nur will. Es ſey die bey
(b) gegebene Gelegenheit zu Verſuchen in dieſer Art für dieſes
mahl hinlänglich. Wir wiederholen nochmals, dergleichen chro-
matiſche Sätze nur dann und wann, mit guter Art, und
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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/345>, abgerufen am 21.11.2024.
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