Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.den verrätherischen Genossen, der ihn gewiß schon seit Jahren betrogen und mit zu seinem Elende verholfen, aus dem Wege zu schaffen; aber er bezwang sich, und so seltsam geartet ist das Menschenherz, daß Diethelm aus dieser Selbstbeherrschung einen friedlichen Trost schöpfte: die That, die er begehen wollte, erschien unschuldvoll, fast ein Kinderspiel, da er das schwere Verbrechen, den Mord von sich wies. Mit ruhigem Gewissen schlief Diethelm abermals ein. Dreizehntes Kapitel. Es läßt sich kaum sagen, was in dem beiderseitigen Blicke lag, als sich Diethelm und Medard am Morgen zum Erstenmale im Tageslicht begegneten; nur mit Blitzesschnelle streiften sich ihre Blicke, dann schaute Jeder vor sich nieder. Medard aber war wieder schnell gefaßt, griff in die Tasche und sagte, die Messingschrauben zeigend, mit triumphirender Miene: Da, die hab' ich heut schon geholt. Vergrab sie, sagte Diethelm und winkte dem Medard nach dem Stalle und fuhr hier fort: Du sagst doch deinem Vater nichts? Nein, das ist nichts für einen Sympathiedoctor. Der Ofen muß aber heut geheizt werden, denn brennt's an einem andern Ort, da merken sie, daß die Schrauben und Kloben fehlen. Das Flugfeuer kann nicht zünden, die Dächer sind mit Schnee bedeckt. Aber Meister, fuhr Medard fort, das Wort ging ihm schwer heraus, wie ist's denn, wollen wir die Schaf' nicht an einen Ort thun? Ihr wisset ja wohl, die sind blitzdumm und können das Fünkeln nicht leiden und laufen grad' drein 'nein! den verrätherischen Genossen, der ihn gewiß schon seit Jahren betrogen und mit zu seinem Elende verholfen, aus dem Wege zu schaffen; aber er bezwang sich, und so seltsam geartet ist das Menschenherz, daß Diethelm aus dieser Selbstbeherrschung einen friedlichen Trost schöpfte: die That, die er begehen wollte, erschien unschuldvoll, fast ein Kinderspiel, da er das schwere Verbrechen, den Mord von sich wies. Mit ruhigem Gewissen schlief Diethelm abermals ein. Dreizehntes Kapitel. Es läßt sich kaum sagen, was in dem beiderseitigen Blicke lag, als sich Diethelm und Medard am Morgen zum Erstenmale im Tageslicht begegneten; nur mit Blitzesschnelle streiften sich ihre Blicke, dann schaute Jeder vor sich nieder. Medard aber war wieder schnell gefaßt, griff in die Tasche und sagte, die Messingschrauben zeigend, mit triumphirender Miene: Da, die hab' ich heut schon geholt. Vergrab sie, sagte Diethelm und winkte dem Medard nach dem Stalle und fuhr hier fort: Du sagst doch deinem Vater nichts? Nein, das ist nichts für einen Sympathiedoctor. Der Ofen muß aber heut geheizt werden, denn brennt's an einem andern Ort, da merken sie, daß die Schrauben und Kloben fehlen. Das Flugfeuer kann nicht zünden, die Dächer sind mit Schnee bedeckt. Aber Meister, fuhr Medard fort, das Wort ging ihm schwer heraus, wie ist's denn, wollen wir die Schaf' nicht an einen Ort thun? Ihr wisset ja wohl, die sind blitzdumm und können das Fünkeln nicht leiden und laufen grad' drein 'nein! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <p><pb facs="#f0089"/> den verrätherischen Genossen, der ihn gewiß schon seit Jahren betrogen und mit zu seinem Elende verholfen, aus dem Wege zu schaffen; aber er bezwang sich, und so seltsam geartet ist das Menschenherz, daß Diethelm aus dieser Selbstbeherrschung einen friedlichen Trost schöpfte: die That, die er begehen wollte, erschien unschuldvoll, fast ein Kinderspiel, da er das schwere Verbrechen, den Mord von sich wies.</p><lb/> <p>Mit ruhigem Gewissen schlief Diethelm abermals ein.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="13"> <head>Dreizehntes Kapitel.</head><lb/> <p>Es läßt sich kaum sagen, was in dem beiderseitigen Blicke lag, als sich Diethelm und Medard am Morgen zum Erstenmale im Tageslicht begegneten; nur mit Blitzesschnelle streiften sich ihre Blicke, dann schaute Jeder vor sich nieder. Medard aber war wieder schnell gefaßt, griff in die Tasche und sagte, die Messingschrauben zeigend, mit triumphirender Miene: Da, die hab' ich heut schon geholt.</p><lb/> <p>Vergrab sie, sagte Diethelm und winkte dem Medard nach dem Stalle und fuhr hier fort: Du sagst doch deinem Vater nichts?</p><lb/> <p>Nein, das ist nichts für einen Sympathiedoctor. Der Ofen muß aber heut geheizt werden, denn brennt's an einem andern Ort, da merken sie, daß die Schrauben und Kloben fehlen. Das Flugfeuer kann nicht zünden, die Dächer sind mit Schnee bedeckt. Aber Meister, fuhr Medard fort, das Wort ging ihm schwer heraus, wie ist's denn, wollen wir die Schaf' nicht an einen Ort thun? Ihr wisset ja wohl, die sind blitzdumm und können das Fünkeln nicht leiden und laufen grad' drein 'nein!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
den verrätherischen Genossen, der ihn gewiß schon seit Jahren betrogen und mit zu seinem Elende verholfen, aus dem Wege zu schaffen; aber er bezwang sich, und so seltsam geartet ist das Menschenherz, daß Diethelm aus dieser Selbstbeherrschung einen friedlichen Trost schöpfte: die That, die er begehen wollte, erschien unschuldvoll, fast ein Kinderspiel, da er das schwere Verbrechen, den Mord von sich wies.
Mit ruhigem Gewissen schlief Diethelm abermals ein.
Dreizehntes Kapitel.
Es läßt sich kaum sagen, was in dem beiderseitigen Blicke lag, als sich Diethelm und Medard am Morgen zum Erstenmale im Tageslicht begegneten; nur mit Blitzesschnelle streiften sich ihre Blicke, dann schaute Jeder vor sich nieder. Medard aber war wieder schnell gefaßt, griff in die Tasche und sagte, die Messingschrauben zeigend, mit triumphirender Miene: Da, die hab' ich heut schon geholt.
Vergrab sie, sagte Diethelm und winkte dem Medard nach dem Stalle und fuhr hier fort: Du sagst doch deinem Vater nichts?
Nein, das ist nichts für einen Sympathiedoctor. Der Ofen muß aber heut geheizt werden, denn brennt's an einem andern Ort, da merken sie, daß die Schrauben und Kloben fehlen. Das Flugfeuer kann nicht zünden, die Dächer sind mit Schnee bedeckt. Aber Meister, fuhr Medard fort, das Wort ging ihm schwer heraus, wie ist's denn, wollen wir die Schaf' nicht an einen Ort thun? Ihr wisset ja wohl, die sind blitzdumm und können das Fünkeln nicht leiden und laufen grad' drein 'nein!
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/89>, abgerufen am 22.02.2025. |