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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXXV. David Joris vertheidigung.
[Spaltenumbruch] NB. wahr/ daß das gesetze unser zuchtmeister
ist gewesen biß auff Christum? so ist es auch
wahr/ daß CHristus uns wolle führen zu dem
Geiste der warheit/ welchen er zugesaget hat
zu senden/ daß derselbe den menschen in alle
warheit leyten solle; Dann dieser Geist wird
den wenigsten bekannt/ weil er der welt un-
sichtbar ist/ und inwendig und nicht außwen-
dig muß gesucht werden. Man bleibet lie-
ber bey dem tröster und dem leiter/ als bey
dem CHristo nach dem fleische/ welches
nicht bestehen wird/ dann solche erkäntnis
muß noch auffhören/ und die rechte innerli-
che erkäntnis im Geiste und warheit hervor
kommen; Dann so lange der vorhang/
welcher das fleisch Christi ist/ wie Paulus
meldet Hebräer cap. 10. vers. 20. nicht weg-
gethan wird/ so kan man das allerheiligste
nicht sehen/ noch das unbewegliche reich ü-
berkommen/ Hebr. cap. 13. vers. 27. Dar-
um wol deme/ der mit Paulo 2. Corinthier
cap. 5. so weit gekommen ist/ daß er sagen
mag: Von nun an kennen wir niemand
nach dem fleische/ und ob wir zwar CHri-
stum gekennt haben nach dem fleische/ so ken-
nen wir ihn doch nun nicht mehr etc. Wo
nun diese erneuerung deß hertzens ist/ da sind
alle dinge in ein warhafftig wesen verändert/
und der Geist CHristi nach der zusage Chri-
sti überkommen/ das Neue Testament befe-
stiget und auffgerichtet/ und alles buchstäb-
liche wesen durch das neue geistliche vergan-
gen; Ja/ welches noch mehr ist/ so wird
alsdann der anfang des Christenthums zu ei-
ner vollkommenheit gebracht/ 1. an die Corin-
thier cap. 13. Hebr. cap. 6. vers. 1. Und weil
CHristus in den tagen seines fleischs seinen
Jüngern noch nicht alles offenbahren moch-
te/ weil sie es noch nicht ertragen könten/ so
verhieß er ihnen einen andern tröster zu sen-
den/ sagend deutlich Joh. cap. 16. Wann
ich nicht hingehe/ so kommt der tröster nicht
zu euch. Daraus wird klärlich angemercket/
daß die vollkommene erkänntnis ihnen da-
mals noch nicht gegeben ware. Warum soll
dann der fromme David nicht mögen schrei-
ben das jenige/ was der Apostel selbst gezeiget
1. an die Corinthier cap. 13. Daß die prophe-
zeyungen auffhören sollen/ daß die zungen
auffhören sollen etc. Nehmet ihr diß so übel auff/
daß ihr das zu einer auffmunterung in euerem
Christenthum von diesem frommen manne an-
nehmen sollet/ auff daß ihr zum wachsthum
im Christenthum je mehr und mehr möget
gebracht werden durch den Geist der warheit
und deß verstandes? Oder seyd ihr schon
vollkommener als Paulus? der selbst gestun-
de/ daß er damals noch unvollkommen wäre/
wie er auch noch klärer bezeuget Philipp. c. 3.
was kan wohl deutlicher seyn? Wolt ihr
weitere nachricht/ so leset deß mannes schriff-
ten mit unpartheyischem gemüthe/ besehet/
was er schreibet in seinem wunder-buche;
Leset es nach anleitung der vorrede. Jtem
das buch von der Schöpffung/ darinnen be-
griffen ist ein gespräche zwischen GOTTES
Geiste und dem verlohrnen menschen. Jtem
das gespräche zwischen GOttes-Gelehrten
und Sophist-Gelehrten/ darinn euch der
grund der warheit deutlich gnug gezeiget wird.
[Spaltenumbruch] Nun es muß so lange verschlossen und versie-
gelt werden/ biß die heilige Gemeine gesäu-
bert/ euch die augen eröffnet/ die decke der
blindheit von euerm hertzen weggenommen
seye; alsdann solt ihr erst sehen/ was ihr
gelästert und wiedersprochen habt. Doch ich
muß euch hier noch einige texte (die ihr bekennet
zu glauben) zu weiterm nachdencken vorhalten.
Jst es nun/ daß ihr sie achtet/ wohlan/ so
last euch weisen! Nemlich/ Hebräer cap. 7.
v. 15. 16. 17. 18. 19. 1. Corinth. cap. 13. vers.
10. Hebr. cap. 6. vers. 1.

Folget die beschuldigung deß
zweyten Artickuls.

Jtem er saget/ daß er der wahre CHristus
und Messias/ der liebe Sohn deß Vaters seye/
an welchem er wohlgefallen habe; nicht
auß dem fleische gebohren/ sondern aus dem
Heiligen Geiste/ und dem Geiste CHristi;
welcher Geist CHristi/ da er sich nicht mehr
auff erden sehen lassen/ seye von dem Vater an
einem orte allen Heiligen verborgen geblie-
ben/ biß auff diese zeit/ da er dem David Georg
gantz seye mitgetheilet worden.

Antwort.

Daß der fromme David Joris irgendswo
sagen oder schreiben solte/ daß er der wahre
Messias/ der Sohn deß Vaters seye/ ist offent-
lich gelogen. Jhr habt das nirgends in seinen
schrifften gesehen noch gelesen/ aber wohl das
gegentheil. Leset doch den Tractat von seiner
sendung/ im anfang: Dann ich eintzig und
allein von GOTT etc.
und die andere stücken
mehr/ ihr solt dann wohl anderst darvon ur-
theilen. Jtem leset das Tractätgen/ außgege-
ben anno 1542. anfangs: Eine sehr gute
vermahnung und unterweisung vor alle
gottsförchtige und glaubige seelen etc.
J-
tem/ Diß ist der weg/ denselbigen gehet.
Besehet da/ was David von sich selber hält/
und wie er von dem versprochenen wahren
Christo und Messia spricht; Diß sind seine
worte: Wer dann von der gesalbten art Da-
vids nicht ist/ Christi Geist nicht hat/ der gehö-
ret GOTT nicht zu/ ist auch nicht von seiner
Gemeine. Nicht David Joris sohn gemei-
net nach dem fleische/ der als andere menschen
in sünden empfangen und gebohren/ der die
gnade GOTTES so wol als ein anderer von-
nöthen hat; Sondern den versprochenen Da-
vid GOTTES Sohn/ der von dem Geiste
im worte deß lebendigen GOTTES geboh-
ren/ eine pflantze der gerechtigkeit/ ein Sohn
deß allerheiligsten glaubens ist/ der neue mensch
von dem himmel/ den David Joris sohn so
wohl als ein anderer empfangen. Sehet/ diß
sind andere worte/ die wider euch klingen/ und
sich selbst außlegen/ so daß man sie auff keinen
andern sinn deuten oder ziehen kan/ es wäre
dann/ daß man es muthwillig thun wolte. O-
der meynet ihr/ daß der fromme David alleine
ist außgeschlossen/ daß er den Geist GOttes
und CHristi nicht so wohl als ein anderer em-
pfangen möge/ durch welchen Geist man rufft:
Abba/ lieber Vater/ und zu einem kind GOT-
TES
von GOTT gebohren wird. Sa-

get/
A. K. H. Vierter Theil. J i 2

Th. IV. Sect. II. Num. XXXV. David Joris vertheidigung.
[Spaltenumbruch] NB. wahr/ daß das geſetze unſer zuchtmeiſter
iſt geweſen biß auff Chriſtum? ſo iſt es auch
wahr/ daß CHriſtus uns wolle fuͤhren zu dem
Geiſte der warheit/ welchen er zugeſaget hat
zu ſenden/ daß derſelbe den menſchen in alle
warheit leyten ſolle; Dann dieſer Geiſt wird
den wenigſten bekannt/ weil er der welt un-
ſichtbar iſt/ und inwendig und nicht außwen-
dig muß geſucht werden. Man bleibet lie-
ber bey dem troͤſter und dem leiter/ als bey
dem CHriſto nach dem fleiſche/ welches
nicht beſtehen wird/ dann ſolche erkaͤntnis
muß noch auffhoͤren/ und die rechte innerli-
che erkaͤntnis im Geiſte und warheit hervor
kommen; Dann ſo lange der vorhang/
welcher das fleiſch Chriſti iſt/ wie Paulus
meldet Hebraͤer cap. 10. verſ. 20. nicht weg-
gethan wird/ ſo kan man das allerheiligſte
nicht ſehen/ noch das unbewegliche reich uͤ-
berkommen/ Hebr. cap. 13. verſ. 27. Dar-
um wol deme/ der mit Paulo 2. Corinthier
cap. 5. ſo weit gekommen iſt/ daß er ſagen
mag: Von nun an kennen wir niemand
nach dem fleiſche/ und ob wir zwar CHri-
ſtum gekennt haben nach dem fleiſche/ ſo ken-
nen wir ihn doch nun nicht mehr ꝛc. Wo
nun dieſe erneuerung deß hertzens iſt/ da ſind
alle dinge in ein warhafftig weſen veraͤndert/
und der Geiſt CHriſti nach der zuſage Chri-
ſti uͤberkommen/ das Neue Teſtament befe-
ſtiget und auffgerichtet/ und alles buchſtaͤb-
liche weſen durch das neue geiſtliche vergan-
gen; Ja/ welches noch mehr iſt/ ſo wird
alsdann der anfang des Chriſtenthums zu ei-
ner vollkommenheit gebracht/ 1. an die Corin-
thier cap. 13. Hebr. cap. 6. verſ. 1. Und weil
CHriſtus in den tagen ſeines fleiſchs ſeinen
Juͤngern noch nicht alles offenbahren moch-
te/ weil ſie es noch nicht ertragen koͤnten/ ſo
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den/ ſagend deutlich Joh. cap. 16. Wann
ich nicht hingehe/ ſo kommt der troͤſter nicht
zu euch. Daraus wird klaͤrlich angemercket/
daß die vollkommene erkaͤnntnis ihnen da-
mals noch nicht gegeben ware. Warum ſoll
dann der fromme David nicht moͤgen ſchrei-
ben das jenige/ was der Apoſtel ſelbſt gezeiget
1. an die Corinthier cap. 13. Daß die prophe-
zeyungen auffhoͤren ſollen/ daß die zungen
auffhoͤren ſollen ꝛc. Nehmet ihr diß ſo uͤbel auff/
daß ihr das zu einer auffmunterung in euerem
Chriſtenthum von dieſem frommen manne an-
nehmen ſollet/ auff daß ihr zum wachsthum
im Chriſtenthum je mehr und mehr moͤget
gebracht werden durch den Geiſt der warheit
und deß verſtandes? Oder ſeyd ihr ſchon
vollkommener als Paulus? der ſelbſt geſtun-
de/ daß er damals noch unvollkommen waͤre/
wie er auch noch klaͤrer bezeuget Philipp. c. 3.
was kan wohl deutlicher ſeyn? Wolt ihr
weitere nachricht/ ſo leſet deß mannes ſchriff-
ten mit unpartheyiſchem gemuͤthe/ beſehet/
was er ſchreibet in ſeinem wunder-buche;
Leſet es nach anleitung der vorrede. Jtem
das buch von der Schoͤpffung/ darinnen be-
griffen iſt ein geſpraͤche zwiſchen GOTTES
Geiſte und dem verlohrnen menſchen. Jtem
das geſpraͤche zwiſchen GOttes-Gelehrten
und Sophiſt-Gelehrten/ darinn euch der
grund der warheit deutlich gnug gezeiget wird.
[Spaltenumbruch] Nun es muß ſo lange verſchloſſen und verſie-
gelt werden/ biß die heilige Gemeine geſaͤu-
bert/ euch die augen eroͤffnet/ die decke der
blindheit von euerm hertzen weggenommen
ſeye; alsdann ſolt ihr erſt ſehen/ was ihr
gelaͤſtert und wiederſprochen habt. Doch ich
muß euch hier noch einige texte (die ihr bekennet
zu glauben) zu weiterm nachdencken vorhalten.
Jſt es nun/ daß ihr ſie achtet/ wohlan/ ſo
laſt euch weiſen! Nemlich/ Hebraͤer cap. 7.
v. 15. 16. 17. 18. 19. 1. Corinth. cap. 13. verſ.
10. Hebr. cap. 6. verſ. 1.

Folget die beſchuldigung deß
zweyten Artickuls.

Jtem er ſaget/ daß er der wahre CHriſtus
und Meſſias/ der liebe Sohn deß Vaters ſeye/
an welchem er wohlgefallen habe; nicht
auß dem fleiſche gebohren/ ſondern aus dem
Heiligen Geiſte/ und dem Geiſte CHriſti;
welcher Geiſt CHriſti/ da er ſich nicht mehr
auff erden ſehen laſſen/ ſeye von dem Vater an
einem orte allen Heiligen verborgen geblie-
ben/ biß auff dieſe zeit/ da er dem David Georg
gantz ſeye mitgetheilet worden.

Antwort.

Daß der fromme David Joris irgendswo
ſagen oder ſchreiben ſolte/ daß er der wahre
Meſſias/ der Sohn deß Vaters ſeye/ iſt offent-
lich gelogen. Jhr habt das nirgends in ſeinen
ſchrifften geſehen noch geleſen/ aber wohl das
gegentheil. Leſet doch den Tractat von ſeiner
ſendung/ im anfang: Dann ich eintzig und
allein von GOTT ꝛc.
und die andere ſtuͤcken
mehr/ ihr ſolt dann wohl anderſt darvon ur-
theilen. Jtem leſet das Tractaͤtgen/ außgege-
ben anno 1542. anfangs: Eine ſehr gute
vermahnung und unterweiſung vor alle
gottsfoͤrchtige und glaubige ſeelen ꝛc.
J-
tem/ Diß iſt der weg/ denſelbigen gehet.
Beſehet da/ was David von ſich ſelber haͤlt/
und wie er von dem verſprochenen wahren
Chriſto und Meſſia ſpricht; Diß ſind ſeine
worte: Wer dann von der geſalbten art Da-
vids nicht iſt/ Chriſti Geiſt nicht hat/ der gehoͤ-
ret GOTT nicht zu/ iſt auch nicht von ſeiner
Gemeine. Nicht David Joris ſohn gemei-
net nach dem fleiſche/ der als andere menſchen
in ſuͤnden empfangen und gebohren/ der die
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noͤthen hat; Sondern den verſprochenen Da-
vid GOTTES Sohn/ der von dem Geiſte
im worte deß lebendigen GOTTES geboh-
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deß allerheiligſten glaubens iſt/ der neue menſch
von dem himmel/ den David Joris ſohn ſo
wohl als ein anderer empfangen. Sehet/ diß
ſind andere worte/ die wider euch klingen/ und
ſich ſelbſt außlegen/ ſo daß man ſie auff keinen
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dann/ daß man es muthwillig thun wolte. O-
der meynet ihr/ daß der fromme David alleine
iſt außgeſchloſſen/ daß er den Geiſt GOttes
und CHriſti nicht ſo wohl als ein anderer em-
pfangen moͤge/ durch welchen Geiſt man rufft:
Abba/ lieber Vater/ und zu einem kind GOT-
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von GOTT gebohren wird. Sa-

get/
A. K. H. Vierter Theil. J i 2
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[251/0547] Th. IV. Sect. II. Num. XXXV. David Joris vertheidigung. NB. wahr/ daß das geſetze unſer zuchtmeiſter iſt geweſen biß auff Chriſtum? ſo iſt es auch wahr/ daß CHriſtus uns wolle fuͤhren zu dem Geiſte der warheit/ welchen er zugeſaget hat zu ſenden/ daß derſelbe den menſchen in alle warheit leyten ſolle; Dann dieſer Geiſt wird den wenigſten bekannt/ weil er der welt un- ſichtbar iſt/ und inwendig und nicht außwen- dig muß geſucht werden. Man bleibet lie- ber bey dem troͤſter und dem leiter/ als bey dem CHriſto nach dem fleiſche/ welches nicht beſtehen wird/ dann ſolche erkaͤntnis muß noch auffhoͤren/ und die rechte innerli- che erkaͤntnis im Geiſte und warheit hervor kommen; Dann ſo lange der vorhang/ welcher das fleiſch Chriſti iſt/ wie Paulus meldet Hebraͤer cap. 10. verſ. 20. nicht weg- gethan wird/ ſo kan man das allerheiligſte nicht ſehen/ noch das unbewegliche reich uͤ- berkommen/ Hebr. cap. 13. verſ. 27. Dar- um wol deme/ der mit Paulo 2. Corinthier cap. 5. ſo weit gekommen iſt/ daß er ſagen mag: Von nun an kennen wir niemand nach dem fleiſche/ und ob wir zwar CHri- ſtum gekennt haben nach dem fleiſche/ ſo ken- nen wir ihn doch nun nicht mehr ꝛc. Wo nun dieſe erneuerung deß hertzens iſt/ da ſind alle dinge in ein warhafftig weſen veraͤndert/ und der Geiſt CHriſti nach der zuſage Chri- ſti uͤberkommen/ das Neue Teſtament befe- ſtiget und auffgerichtet/ und alles buchſtaͤb- liche weſen durch das neue geiſtliche vergan- gen; Ja/ welches noch mehr iſt/ ſo wird alsdann der anfang des Chriſtenthums zu ei- ner vollkommenheit gebracht/ 1. an die Corin- thier cap. 13. Hebr. cap. 6. verſ. 1. Und weil CHriſtus in den tagen ſeines fleiſchs ſeinen Juͤngern noch nicht alles offenbahren moch- te/ weil ſie es noch nicht ertragen koͤnten/ ſo verhieß er ihnen einen andern troͤſter zu ſen- den/ ſagend deutlich Joh. cap. 16. Wann ich nicht hingehe/ ſo kommt der troͤſter nicht zu euch. Daraus wird klaͤrlich angemercket/ daß die vollkommene erkaͤnntnis ihnen da- mals noch nicht gegeben ware. Warum ſoll dann der fromme David nicht moͤgen ſchrei- ben das jenige/ was der Apoſtel ſelbſt gezeiget 1. an die Corinthier cap. 13. Daß die prophe- zeyungen auffhoͤren ſollen/ daß die zungen auffhoͤren ſollen ꝛc. Nehmet ihr diß ſo uͤbel auff/ daß ihr das zu einer auffmunterung in euerem Chriſtenthum von dieſem frommen manne an- nehmen ſollet/ auff daß ihr zum wachsthum im Chriſtenthum je mehr und mehr moͤget gebracht werden durch den Geiſt der warheit und deß verſtandes? Oder ſeyd ihr ſchon vollkommener als Paulus? der ſelbſt geſtun- de/ daß er damals noch unvollkommen waͤre/ wie er auch noch klaͤrer bezeuget Philipp. c. 3. was kan wohl deutlicher ſeyn? Wolt ihr weitere nachricht/ ſo leſet deß mannes ſchriff- ten mit unpartheyiſchem gemuͤthe/ beſehet/ was er ſchreibet in ſeinem wunder-buche; Leſet es nach anleitung der vorrede. Jtem das buch von der Schoͤpffung/ darinnen be- griffen iſt ein geſpraͤche zwiſchen GOTTES Geiſte und dem verlohrnen menſchen. Jtem das geſpraͤche zwiſchen GOttes-Gelehrten und Sophiſt-Gelehrten/ darinn euch der grund der warheit deutlich gnug gezeiget wird. Nun es muß ſo lange verſchloſſen und verſie- gelt werden/ biß die heilige Gemeine geſaͤu- bert/ euch die augen eroͤffnet/ die decke der blindheit von euerm hertzen weggenommen ſeye; alsdann ſolt ihr erſt ſehen/ was ihr gelaͤſtert und wiederſprochen habt. Doch ich muß euch hier noch einige texte (die ihr bekennet zu glauben) zu weiterm nachdencken vorhalten. Jſt es nun/ daß ihr ſie achtet/ wohlan/ ſo laſt euch weiſen! Nemlich/ Hebraͤer cap. 7. v. 15. 16. 17. 18. 19. 1. Corinth. cap. 13. verſ. 10. Hebr. cap. 6. verſ. 1. Folget die beſchuldigung deß zweyten Artickuls. Jtem er ſaget/ daß er der wahre CHriſtus und Meſſias/ der liebe Sohn deß Vaters ſeye/ an welchem er wohlgefallen habe; nicht auß dem fleiſche gebohren/ ſondern aus dem Heiligen Geiſte/ und dem Geiſte CHriſti; welcher Geiſt CHriſti/ da er ſich nicht mehr auff erden ſehen laſſen/ ſeye von dem Vater an einem orte allen Heiligen verborgen geblie- ben/ biß auff dieſe zeit/ da er dem David Georg gantz ſeye mitgetheilet worden. Antwort. Daß der fromme David Joris irgendswo ſagen oder ſchreiben ſolte/ daß er der wahre Meſſias/ der Sohn deß Vaters ſeye/ iſt offent- lich gelogen. Jhr habt das nirgends in ſeinen ſchrifften geſehen noch geleſen/ aber wohl das gegentheil. Leſet doch den Tractat von ſeiner ſendung/ im anfang: Dann ich eintzig und allein von GOTT ꝛc. und die andere ſtuͤcken mehr/ ihr ſolt dann wohl anderſt darvon ur- theilen. Jtem leſet das Tractaͤtgen/ außgege- ben anno 1542. anfangs: Eine ſehr gute vermahnung und unterweiſung vor alle gottsfoͤrchtige und glaubige ſeelen ꝛc. J- tem/ Diß iſt der weg/ denſelbigen gehet. Beſehet da/ was David von ſich ſelber haͤlt/ und wie er von dem verſprochenen wahren Chriſto und Meſſia ſpricht; Diß ſind ſeine worte: Wer dann von der geſalbten art Da- vids nicht iſt/ Chriſti Geiſt nicht hat/ der gehoͤ- ret GOTT nicht zu/ iſt auch nicht von ſeiner Gemeine. Nicht David Joris ſohn gemei- net nach dem fleiſche/ der als andere menſchen in ſuͤnden empfangen und gebohren/ der die gnade GOTTES ſo wol als ein anderer von- noͤthen hat; Sondern den verſprochenen Da- vid GOTTES Sohn/ der von dem Geiſte im worte deß lebendigen GOTTES geboh- ren/ eine pflantze der gerechtigkeit/ ein Sohn deß allerheiligſten glaubens iſt/ der neue menſch von dem himmel/ den David Joris ſohn ſo wohl als ein anderer empfangen. Sehet/ diß ſind andere worte/ die wider euch klingen/ und ſich ſelbſt außlegen/ ſo daß man ſie auff keinen andern ſinn deuten oder ziehen kan/ es waͤre dann/ daß man es muthwillig thun wolte. O- der meynet ihr/ daß der fromme David alleine iſt außgeſchloſſen/ daß er den Geiſt GOttes und CHriſti nicht ſo wohl als ein anderer em- pfangen moͤge/ durch welchen Geiſt man rufft: Abba/ lieber Vater/ und zu einem kind GOT- TES von GOTT gebohren wird. Sa- get/ A. K. H. Vierter Theil. J i 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/547>, abgerufen am 20.11.2024.