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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Münsterischen Wiedertäuffer.
[Spaltenumbruch] des wissens/ handels und willens/ welches ein
ander wissen soll: Also ist sonderlich die Heil.
Schrifft ein solcher kasten/ und zwar nicht/ darin-
nen menschliches wissen/ verstand/ handel und
willen verschlossen seyn/ sondern des allerhöchsten
unbegreifflichen ewigen Gottes/ was der von an-
fang dieser welt/ biß zu der vollendung mit den
menschen-kindern gehandelt und zu handeln vor-
gesetzt und gewolt hat/ so viel den menschen belan-
gen mag/ daran Gottes ehr/ und des menschen
seligkeit gelegen/ gnugsam und vollkommlich be-
griffen und verschlossen ist. 2. Tim. III.

Daß also die Heilige Schrifft ein kasten oder
schrein ist/ kan ja nimmer jemand zweiffeln/ die-
weil davon geschrieben steht/ daß der HErr der
Schrifftes selber beylegt/ weil in Mose die lade
des gedächtnisses/ die in dem vorhang oder decke
befunden ward etc. ein bild auf die Schrifft ist/ das
Paulus klärlich anweiset 2. Cor. III. Also ist das
alte Testament/ wenn es gelesen wird/ noch be-
decket/ desgleichen daß der schatz der erkäntnis
GOttes und CHristi darinnen verborgen und
verschlossen sey/ meldet auch die Schrifft/ daß es
der HErr samt den Aposteln gesprochen hat/
CHristus sagt: Untersuchet die Schrifft die gibt
zeugnis von mir/ so er sagt: untersuchet/ so gibt
er ja zu verstehen/ daß es darin verborgen ist/ was
man wissen soll/ wenn es offenbar vorhanden ist/
ists nicht noht zu suchen; darzu die Schrifft gibt
zeugnis von CHristo; in welchem nun alle schätze
der weißheit GOttes verborgen seyn/ soll man
aus der Schrifft untersuchen. So ist unwieder-
sprechlich/ die Schrifft sey derkasten/ darinne dis
alles verborgen und verschlossen ist. Item Pau-
lus meldet/ wie oben gemeldet/ daß es noch eine
decke ist/ wenn das alte Testament gelesen wird/
uns es nun nicht wird hinweg gethan/ sondern
durch CHristum wird es veraltet etc. Hier siehestu
auch wie die Schrifft/ wenn sie gelesen wird/ gleich-
wol noch verschlossen bleibt; bis daß manzu Chri-
sto kommt/ dadurch einem der kasten wieder auff-
geschlossen wird; wie denn derhalben auch Christo
nur eigentlich zugeschrieben wird/ daß er allein die
macht und den schlüssel habe das buch aufzuschlies-
sen/ Es. XXII. Matth. XVI. Luc. XXIII. Apoc. V.

Wir bereden uns/ daß es jedermann bewust
sey/ welches die vornehmste unzweiffelhafftige
schrifft sey/ darnach alle schrifft müsse gerichtet
werden/ nehmlich Moses und die Propheten/ die
sollen seyn die gründliche H. Schrifft/ weil man
H. Schrifft nenne/ das GOttes wort ist/ die also
dann eigentlich soll verstanden werden. Es sind
auch noch viel andere lobwürdige bücher/ die man
wol heilige schrifften mag heissen/ sind es auch oh-
ne zweiffel/ aber die haben den grund ihrer warheit
in den principal schrifften gegründet. Sonderlich
die schrifften oder bücher des N. Testaments die
sich gemeiniglich an die principal-schrifft halten/
wie du zu vielen mahlen lesen magst/ das ist ge-
schehen auff daß die schrifft erfüllet wer-
de/
und es stehet geschrieben etc. Also ist das
N. Testament und andere bücher mehr eine an-
weisung/ daß die principal-schrifft wahrhafftig in
CHristo und anders mehr vollbracht ist/ auff daß
wir auch nicht zweiffeln/ so was vorhanden ist/
werde auch wol in der wahrheit geschehen und vol-
bracht werden.

Demnach ist die principal rechte schrifft Moses
und die Propheten/ als CHristus spricht Luc.
XVI.
Sie haben Mosen und die Propheten/ die
hören sie. Recht/ wolte er sagen/ da werden sie
[Spaltenumbruch] finden was gnugsam ist zu der seligkeit/ und daß
sie aus der höllen bleiben/ wollen sie anders: wol-
len sie auch die nicht hören/ so hülffe es auch nicht/
ob schon jemand aus den todten auffstünde/ und
sagte es ihnen. Welcher nun diese schrifft recht
ansieht/ der soll müssen bekennen/ daß dieselbe
schrifft gleich einem kasten oder schrein sey/ darin-
nen die schätze und erkäntnissen GOttes und
CHristi verborgen und verschlossen seyn; wann
du Mosen durchgehest/ was vor rechten und le-
bendigen verstand kan dir der buchstäbliche begriff
und figürliche verstand geben/ so dir dieselben
nicht auffgeschlossen werden/ daß du verstehest/
was darunter verborgen und verschlossen ist? des-
gleichen die Propheten. So sagt auch Moses
selbst Num. IV. daß die lade des gedächtnisses
mit dem vorhange müste bewunden werden/ daß
sie weder die Kahatiten/ noch der gemeine mann
beschauen möchten. Was die lade der gedächt-
niß sey/ und was dadurch verstanden werde/
haben wir oben kürtzlich angerührt/ desgleichen
was der vorhang sey/ magstu selber wieder beden-
cken. CHristus sagt/ die Schrifft giebt zeugnis
von mir; Paulus spricht/ das fleisch CHristi sey
der vorhang. Item, wenn du auch allenthalben
von verborgenheit/ von schlüsseln/ und auffschlies-
sen der schrifft und der weißheit liesest/ Es. XXII.
Matth. XVI. Luc. XI. XXIV. Apoc. V.
Dar-
aus mustuja auch bekennen/ daß die schrifft gleich
einem kasten oder schrein ist/ und daß sie bey so gu-
tem verstande und recht vergleichet werde. Hier-
von sey also nun hier gnug. Wieder wollen wir
nun hier entdecken/ wie man den kasten oder schrein
soll öffnen/ die schätze der verborgenheit daraus zu
kriegen/ dann sonst wüsten und hätten wir den ka-
sten vergebens; ja mit beschwerlicher dürfftigkeit
besässen wir ihn/ so wir wissen was grosser reich-
thum darinn ist/ und wir können ihn doch nicht
raus kriegen. So wollen wir nun von dem
schlüssel und aufthun des kastens wider schreiben.
Nicht daß wir alle verborgenheit auffthun und
öffnen und vortragen wollen oder können/ son-
dern wir wollen den gantzen kasten anweisen auff-
zuthun. Wenn er dann nun offen ist/ so mag ein
jeder arbeit anlegen/ und sich befleißigen/ daß er
den reichthum daraus möge kriege und geniessen.

Das 2. Capitel.
Welches der rechte schlüssel sey/ damit
der verstand der Schriff[t] werde
auffgeschlossen.

Der H. Paulus sagt 2. Tim. III. Alle schrifft
von GOtt eingegeben/ ist nütze zur lehre/ zur straf-
fe/ zur besserung/ zurzüchtigung in der gerechtig-
keit; daß ein mensch GOttes sey gantz unsträff-
lich/ zu allen guten wercken geschickt; hierzu |ist
die Göttliche H. Schrifft von GOtt gegeben/
und ein solcher schatz ist darinne verborgen und
verschlossen. Wie nun ein verkehrter mensch des
teuffels/ allerdings nichts davon geniessen mag/
als der vor blindheit seines düstern hertzens solchen
reichthum gantz nicht beschauen noch erben kan:
also mag auch ein mensch GOttes zu dem unsträf-
lichen schmuck und geschicklichkeit nicht kommen/
es sey denn/ daß er den kasten oder lade der schrifft
mit dem rechten schlüssel auffschliesse/ und ein je-
des kleinod mit weißlicher bescheidenheit wisse an-
zulegen. Denn ob schon jemand den schlüssel
hat/ und den schrein oder lade geöffnet/ fehlet ihm
dennoch bescheidenheit und weißheit/ als wie er
ein jedes köstlich kleinod angreiffen/ und sich da-
mit schmücken soll/ so ist es noch vergebens und ein

anfang

Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer.
[Spaltenumbruch] des wiſſens/ handels und willens/ welches ein
ander wiſſen ſoll: Alſo iſt ſonderlich die Heil.
Schrifft ein ſolcher kaſten/ und zwar nicht/ darin-
nen menſchliches wiſſen/ verſtand/ handel und
willen verſchloſſen ſeyn/ ſondern des allerhoͤchſten
unbegreifflichen ewigen Gottes/ was der von an-
fang dieſer welt/ biß zu der vollendung mit den
menſchen-kindern gehandelt und zu handeln vor-
geſetzt und gewolt hat/ ſo viel den menſchen belan-
gen mag/ daran Gottes ehr/ und des menſchen
ſeligkeit gelegen/ gnugſam und vollkommlich be-
griffen und verſchloſſen iſt. 2. Tim. III.

Daß alſo die Heilige Schrifft ein kaſten oder
ſchrein iſt/ kan ja nimmer jemand zweiffeln/ die-
weil davon geſchrieben ſteht/ daß der HErr der
Schrifftes ſelber beylegt/ weil in Moſe die lade
des gedaͤchtniſſes/ die in dem vorhang oder decke
befunden ward ꝛc. ein bild auf die Schrifft iſt/ das
Paulus klaͤrlich anweiſet 2. Cor. III. Alſo iſt das
alte Teſtament/ wenn es geleſen wird/ noch be-
decket/ desgleichen daß der ſchatz der erkaͤntnis
GOttes und CHriſti darinnen verborgen und
verſchloſſen ſey/ meldet auch die Schrifft/ daß es
der HErr ſamt den Apoſteln geſprochen hat/
CHriſtus ſagt: Unterſuchet die Schrifft die gibt
zeugnis von mir/ ſo er ſagt: unterſuchet/ ſo gibt
er ja zu verſtehen/ daß es darin verborgen iſt/ was
man wiſſen ſoll/ wenn es offenbar vorhanden iſt/
iſts nicht noht zu ſuchen; darzu die Schrifft gibt
zeugnis von CHriſto; in welchem nun alle ſchaͤtze
der weißheit GOttes verborgen ſeyn/ ſoll man
aus der Schrifft unterſuchen. So iſt unwieder-
ſprechlich/ die Schrifft ſey derkaſten/ darinne dis
alles verborgen und verſchloſſen iſt. Item Pau-
lus meldet/ wie oben gemeldet/ daß es noch eine
decke iſt/ wenn das alte Teſtament geleſen wird/
uns es nun nicht wird hinweg gethan/ ſondern
durch CHriſtum wird es veraltet ꝛc. Hier ſieheſtu
auch wie die Schrifft/ wenn ſie geleſen wird/ gleich-
wol noch verſchloſſen bleibt; bis daß manzu Chri-
ſto kommt/ dadurch einem der kaſten wieder auff-
geſchloſſen wird; wie denn derhalben auch Chriſto
nur eigentlich zugeſchrieben wird/ daß er allein die
macht und den ſchluͤſſel habe das buch aufzuſchlieſ-
ſen/ Eſ. XXII. Matth. XVI. Luc. XXIII. Apoc. V.

Wir bereden uns/ daß es jedermann bewuſt
ſey/ welches die vornehmſte unzweiffelhafftige
ſchrifft ſey/ darnach alle ſchrifft muͤſſe gerichtet
werden/ nehmlich Moſes und die Propheten/ die
ſollen ſeyn die gruͤndliche H. Schrifft/ weil man
H. Schrifft nenne/ das GOttes wort iſt/ die alſo
dann eigentlich ſoll verſtanden werden. Es ſind
auch noch viel andere lobwuͤrdige buͤcher/ die man
wol heilige ſchrifften mag heiſſen/ ſind es auch oh-
ne zweiffel/ aber die haben den grund ihrer warheit
in den principal ſchrifften gegruͤndet. Sonderlich
die ſchrifften oder buͤcher des N. Teſtaments die
ſich gemeiniglich an die principal-ſchrifft halten/
wie du zu vielen mahlen leſen magſt/ das iſt ge-
ſchehen auff daß die ſchrifft erfuͤllet wer-
de/
und es ſtehet geſchrieben ꝛc. Alſo iſt das
N. Teſtament und andere buͤcher mehr eine an-
weiſung/ daß die principal-ſchrifft wahrhafftig in
CHriſto und anders mehr vollbracht iſt/ auff daß
wir auch nicht zweiffeln/ ſo was vorhanden iſt/
werde auch wol in der wahrheit geſchehen und vol-
bracht werden.

Demnach iſt die principal rechte ſchrifft Moſes
und die Propheten/ als CHriſtus ſpricht Luc.
XVI.
Sie haben Moſen und die Propheten/ die
hoͤren ſie. Recht/ wolte er ſagen/ da werden ſie
[Spaltenumbruch] finden was gnugſam iſt zu der ſeligkeit/ und daß
ſie aus der hoͤllen bleiben/ wollen ſie anders: wol-
len ſie auch die nicht hoͤren/ ſo huͤlffe es auch nicht/
ob ſchon jemand aus den todten auffſtuͤnde/ und
ſagte es ihnen. Welcher nun dieſe ſchrifft recht
anſieht/ der ſoll muͤſſen bekennen/ daß dieſelbe
ſchrifft gleich einem kaſten oder ſchrein ſey/ darin-
nen die ſchaͤtze und erkaͤntniſſen GOttes und
CHriſti verborgen und verſchloſſen ſeyn; wann
du Moſen durchgeheſt/ was vor rechten und le-
bendigen verſtand kan dir der buchſtaͤbliche begꝛiff
und figuͤrliche verſtand geben/ ſo dir dieſelben
nicht auffgeſchloſſen werden/ daß du verſteheſt/
was darunter verborgen und verſchloſſen iſt? des-
gleichen die Propheten. So ſagt auch Moſes
ſelbſt Num. IV. daß die lade des gedaͤchtniſſes
mit dem vorhange muͤſte bewunden werden/ daß
ſie weder die Kahatiten/ noch der gemeine mann
beſchauen moͤchten. Was die lade der gedaͤcht-
niß ſey/ und was dadurch verſtanden werde/
haben wir oben kuͤrtzlich angeruͤhrt/ desgleichen
was der vorhang ſey/ magſtu ſelber wieder beden-
cken. CHriſtus ſagt/ die Schrifft giebt zeugnis
von mir; Paulus ſpricht/ das fleiſch CHriſti ſey
der vorhang. Item, wenn du auch allenthalben
von verborgenheit/ von ſchluͤſſeln/ und auffſchlieſ-
ſen der ſchrifft und der weißheit lieſeſt/ Eſ. XXII.
Matth. XVI. Luc. XI. XXIV. Apoc. V.
Dar-
aus muſtuja auch bekennen/ daß die ſchrifft gleich
einem kaſten oder ſchrein iſt/ und daß ſie bey ſo gu-
tem verſtande und recht vergleichet werde. Hier-
von ſey alſo nun hier gnug. Wieder wollen wir
nun hier entdecken/ wie man den kaſten oder ſchꝛein
ſoll oͤffnen/ die ſchaͤtze der verborgenheit daraus zu
kriegen/ dann ſonſt wuͤſten und haͤtten wir den ka-
ſten vergebens; ja mit beſchwerlicher duͤrfftigkeit
beſaͤſſen wir ihn/ ſo wir wiſſen was groſſer reich-
thum darinn iſt/ und wir koͤnnen ihn doch nicht
raus kriegen. So wollen wir nun von dem
ſchluͤſſel und aufthun des kaſtens wider ſchreiben.
Nicht daß wir alle verborgenheit auffthun und
oͤffnen und vortragen wollen oder koͤnnen/ ſon-
dern wir wollen den gantzen kaſten anweiſen auff-
zuthun. Wenn er dann nun offen iſt/ ſo mag ein
jeder arbeit anlegen/ und ſich befleißigen/ daß er
den reichthum daraus moͤge kriegē und genieſſen.

Das 2. Capitel.
Welches der rechte ſchluͤſſel ſey/ damit
der verſtand der Schriff[t] werde
auffgeſchloſſen.

Der H. Paulus ſagt 2. Tim. III. Alle ſchrifft
von GOtt eingegeben/ iſt nuͤtze zur lehre/ zur ſtraf-
fe/ zur beſſerung/ zurzuͤchtigung in der gerechtig-
keit; daß ein menſch GOttes ſey gantz unſtraͤff-
lich/ zu allen guten wercken geſchickt; hierzu |iſt
die Goͤttliche H. Schrifft von GOtt gegeben/
und ein ſolcher ſchatz iſt darinne verborgen und
verſchloſſen. Wie nun ein verkehrter menſch des
teuffels/ allerdings nichts davon genieſſen mag/
als der vor blindheit ſeines duͤſtern hertzens ſolchen
reichthum gantz nicht beſchauen noch erben kan:
alſo mag auch ein menſch GOttes zu dem unſtraͤf-
lichen ſchmuck und geſchicklichkeit nicht kommen/
es ſey denn/ daß er den kaſten oder lade der ſchrifft
mit dem rechten ſchluͤſſel auffſchlieſſe/ und ein je-
des kleinod mit weißlicher beſcheidenheit wiſſe an-
zulegen. Denn ob ſchon jemand den ſchluͤſſel
hat/ und den ſchrein oder lade geoͤffnet/ fehlet ihm
dennoch beſcheidenheit und weißheit/ als wie er
ein jedes koͤſtlich kleinod angreiffen/ und ſich da-
mit ſchmuͤcken ſoll/ ſo iſt es noch vergebens und ein

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[204/0500] Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer. des wiſſens/ handels und willens/ welches ein ander wiſſen ſoll: Alſo iſt ſonderlich die Heil. Schrifft ein ſolcher kaſten/ und zwar nicht/ darin- nen menſchliches wiſſen/ verſtand/ handel und willen verſchloſſen ſeyn/ ſondern des allerhoͤchſten unbegreifflichen ewigen Gottes/ was der von an- fang dieſer welt/ biß zu der vollendung mit den menſchen-kindern gehandelt und zu handeln vor- geſetzt und gewolt hat/ ſo viel den menſchen belan- gen mag/ daran Gottes ehr/ und des menſchen ſeligkeit gelegen/ gnugſam und vollkommlich be- griffen und verſchloſſen iſt. 2. Tim. III. Daß alſo die Heilige Schrifft ein kaſten oder ſchrein iſt/ kan ja nimmer jemand zweiffeln/ die- weil davon geſchrieben ſteht/ daß der HErr der Schrifftes ſelber beylegt/ weil in Moſe die lade des gedaͤchtniſſes/ die in dem vorhang oder decke befunden ward ꝛc. ein bild auf die Schrifft iſt/ das Paulus klaͤrlich anweiſet 2. Cor. III. Alſo iſt das alte Teſtament/ wenn es geleſen wird/ noch be- decket/ desgleichen daß der ſchatz der erkaͤntnis GOttes und CHriſti darinnen verborgen und verſchloſſen ſey/ meldet auch die Schrifft/ daß es der HErr ſamt den Apoſteln geſprochen hat/ CHriſtus ſagt: Unterſuchet die Schrifft die gibt zeugnis von mir/ ſo er ſagt: unterſuchet/ ſo gibt er ja zu verſtehen/ daß es darin verborgen iſt/ was man wiſſen ſoll/ wenn es offenbar vorhanden iſt/ iſts nicht noht zu ſuchen; darzu die Schrifft gibt zeugnis von CHriſto; in welchem nun alle ſchaͤtze der weißheit GOttes verborgen ſeyn/ ſoll man aus der Schrifft unterſuchen. So iſt unwieder- ſprechlich/ die Schrifft ſey derkaſten/ darinne dis alles verborgen und verſchloſſen iſt. Item Pau- lus meldet/ wie oben gemeldet/ daß es noch eine decke iſt/ wenn das alte Teſtament geleſen wird/ uns es nun nicht wird hinweg gethan/ ſondern durch CHriſtum wird es veraltet ꝛc. Hier ſieheſtu auch wie die Schrifft/ wenn ſie geleſen wird/ gleich- wol noch verſchloſſen bleibt; bis daß manzu Chri- ſto kommt/ dadurch einem der kaſten wieder auff- geſchloſſen wird; wie denn derhalben auch Chriſto nur eigentlich zugeſchrieben wird/ daß er allein die macht und den ſchluͤſſel habe das buch aufzuſchlieſ- ſen/ Eſ. XXII. Matth. XVI. Luc. XXIII. Apoc. V. Wir bereden uns/ daß es jedermann bewuſt ſey/ welches die vornehmſte unzweiffelhafftige ſchrifft ſey/ darnach alle ſchrifft muͤſſe gerichtet werden/ nehmlich Moſes und die Propheten/ die ſollen ſeyn die gruͤndliche H. Schrifft/ weil man H. Schrifft nenne/ das GOttes wort iſt/ die alſo dann eigentlich ſoll verſtanden werden. Es ſind auch noch viel andere lobwuͤrdige buͤcher/ die man wol heilige ſchrifften mag heiſſen/ ſind es auch oh- ne zweiffel/ aber die haben den grund ihrer warheit in den principal ſchrifften gegruͤndet. Sonderlich die ſchrifften oder buͤcher des N. Teſtaments die ſich gemeiniglich an die principal-ſchrifft halten/ wie du zu vielen mahlen leſen magſt/ das iſt ge- ſchehen auff daß die ſchrifft erfuͤllet wer- de/ und es ſtehet geſchrieben ꝛc. Alſo iſt das N. Teſtament und andere buͤcher mehr eine an- weiſung/ daß die principal-ſchrifft wahrhafftig in CHriſto und anders mehr vollbracht iſt/ auff daß wir auch nicht zweiffeln/ ſo was vorhanden iſt/ werde auch wol in der wahrheit geſchehen und vol- bracht werden. Demnach iſt die principal rechte ſchrifft Moſes und die Propheten/ als CHriſtus ſpricht Luc. XVI. Sie haben Moſen und die Propheten/ die hoͤren ſie. Recht/ wolte er ſagen/ da werden ſie finden was gnugſam iſt zu der ſeligkeit/ und daß ſie aus der hoͤllen bleiben/ wollen ſie anders: wol- len ſie auch die nicht hoͤren/ ſo huͤlffe es auch nicht/ ob ſchon jemand aus den todten auffſtuͤnde/ und ſagte es ihnen. Welcher nun dieſe ſchrifft recht anſieht/ der ſoll muͤſſen bekennen/ daß dieſelbe ſchrifft gleich einem kaſten oder ſchrein ſey/ darin- nen die ſchaͤtze und erkaͤntniſſen GOttes und CHriſti verborgen und verſchloſſen ſeyn; wann du Moſen durchgeheſt/ was vor rechten und le- bendigen verſtand kan dir der buchſtaͤbliche begꝛiff und figuͤrliche verſtand geben/ ſo dir dieſelben nicht auffgeſchloſſen werden/ daß du verſteheſt/ was darunter verborgen und verſchloſſen iſt? des- gleichen die Propheten. So ſagt auch Moſes ſelbſt Num. IV. daß die lade des gedaͤchtniſſes mit dem vorhange muͤſte bewunden werden/ daß ſie weder die Kahatiten/ noch der gemeine mann beſchauen moͤchten. Was die lade der gedaͤcht- niß ſey/ und was dadurch verſtanden werde/ haben wir oben kuͤrtzlich angeruͤhrt/ desgleichen was der vorhang ſey/ magſtu ſelber wieder beden- cken. CHriſtus ſagt/ die Schrifft giebt zeugnis von mir; Paulus ſpricht/ das fleiſch CHriſti ſey der vorhang. Item, wenn du auch allenthalben von verborgenheit/ von ſchluͤſſeln/ und auffſchlieſ- ſen der ſchrifft und der weißheit lieſeſt/ Eſ. XXII. Matth. XVI. Luc. XI. XXIV. Apoc. V. Dar- aus muſtuja auch bekennen/ daß die ſchrifft gleich einem kaſten oder ſchrein iſt/ und daß ſie bey ſo gu- tem verſtande und recht vergleichet werde. Hier- von ſey alſo nun hier gnug. Wieder wollen wir nun hier entdecken/ wie man den kaſten oder ſchꝛein ſoll oͤffnen/ die ſchaͤtze der verborgenheit daraus zu kriegen/ dann ſonſt wuͤſten und haͤtten wir den ka- ſten vergebens; ja mit beſchwerlicher duͤrfftigkeit beſaͤſſen wir ihn/ ſo wir wiſſen was groſſer reich- thum darinn iſt/ und wir koͤnnen ihn doch nicht raus kriegen. So wollen wir nun von dem ſchluͤſſel und aufthun des kaſtens wider ſchreiben. Nicht daß wir alle verborgenheit auffthun und oͤffnen und vortragen wollen oder koͤnnen/ ſon- dern wir wollen den gantzen kaſten anweiſen auff- zuthun. Wenn er dann nun offen iſt/ ſo mag ein jeder arbeit anlegen/ und ſich befleißigen/ daß er den reichthum daraus moͤge kriegē und genieſſen. Das 2. Capitel. Welches der rechte ſchluͤſſel ſey/ damit der verſtand der Schrifft werde auffgeſchloſſen. Der H. Paulus ſagt 2. Tim. III. Alle ſchrifft von GOtt eingegeben/ iſt nuͤtze zur lehre/ zur ſtraf- fe/ zur beſſerung/ zurzuͤchtigung in der gerechtig- keit; daß ein menſch GOttes ſey gantz unſtraͤff- lich/ zu allen guten wercken geſchickt; hierzu |iſt die Goͤttliche H. Schrifft von GOtt gegeben/ und ein ſolcher ſchatz iſt darinne verborgen und verſchloſſen. Wie nun ein verkehrter menſch des teuffels/ allerdings nichts davon genieſſen mag/ als der vor blindheit ſeines duͤſtern hertzens ſolchen reichthum gantz nicht beſchauen noch erben kan: alſo mag auch ein menſch GOttes zu dem unſtraͤf- lichen ſchmuck und geſchicklichkeit nicht kommen/ es ſey denn/ daß er den kaſten oder lade der ſchrifft mit dem rechten ſchluͤſſel auffſchlieſſe/ und ein je- des kleinod mit weißlicher beſcheidenheit wiſſe an- zulegen. Denn ob ſchon jemand den ſchluͤſſel hat/ und den ſchrein oder lade geoͤffnet/ fehlet ihm dennoch beſcheidenheit und weißheit/ als wie er ein jedes koͤſtlich kleinod angreiffen/ und ſich da- mit ſchmuͤcken ſoll/ ſo iſt es noch vergebens und ein anfang

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/500>, abgerufen am 20.11.2024.