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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Fortgesetzte allgemeine anmerckungen
[Spaltenumbruch] wirst vieleicht sagen: Plato ist mein freund/
Aristoteles ist mein freund/ aber die warheit lie-
be ich am meisten: Ja/ also solls auch seyn. Aber
kan denn die wahrheit nicht anders vertheidi-
get werden/ als mit verspottung/ hönischen
auslachung/ beschimpffung und verachtung
der irrenden? Freylich sollen wir allezeit der
wahrheit anhangen/ aber nicht minder auch
der Christlichen liebe/ welche man dem näch-
sten schuldig ist. Es kan öffters mehr mit wahr-
heit gesagt werden/ daß man zwar Platoni,
aber doch seiner eignen meinung/ zumal wenn
sie neu und sonderbar ist/ mit grösserer liebe zu-
gethan sey. Gewiß die schmähsucht und spöt-
terey entstehet nicht aus der liebe zur wahrheit/
sondern aus einer angemasten infallibilitaet,
und einbildung sonderlicher wissenschafft. Das
wissen blehet auff/ sagt der Apostel/ aber die
liebe bessert. Wahrhafftig es ist nicht eine ge-
ringe/ sondern sehr schwere sünde/ und streitet
schnurstracks wider die Christliche liebe/ mit
worten oder schrifften des irrenden nächsten ehr-
lichen namen zu schänden/ und wie man insge-
mein sagt/ personalia mit unter die realia ausser
noth zu mischen.

Num. IIX.

D. Meyfardus hat aus der historie des vori-
gen seculi von der zancksucht derer Lutherischen
Theologen folgendes sehr frey bekannt. Jn
der Christlichen erinnerung von hohen
schulen
c. XII. p. 98. Endlich da die Evan-
gelische kirchen in Polen sich vertragen/ und die
Reformirten in Teutschland bey ihren öffentli-
chen bekäntnissen blieben/ der seltzamen mei-
nung des Calvini, Bezae, Zanchii sich nicht an-
genommen/ hat doch kein stillstand folgen wol-
len. Aber scribenten seyn hervor getreten mit
ungeheuren Charten/ die nicht zu erzehlen/ aus
gewissen ursachen. Ja die zänckereyen ha-
ben manchem so wol geschmecket/ daß sie
darüber grosse
Commenten ausgebrü-
tet/ voll der grösten bachantereyen.
Wer ursacher gewesen an dem/ daß die
heilsame einigkeit noch nicht erfolget/
weiß GOtt am besten:
Das darff ich hoch
betheuren/ alle die Theologen/ die nach
dem tod der beyden männer GOttes/ Lutheri
und Melanchthonis das werck verhindert/ seyn
entweder in dem mittel ihrer tage gestorben/
oder in ihren kindern und kindes-kindern
schrecklicher weise gestraffet worden. Es kostet
keine sonderbare und übernommene mühe/ die
historien zu suchen/ und wie es diesem oder je-
nem ergangen zu erfahren. Ebener massen darf
ich betheuren; Allen denen Theologen/ die
über das vergossene Christen-blut in
Franckreich und Niederlanden gefrolo-
cket/ die arme bekenner für des teuffels
märtyrer ausgeschrieen/ ist es zum übel-
sten gelungen.
Es ist mit heissen thränen zu
beklagen/ daß auch junge lappen/ die nichts
wenigers verstehen/ seyn nicht das geringste
in der pforte des todes gewesen/ in keiner noth/
in keiner anfechtung/ in keiner gefahr gehafftet/
können nur ziemlich syllogismiren, declamiren
und plappern/ unterwinden sich mit fast toller
kühnheit von diesen hohen und wichtigen din-
gen viel zu waschen. u. s. w. -- So bald aber
der krieg zwischen den Evangelischen kirchen
überall ausgebrochen/ ist die Academische ju-
[Spaltenumbruch] gend gegen einander verhetzet/ und eine mäch-
tige thüre zu vieler unordnung eröffnet worden.
Sie huben an mit schmähgedichten ihren ge-
gentheil anzufallen/ jene von der formula con-
cordiae
zu klügeln/ diese von dem Pfältzischen
Catechismus zu meistern. Sie huben an
auff den pulten der
universitäten nicht
mit gründen der Propheten und Apo-
steln allein zu
disputiren/ sondern auch
mit ehrenrührigen worten/ scharffen be-
züchtigungen/ und boßhafftigen ver-
leumdungen zu lästern/ vor den augen
ihrer
Praeceptoren/ welche ob diesem sich
erfreueten. Sie huben an auff den can-
tzeln in den tempeln nicht aus dem grun-
de der Propheten und Aposteln zu pre-
digen/ sondern auch mit ehrenrührigen
worten/ scharffen bezüchtigungen und
boßhafftigen verleumdungen vor den
augen und ohren der Christlichen gemei-
nen/ welche ob diesem sich bethöreten/ zu
lästern.

Es bedünckete manchem/ erhätte eine sünde
gethan/ wo er nicht grimmiglich wider die wi-
derparten gewütet/ und dieselbigen tapfer
durch die hechel gezogen.

Bey diesem hatte es kein bewenden: die Aca-
demi
sche jugend ließ sich von ihren Lehrern
überschwatzen/ und fing an bald wider diesen/
bald wider jenen zuschreiben/ und solches mit
spitziger feder: Zu dem geriethen die streit-sachen
in die trinck-stuben/ und wurden die schweren
fragen mit poltern und schelten erwogen/ mit
fluchen und schlagen geurtheilet/ zuletzt mit wun-
den und striemen entschieden. Wo sie jemand
bey Universitäten wusten/ der etwas sittlicher
ginge/ sich bescheidentlicher hielte/ der muste
geschwind verdächtig seyn/ bald darauff ein
tückmeusiger kopff heissen/ zu nacht in hönischen
liedern besungen/ und in narrentheidungen tri-
buli
rt/ und zuletzt in seiner wohnung bestürmet
und geängstet werden.

Die Professores selber ärgerten sich un-
ter einander/ der konte diesem nicht recht
schliessen/ dieser konte jenem nicht recht
setzen/ der konte weder disem noch jenem
sich recht erklären.
Manchem stillem Do-
ctori
geschahe deswegen grosse unbilligkeit von
den Studenten/ die collegen wusten darein zu
lachen. Jch mag nicht mehr gedencken an
das verwirrete Babylon und an den
schändlichen frevel. -- Wer nur oben hin et-
was in streit-sachen gelesen/ geträumet und ihm
eingebildet/ sobald solcher die nase begossen/
speyete er mit hauffen aus seinen geiffer wider
die berühmtesten männer.

Endlich kam hiezu/ daß die Theologen
sich wagten Melanchthonem nicht allein zu ta-
deln/ sondern auch in die tieffste hölle gar zu
verdammen/ wolten sein bildnis nicht anbli-
cken/ und muste solches aus den Auditorien
weichen (dieses hat Hutterus gethan) und son-
sten sich vergraben/ und der studirenden Ju-
gend nicht mehr unter die augen kommen.
Darüber flogen herfür von vielen winckeln
grimmige Mordblätter/ und scheueten sich vor-
nehme Doctores gar nicht mehr/ mit seltzamen
tituln ihre bücher zu schmücken/ und allerley
lächerliche händel/ fantaseyen/ fabeln und bar-
bareyen darein zu verstecken.

Es flo-

Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen
[Spaltenumbruch] wirſt vieleicht ſagen: Plato iſt mein freund/
Ariſtoteles iſt mein freund/ aber die waꝛheit lie-
be ich am meiſten: Ja/ alſo ſolls auch ſeyn. Aber
kan denn die wahrheit nicht anders vertheidi-
get werden/ als mit verſpottung/ hoͤniſchen
auslachung/ beſchimpffung und verachtung
der irrenden? Freylich ſollen wir allezeit der
wahrheit anhangen/ aber nicht minder auch
der Chriſtlichen liebe/ welche man dem naͤch-
ſten ſchuldig iſt. Es kan oͤffters mehr mit wahr-
heit geſagt werden/ daß man zwar Platoni,
aber doch ſeiner eignen meinung/ zumal wenn
ſie neu und ſonderbar iſt/ mit groͤſſerer liebe zu-
gethan ſey. Gewiß die ſchmaͤhſucht und ſpoͤt-
terey entſtehet nicht aus der liebe zur wahrheit/
ſondern aus einer angemaſten infallibilitæt,
und einbildung ſonderlicher wiſſenſchafft. Das
wiſſen blehet auff/ ſagt der Apoſtel/ aber die
liebe beſſert. Wahrhafftig es iſt nicht eine ge-
ringe/ ſondern ſehr ſchwere ſuͤnde/ und ſtreitet
ſchnurſtracks wider die Chriſtliche liebe/ mit
worten oder ſchrifften des irrenden naͤchſten ehr-
lichen namen zu ſchaͤnden/ und wie man insge-
mein ſagt/ perſonalia mit unter die realia auſſer
noth zu miſchen.

Num. IIX.

D. Meyfardus hat aus der hiſtorie des vori-
gen ſeculi von der zanckſucht derer Lutheriſchen
Theologen folgendes ſehr frey bekannt. Jn
der Chriſtlichen erinnerung von hohen
ſchulen
c. XII. p. 98. Endlich da die Evan-
geliſche kirchen in Polen ſich vertragen/ und die
Reformirten in Teutſchland bey ihren oͤffentli-
chen bekaͤntniſſen blieben/ der ſeltzamen mei-
nung des Calvini, Bezæ, Zanchii ſich nicht an-
genommen/ hat doch kein ſtillſtand folgen wol-
len. Aber ſcribenten ſeyn hervor getreten mit
ungeheuren Charten/ die nicht zu erzehlen/ aus
gewiſſen urſachen. Ja die zaͤnckereyen ha-
ben manchem ſo wol geſchmecket/ daß ſie
daruͤber groſſe
Commenten ausgebruͤ-
tet/ voll der groͤſten bachantereyen.
Wer urſacher geweſen an dem/ daß die
heilſame einigkeit noch nicht erfolget/
weiß GOtt am beſten:
Das darff ich hoch
betheuren/ alle die Theologen/ die nach
dem tod der beyden maͤnner GOttes/ Lutheri
und Melanchthonis das werck verhindert/ ſeyn
entweder in dem mittel ihrer tage geſtorben/
oder in ihren kindern und kindes-kindern
ſchrecklicher weiſe geſtraffet worden. Es koſtet
keine ſonderbare und uͤbernommene muͤhe/ die
hiſtorien zu ſuchen/ und wie es dieſem oder je-
nem ergangen zu erfahren. Ebener maſſen darf
ich betheuren; Allen denen Theologen/ die
uͤber das vergoſſene Chriſten-blut in
Franckreich und Niederlanden gefrolo-
cket/ die arme bekenner fuͤr des teuffels
maͤrtyrer ausgeſchrieen/ iſt es zum uͤbel-
ſten gelungen.
Es iſt mit heiſſen thraͤnen zu
beklagen/ daß auch junge lappen/ die nichts
wenigers verſtehen/ ſeyn nicht das geringſte
in der pforte des todes geweſen/ in keiner noth/
in keiner anfechtung/ in keiner gefahr gehafftet/
koͤnnen nur ziemlich ſyllogiſmiren, declamiren
und plappern/ unterwinden ſich mit faſt toller
kuͤhnheit von dieſen hohen und wichtigen din-
gen viel zu waſchen. u. ſ. w. — So bald aber
der krieg zwiſchen den Evangeliſchen kirchen
uͤberall ausgebrochen/ iſt die Academiſche ju-
[Spaltenumbruch] gend gegen einander verhetzet/ und eine maͤch-
tige thuͤre zu vieler unordnung eroͤffnet worden.
Sie huben an mit ſchmaͤhgedichten ihren ge-
gentheil anzufallen/ jene von der formula con-
cordiæ
zu kluͤgeln/ dieſe von dem Pfaͤltziſchen
Catechiſmus zu meiſtern. Sie huben an
auff den pulten der
univerſitaͤten nicht
mit gruͤnden der Propheten und Apo-
ſteln allein zu
diſputiren/ ſondern auch
mit ehrenruͤhrigen worten/ ſcharffen be-
zuͤchtigungen/ und boßhafftigen ver-
leumdungen zu laͤſtern/ vor den augen
ihrer
Præceptoren/ welche ob dieſem ſich
eꝛfreueten. Sie huben an auff den can-
tzeln in den tempeln nicht aus dem grun-
de der Propheten und Apoſteln zu pre-
digen/ ſondern auch mit ehrenruͤhrigen
worten/ ſcharffen bezuͤchtigungen und
boßhafftigen verleumdungen vor den
augen und ohren der Chriſtlichen gemei-
nen/ welche ob dieſem ſich bethoͤreten/ zu
laͤſtern.

Es beduͤnckete manchem/ erhaͤtte eine ſuͤnde
gethan/ wo er nicht grimmiglich wider die wi-
derparten gewuͤtet/ und dieſelbigen tapfer
durch die hechel gezogen.

Bey dieſem hatte es kein bewenden: die Aca-
demi
ſche jugend ließ ſich von ihren Lehrern
uͤberſchwatzen/ und fing an bald wider dieſen/
bald wider jenen zuſchreiben/ und ſolches mit
ſpitziger feder: Zu dem geriethen die ſtreit-ſachen
in die trinck-ſtuben/ und wurden die ſchweren
fragen mit poltern und ſchelten erwogen/ mit
fluchen uñ ſchlagen geurtheilet/ zuletzt mit wun-
den und ſtriemen entſchieden. Wo ſie jemand
bey Univerſitaͤten wuſten/ der etwas ſittlicher
ginge/ ſich beſcheidentlicher hielte/ der muſte
geſchwind verdaͤchtig ſeyn/ bald darauff ein
tuͤckmeuſiger kopff heiſſen/ zu nacht in hoͤniſchen
liedern beſungen/ und in narrentheidungen tri-
buli
rt/ und zuletzt in ſeiner wohnung beſtuͤrmet
und geaͤngſtet werden.

Die Profeſſores ſelber aͤrgerten ſich un-
teꝛ einandeꝛ/ der konte dieſem nicht recht
ſchlieſſen/ dieſer konte jenem nicht recht
ſetzen/ der konte weder diſem noch jenem
ſich recht erklaͤren.
Manchem ſtillem Do-
ctori
geſchahe deswegen groſſe unbilligkeit von
den Studenten/ die collegen wuſten darein zu
lachen. Jch mag nicht mehr gedencken an
das verwirrete Babylon und an den
ſchaͤndlichen frevel. — Wer nur oben hin et-
was in ſtreit-ſachen geleſen/ getraͤumet und ihm
eingebildet/ ſobald ſolcher die naſe begoſſen/
ſpeyete er mit hauffen aus ſeinen geiffer wider
die beruͤhmteſten maͤnner.

Endlich kam hiezu/ daß die Theologen
ſich wagten Melanchthonem nicht allein zu ta-
deln/ ſondern auch in die tieffſte hoͤlle gar zu
verdammen/ wolten ſein bildnis nicht anbli-
cken/ und muſte ſolches aus den Auditorien
weichen (dieſes hat Hutterus gethan) und ſon-
ſten ſich vergraben/ und der ſtudirenden Ju-
gend nicht mehr unter die augen kommen.
Daruͤber flogen herfuͤr von vielen winckeln
grimmige Mordblaͤtter/ und ſcheueten ſich vor-
nehme Doctores gar nicht mehr/ mit ſeltzamen
tituln ihre buͤcher zu ſchmuͤcken/ und allerley
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bareyen darein zu verſtecken.

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[12/0308] Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen wirſt vieleicht ſagen: Plato iſt mein freund/ Ariſtoteles iſt mein freund/ aber die waꝛheit lie- be ich am meiſten: Ja/ alſo ſolls auch ſeyn. Aber kan denn die wahrheit nicht anders vertheidi- get werden/ als mit verſpottung/ hoͤniſchen auslachung/ beſchimpffung und verachtung der irrenden? Freylich ſollen wir allezeit der wahrheit anhangen/ aber nicht minder auch der Chriſtlichen liebe/ welche man dem naͤch- ſten ſchuldig iſt. Es kan oͤffters mehr mit wahr- heit geſagt werden/ daß man zwar Platoni, aber doch ſeiner eignen meinung/ zumal wenn ſie neu und ſonderbar iſt/ mit groͤſſerer liebe zu- gethan ſey. Gewiß die ſchmaͤhſucht und ſpoͤt- terey entſtehet nicht aus der liebe zur wahrheit/ ſondern aus einer angemaſten infallibilitæt, und einbildung ſonderlicher wiſſenſchafft. Das wiſſen blehet auff/ ſagt der Apoſtel/ aber die liebe beſſert. Wahrhafftig es iſt nicht eine ge- ringe/ ſondern ſehr ſchwere ſuͤnde/ und ſtreitet ſchnurſtracks wider die Chriſtliche liebe/ mit worten oder ſchrifften des irrenden naͤchſten ehr- lichen namen zu ſchaͤnden/ und wie man insge- mein ſagt/ perſonalia mit unter die realia auſſer noth zu miſchen. Num. IIX. D. Meyfardus hat aus der hiſtorie des vori- gen ſeculi von der zanckſucht derer Lutheriſchen Theologen folgendes ſehr frey bekannt. Jn der Chriſtlichen erinnerung von hohen ſchulen c. XII. p. 98. Endlich da die Evan- geliſche kirchen in Polen ſich vertragen/ und die Reformirten in Teutſchland bey ihren oͤffentli- chen bekaͤntniſſen blieben/ der ſeltzamen mei- nung des Calvini, Bezæ, Zanchii ſich nicht an- genommen/ hat doch kein ſtillſtand folgen wol- len. Aber ſcribenten ſeyn hervor getreten mit ungeheuren Charten/ die nicht zu erzehlen/ aus gewiſſen urſachen. Ja die zaͤnckereyen ha- ben manchem ſo wol geſchmecket/ daß ſie daruͤber groſſe Commenten ausgebruͤ- tet/ voll der groͤſten bachantereyen. Wer urſacher geweſen an dem/ daß die heilſame einigkeit noch nicht erfolget/ weiß GOtt am beſten: Das darff ich hoch betheuren/ alle die Theologen/ die nach dem tod der beyden maͤnner GOttes/ Lutheri und Melanchthonis das werck verhindert/ ſeyn entweder in dem mittel ihrer tage geſtorben/ oder in ihren kindern und kindes-kindern ſchrecklicher weiſe geſtraffet worden. Es koſtet keine ſonderbare und uͤbernommene muͤhe/ die hiſtorien zu ſuchen/ und wie es dieſem oder je- nem ergangen zu erfahren. Ebener maſſen darf ich betheuren; Allen denen Theologen/ die uͤber das vergoſſene Chriſten-blut in Franckreich und Niederlanden gefrolo- cket/ die arme bekenner fuͤr des teuffels maͤrtyrer ausgeſchrieen/ iſt es zum uͤbel- ſten gelungen. Es iſt mit heiſſen thraͤnen zu beklagen/ daß auch junge lappen/ die nichts wenigers verſtehen/ ſeyn nicht das geringſte in der pforte des todes geweſen/ in keiner noth/ in keiner anfechtung/ in keiner gefahr gehafftet/ koͤnnen nur ziemlich ſyllogiſmiren, declamiren und plappern/ unterwinden ſich mit faſt toller kuͤhnheit von dieſen hohen und wichtigen din- gen viel zu waſchen. u. ſ. w. — So bald aber der krieg zwiſchen den Evangeliſchen kirchen uͤberall ausgebrochen/ iſt die Academiſche ju- gend gegen einander verhetzet/ und eine maͤch- tige thuͤre zu vieler unordnung eroͤffnet worden. Sie huben an mit ſchmaͤhgedichten ihren ge- gentheil anzufallen/ jene von der formula con- cordiæ zu kluͤgeln/ dieſe von dem Pfaͤltziſchen Catechiſmus zu meiſtern. Sie huben an auff den pulten der univerſitaͤten nicht mit gruͤnden der Propheten und Apo- ſteln allein zu diſputiren/ ſondern auch mit ehrenruͤhrigen worten/ ſcharffen be- zuͤchtigungen/ und boßhafftigen ver- leumdungen zu laͤſtern/ vor den augen ihrer Præceptoren/ welche ob dieſem ſich eꝛfreueten. Sie huben an auff den can- tzeln in den tempeln nicht aus dem grun- de der Propheten und Apoſteln zu pre- digen/ ſondern auch mit ehrenruͤhrigen worten/ ſcharffen bezuͤchtigungen und boßhafftigen verleumdungen vor den augen und ohren der Chriſtlichen gemei- nen/ welche ob dieſem ſich bethoͤreten/ zu laͤſtern. Es beduͤnckete manchem/ erhaͤtte eine ſuͤnde gethan/ wo er nicht grimmiglich wider die wi- derparten gewuͤtet/ und dieſelbigen tapfer durch die hechel gezogen. Bey dieſem hatte es kein bewenden: die Aca- demiſche jugend ließ ſich von ihren Lehrern uͤberſchwatzen/ und fing an bald wider dieſen/ bald wider jenen zuſchreiben/ und ſolches mit ſpitziger feder: Zu dem geriethen die ſtreit-ſachen in die trinck-ſtuben/ und wurden die ſchweren fragen mit poltern und ſchelten erwogen/ mit fluchen uñ ſchlagen geurtheilet/ zuletzt mit wun- den und ſtriemen entſchieden. Wo ſie jemand bey Univerſitaͤten wuſten/ der etwas ſittlicher ginge/ ſich beſcheidentlicher hielte/ der muſte geſchwind verdaͤchtig ſeyn/ bald darauff ein tuͤckmeuſiger kopff heiſſen/ zu nacht in hoͤniſchen liedern beſungen/ und in narrentheidungen tri- bulirt/ und zuletzt in ſeiner wohnung beſtuͤrmet und geaͤngſtet werden. Die Profeſſores ſelber aͤrgerten ſich un- teꝛ einandeꝛ/ der konte dieſem nicht recht ſchlieſſen/ dieſer konte jenem nicht recht ſetzen/ der konte weder diſem noch jenem ſich recht erklaͤren. Manchem ſtillem Do- ctori geſchahe deswegen groſſe unbilligkeit von den Studenten/ die collegen wuſten darein zu lachen. Jch mag nicht mehr gedencken an das verwirrete Babylon und an den ſchaͤndlichen frevel. — Wer nur oben hin et- was in ſtreit-ſachen geleſen/ getraͤumet und ihm eingebildet/ ſobald ſolcher die naſe begoſſen/ ſpeyete er mit hauffen aus ſeinen geiffer wider die beruͤhmteſten maͤnner. Endlich kam hiezu/ daß die Theologen ſich wagten Melanchthonem nicht allein zu ta- deln/ ſondern auch in die tieffſte hoͤlle gar zu verdammen/ wolten ſein bildnis nicht anbli- cken/ und muſte ſolches aus den Auditorien weichen (dieſes hat Hutterus gethan) und ſon- ſten ſich vergraben/ und der ſtudirenden Ju- gend nicht mehr unter die augen kommen. Daruͤber flogen herfuͤr von vielen winckeln grimmige Mordblaͤtter/ und ſcheueten ſich vor- nehme Doctores gar nicht mehr/ mit ſeltzamen tituln ihre buͤcher zu ſchmuͤcken/ und allerley laͤcherliche haͤndel/ fantaſeyen/ fabeln und bar- bareyen darein zu verſtecken. Es flo-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/308>, abgerufen am 21.12.2024.