[Spaltenumbruch]Etinnocens bonis vocata: hinc exiens Stola resumta candida revertitur, Mox nuda interim palla cruenta cingitur: Deplorat haec Catholicus secum & gemens Exoptat ista antiqua mundi tempora: Tandem pererrans Relligio tem pla omnia, Foedata cuncta turpiter tristis videns, Vestem resumens pristinam, fidam domum. Ubi tuta habitet, ubi moretur, quaeritat, Si forte animula misella, nudula, egens DEO Tandem vagam excipiat, reponat exulem In cordis aedem, ut hic quiescat tutius, Quam mundi in aulis, inter & falsarios: Donec dies fatalis illa favens bonis, Irata malis, ruente descendat polo.
Die meinung gehet überhaupt dahin/ daß der wahre Gottesdienst oder die reine religion (denn dieses beydes ist einerley) in der welt durchaus nicht gelitten noch behalten werden/ sondern so gieich ausgejagt und verworffen! Daß also folglich die reine lehre viel weniger bey einem grossen sichtbaren hauffen oder secte zu finden sey/ als welche alle sich der welt gleich stelleten; sondern daß die Gottseligkeit so gar verachtet und aus der welt verdränget sey/ daß sie wäre in einem winckel in der stille bey ei- nigen geringen auswürfflingen herberge und gehör finde. Hingegen sehe man/ wenn man nur ein wenig die kirche durchgehe/ überall nichts als greuel und verderbniß: und sey es da- hero am sichersten/ GOtt im geist unter allerley volck dienen und gehorchen.
Num. II.
Der edle und auffrichtige Graff Picus von Mirandula urtheilet von dem gewöhnlichen ver- ketzern in der Apologie seiner 13. Quaestionum p. 52. also: und zwar nach dem damaligen elen- den zustand der kirchen: Jch sage/ daß wenn einer eine irrige meinung von sol- chen glaubens-sachen hat/ die von der kirche noch nicht entschieden seyn/ wenn nur sein wille nicht beflecket ist/ sondern er einen festen vorsatz hat allezeit dieses zu glauben/ was mit der H. Schrifft und der kirche übereinstimmet: derselbe thut keine todt-sünde/ ist auch kein ke- tzer eigentlich zu nennen. Woraus wei- ter folget/ daß zu einer zeit einige mei- nungen hegen sünde sey/ welches zur an- dern zeit nicht ist/ dieweil einer etwas ohne halsstarrigkeit zu einer zeit glau- ben kan/ was er zur andern zeit nicht oh- ne halsstarrigkeit glaubte/ nach dem es die kirche entschieden/ oder die heilige Schrifft klärer ausgedrucket hat. Von dem gegensatz des geglaubte/ bezeuget die einstimmung aller lehrer/ die da sa- gen/ daß nicht schlechter dinges ein irr- thum des verstandes den menschen zu ei- nem ketzer macht/ sondernNB.es muß eine boßheit und verkehrung im willen seyn. Daher sagteAugustinus:Jch kan irren/ kan aber dennoch kein ketzer seyn. Dieses wird durch den schluß der allge- meinen kirchen bekräfftiget/ welche viel canonisirt hat/ welche doch biß an tod in irrigen meinungen/ vom glauben ver- harret sind/ und hernach durch die kirche als ketzerisch verworffen worden/ wel- [Spaltenumbruch]
che meinungen man nicht lieset/ daß sie von ihnen wären wiederruffen worden. Dergleichen sind gewesenPapias,Bischoff zu Jerusalem/Victorinus Pictaviensis, Ire- naeus Lugdunensis, Beatus Cyprianusund viel andere/ welche wir wissen/ daß sie im glauben geirret/ und ihre meinungen als ketzerisch verdammet worden/ und dennoch werden sie unter die heiligen ge- zehlt. Aus welchem folgt/ daß noth- wendig zu sagen sey/ daß entweder auch die/ welche in solchen meinungen im glauben gestorben/ dennoch nicht in einer todsünde gestorben: Oder die kirche habe geirret/ in dem sie siecanonisirt. Wenn sie aber sagen/ wie auch einer von denen welche mich anfechten/ gesagt hat/ und auff meinen ein wurff antworten/ daß sie vielleicht nicht wären mit rechtcanoni- sirt worden/ so bin ich denn nicht vor/ sondern sie wider denschluß der allgemei- nen kirche. Aber aus dieserProposition schließ ich auff die sache desOrigenis,ob ich gleich zugebe/ daßOrigenesviele und mancherley irrige meinungen im glau- ben gehabt; Jedoch/ wenn in seinem willen keine befleckung gewesen ist/ so kan es kein be[we]iß seyn/ daß seine seele sey verdammet worden. Daß dahero also geschlossen werde; Ob schon ein grosser irrthum von allen sachen des glaubens in eines verstande ist/ wenn nur in seinem willen keine befleckung ist/ so hindert es seine seligkeit nicht: Oder ob er wol klein/ oder von einer jeden sache ist/ hin- dert sie/ oder einer hindert sie/ oder ei- nes hindert sie nicht. So er/ ob er gleich groß/ nicht hindert/ so hat auch dasjeni- ge/ worinnOrigenesin vielem geirret/ und in den vornehmsten/ woferne sein wil- le recht beschaffen/ und auf keinerley art beflecket/ seine seligkeit nicht gehindert. Und also ist es nicht gnug/ daß diejeni- gen/ welche seine verdammung bewei- sen wollen/ seine irrthümer zeigen/ und seine beharrung in denselben/ sondern sie müssen die verharrung mit einer hais- starrigkeit/ oder unachtsamkeit/ oder andern boßheit des willens zeigen. So ein irrthum/ er mag so geringe seyn als er will gnug ist/ so hat der irrthum von der wiedertauffe der ketzer die seligkeitCy- prianiverhindern müssen/ und derChilia- sten ketzerey hat verursachen müssen/ daß Papiasnicht ist selig worden/ welcher doch der anfänger selbiger ketzerey/ und mit derselben gestorben ist. Und also sind etliche unrecht von der kirchencanonisirt worden/ so ein irrthum die seligkeit hin- dert/ ein anderer nicht/ und wo wird denn irgends diesedistinctiongefunden/ daß sie von der kirchen gemacht sey.
Num. III.
Der in der Remonstrantischen historie be- schriebene Jacobus Acontius hat in seinen Strata- gematibus Satanae schon anno 1565. da dieses buch zu Basel erstlich gedrucket/ worden/ diese sache sehr weißlich ausgeführet/ woraus die vornehmsten puncte hier zu stehen nicht unwür-
dig
Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen
[Spaltenumbruch]Etinnocens bonis vocata: hinc exiens Stola reſumta candida revertitur, Mox nuda interim palla cruenta cingitur: Deplorat hæc Catholicus ſecum & gemens Exoptat iſta antiqua mundi tempora: Tandem pererrans Relligio tem pla omnia, Fœdata cuncta turpiter triſtis videns, Veſtem reſumens priſtinam, fidam domum. Ubi tuta habitet, ubi moretur, quæritat, Si forte animula miſella, nudula, egens DEO Tandem vagam excipiat, reponat exulem In cordis ædem, ut hic quieſcat tutius, Quam mundi in aulis, inter & falſarios: Donec dies fatalis illa favens bonis, Irata malis, ruente deſcendat polo.
Die meinung gehet uͤberhaupt dahin/ daß der wahre Gottesdienſt oder die reine religion (denn dieſes beydes iſt einerley) in der welt durchaus nicht gelitten noch behalten werden/ ſondern ſo gieich ausgejagt und verworffen! Daß alſo folglich die reine lehre viel weniger bey einem groſſen ſichtbaren hauffen oder ſecte zu finden ſey/ als welche alle ſich der welt gleich ſtelleten; ſondern daß die Gottſeligkeit ſo gar verachtet und aus der welt verdraͤnget ſey/ daß ſie waͤre in einem winckel in der ſtille bey ei- nigen geringen auswuͤrfflingen herberge und gehoͤr finde. Hingegen ſehe man/ wenn man nur ein wenig die kirche durchgehe/ uͤberall nichts als greuel und verderbniß: und ſey es da- hero am ſicherſten/ GOtt im geiſt unter allerley volck dienen und gehorchen.
Num. II.
Der edle und auffrichtige Graff Picus von Mirandula urtheilet von dem gewoͤhnlichen ver- ketzern in der Apologie ſeiner 13. Quæſtionum p. 52. alſo: und zwar nach dem damaligen elen- den zuſtand der kirchen: Jch ſage/ daß wenn einer eine irrige meinung von ſol- chen glaubens-ſachen hat/ die von der kirche noch nicht entſchieden ſeyn/ wenn nur ſein wille nicht beflecket iſt/ ſondern er einen feſten vorſatz hat allezeit dieſes zu glauben/ was mit der H. Schrifft und der kirche uͤbereinſtimmet: derſelbe thut keine todt-ſuͤnde/ iſt auch kein ke- tzer eigentlich zu nennen. Woraus wei- ter folget/ daß zu einer zeit einige mei- nungen hegen ſuͤnde ſey/ welches zur an- dern zeit nicht iſt/ dieweil einer etwas ohne halsſtarrigkeit zu einer zeit glau- ben kan/ was er zur andern zeit nicht oh- ne halsſtarrigkeit glaubte/ nach dem es die kirche entſchieden/ oder die heilige Schrifft klaͤrer ausgedrucket hat. Von dem gegenſatz des geglaubte/ bezeuget die einſtimmung aller lehrer/ die da ſa- gen/ daß nicht ſchlechter dinges ein irꝛ- thum des verſtandes den menſchen zu ei- nem ketzer macht/ ſondernNB.es muß eine boßheit und verkehrung im willen ſeyn. Daher ſagteAuguſtinus:Jch kan irren/ kan aber dennoch kein ketzer ſeyn. Dieſes wird durch den ſchluß der allge- meinen kirchen bekraͤfftiget/ welche viel canoniſirt hat/ welche doch biß an tod in irrigen meinungen/ vom glauben ver- harret ſind/ und hernach durch die kirche als ketzeriſch verworffen worden/ wel- [Spaltenumbruch]
che meinungen man nicht lieſet/ daß ſie von ihnen waͤren wiederruffen worden. Dergleichen ſind geweſenPapias,Biſchoff zu Jeruſalem/Victorinus Pictavienſis, Ire- næus Lugdunenſis, Beatus Cyprianusund viel andere/ welche wir wiſſen/ daß ſie im glauben geirret/ und ihre meinungen als ketzeriſch verdammet worden/ und dennoch werden ſie unter die heiligen ge- zehlt. Aus welchem folgt/ daß noth- wendig zu ſagen ſey/ daß entweder auch die/ welche in ſolchen meinungen im glauben geſtorben/ deñoch nicht in einer todſuͤnde geſtoꝛben: Oder die kirche habe geirret/ in dem ſie ſiecanoniſirt. Wenn ſie aber ſagen/ wie auch einer von denen welche mich anfechten/ geſagt hat/ und auff meinen ein wurff antworten/ daß ſie vielleicht nicht waͤren mit rechtcanoni- ſirt worden/ ſo bin ich denn nicht vor/ ſondern ſie wider denſchluß der allgemei- nen kirche. Aber aus dieſerPropoſition ſchließ ich auff die ſache desOrigenis,ob ich gleich zugebe/ daßOrigenesviele und mancherley irrige meinungen im glau- ben gehabt; Jedoch/ wenn in ſeinem willen keine befleckung geweſen iſt/ ſo kan es kein be[we]iß ſeyn/ daß ſeine ſeele ſey verdammet worden. Daß dahero alſo geſchloſſen werde; Ob ſchon ein groſſer irꝛthum von allen ſachen des glaubens in eines verſtande iſt/ wenn nur in ſeinem willen keine befleckung iſt/ ſo hindert es ſeine ſeligkeit nicht: Oder ob er wol klein/ oder von einer jeden ſache iſt/ hin- dert ſie/ oder einer hindert ſie/ oder ei- nes hindert ſie nicht. So er/ ob er gleich groß/ nicht hindert/ ſo hat auch dasjeni- ge/ worinnOrigenesin vielem geirret/ uñ in den vornehmſten/ woferne ſein wil- le recht beſchaffen/ und auf keinerley art beflecket/ ſeine ſeligkeit nicht gehindert. Und alſo iſt es nicht gnug/ daß diejeni- gen/ welche ſeine verdammung bewei- ſen wollen/ ſeine irꝛthuͤmer zeigen/ und ſeine beharrung in denſelben/ ſondern ſie muͤſſen die verharrung mit einer hais- ſtarrigkeit/ oder unachtſamkeit/ oder andern boßheit des willens zeigen. So ein irꝛthum/ er mag ſo geringe ſeyn als er will gnug iſt/ ſo hat der irꝛthum von der wiedertauffe der ketzer die ſeligkeitCy- prianiverhindern muͤſſen/ und derChilia- ſten ketzerey hat verurſachen muͤſſen/ daß Papiasnicht iſt ſelig woꝛden/ welcheꝛ doch der anfaͤnger ſelbiger ketzerey/ und mit derſelben geſtorben iſt. Und alſo ſind etliche unrecht von der kirchencanoniſirt worden/ ſo ein irꝛthum die ſeligkeit hin- dert/ ein anderer nicht/ und wo wird denn irgends dieſediſtinctiongefunden/ daß ſie von der kirchen gemacht ſey.
Num. III.
Der in der Remonſtrantiſchen hiſtorie be- ſchriebene Jacobus Acontius hat in ſeinen Strata- gematibus Satanæ ſchon anno 1565. da dieſes buch zu Baſel erſtlich gedrucket/ worden/ dieſe ſache ſehr weißlich ausgefuͤhret/ woraus die vornehmſten puncte hier zu ſtehen nicht unwuͤr-
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[8/0304]
Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen
Etinnocens bonis vocata: hinc exiens
Stola reſumta candida revertitur,
Mox nuda interim palla cruenta cingitur:
Deplorat hæc Catholicus ſecum & gemens
Exoptat iſta antiqua mundi tempora:
Tandem pererrans Relligio tem pla omnia,
Fœdata cuncta turpiter triſtis videns,
Veſtem reſumens priſtinam, fidam domum.
Ubi tuta habitet, ubi moretur, quæritat,
Si forte animula miſella, nudula, egens DEO
Tandem vagam excipiat, reponat exulem
In cordis ædem, ut hic quieſcat tutius,
Quam mundi in aulis, inter & falſarios:
Donec dies fatalis illa favens bonis,
Irata malis, ruente deſcendat polo.
Die meinung gehet uͤberhaupt dahin/ daß der
wahre Gottesdienſt oder die reine religion
(denn dieſes beydes iſt einerley) in der welt
durchaus nicht gelitten noch behalten werden/
ſondern ſo gieich ausgejagt und verworffen!
Daß alſo folglich die reine lehre viel weniger
bey einem groſſen ſichtbaren hauffen oder ſecte
zu finden ſey/ als welche alle ſich der welt gleich
ſtelleten; ſondern daß die Gottſeligkeit ſo
gar verachtet und aus der welt verdraͤnget ſey/
daß ſie waͤre in einem winckel in der ſtille bey ei-
nigen geringen auswuͤrfflingen herberge und
gehoͤr finde. Hingegen ſehe man/ wenn man
nur ein wenig die kirche durchgehe/ uͤberall
nichts als greuel und verderbniß: und ſey es da-
hero am ſicherſten/ GOtt im geiſt unter allerley
volck dienen und gehorchen.
Num. II.
Der edle und auffrichtige Graff Picus von
Mirandula urtheilet von dem gewoͤhnlichen ver-
ketzern in der Apologie ſeiner 13. Quæſtionum
p. 52. alſo: und zwar nach dem damaligen elen-
den zuſtand der kirchen: Jch ſage/ daß
wenn einer eine irrige meinung von ſol-
chen glaubens-ſachen hat/ die von der
kirche noch nicht entſchieden ſeyn/ wenn
nur ſein wille nicht beflecket iſt/ ſondern
er einen feſten vorſatz hat allezeit dieſes
zu glauben/ was mit der H. Schrifft und
der kirche uͤbereinſtimmet: derſelbe
thut keine todt-ſuͤnde/ iſt auch kein ke-
tzer eigentlich zu nennen. Woraus wei-
ter folget/ daß zu einer zeit einige mei-
nungen hegen ſuͤnde ſey/ welches zur an-
dern zeit nicht iſt/ dieweil einer etwas
ohne halsſtarrigkeit zu einer zeit glau-
ben kan/ was er zur andern zeit nicht oh-
ne halsſtarrigkeit glaubte/ nach dem es
die kirche entſchieden/ oder die heilige
Schrifft klaͤrer ausgedrucket hat. Von
dem gegenſatz des geglaubte/ bezeuget
die einſtimmung aller lehrer/ die da ſa-
gen/ daß nicht ſchlechter dinges ein irꝛ-
thum des verſtandes den menſchen zu ei-
nem ketzer macht/ ſondern NB. es muß
eine boßheit und verkehrung im willen
ſeyn. Daher ſagte Auguſtinus: Jch kan
irren/ kan aber dennoch kein ketzer ſeyn.
Dieſes wird durch den ſchluß der allge-
meinen kirchen bekraͤfftiget/ welche viel
canoniſirt hat/ welche doch biß an tod in
irrigen meinungen/ vom glauben ver-
harret ſind/ und hernach durch die kirche
als ketzeriſch verworffen worden/ wel-
che meinungen man nicht lieſet/ daß ſie
von ihnen waͤren wiederruffen worden.
Dergleichen ſind geweſen Papias, Biſchoff
zu Jeruſalem/ Victorinus Pictavienſis, Ire-
næus Lugdunenſis, Beatus Cyprianus und viel
andere/ welche wir wiſſen/ daß ſie im
glauben geirret/ und ihre meinungen
als ketzeriſch verdammet worden/ und
dennoch werden ſie unter die heiligen ge-
zehlt. Aus welchem folgt/ daß noth-
wendig zu ſagen ſey/ daß entweder auch
die/ welche in ſolchen meinungen im
glauben geſtorben/ deñoch nicht in einer
todſuͤnde geſtoꝛben: Oder die kirche habe
geirret/ in dem ſie ſie canoniſirt. Wenn
ſie aber ſagen/ wie auch einer von denen
welche mich anfechten/ geſagt hat/ und
auff meinen ein wurff antworten/ daß ſie
vielleicht nicht waͤren mit recht canoni-
ſirt worden/ ſo bin ich denn nicht vor/
ſondern ſie wider denſchluß der allgemei-
nen kirche. Aber aus dieſer Propoſition
ſchließ ich auff die ſache des Origenis, ob
ich gleich zugebe/ daß Origenes viele und
mancherley irrige meinungen im glau-
ben gehabt; Jedoch/ wenn in ſeinem
willen keine befleckung geweſen iſt/ ſo
kan es kein beweiß ſeyn/ daß ſeine ſeele ſey
verdammet worden. Daß dahero alſo
geſchloſſen werde; Ob ſchon ein groſſer
irꝛthum von allen ſachen des glaubens
in eines verſtande iſt/ wenn nur in ſeinem
willen keine befleckung iſt/ ſo hindert es
ſeine ſeligkeit nicht: Oder ob er wol
klein/ oder von einer jeden ſache iſt/ hin-
dert ſie/ oder einer hindert ſie/ oder ei-
nes hindert ſie nicht. So er/ ob er gleich
groß/ nicht hindert/ ſo hat auch dasjeni-
ge/ worinn Origenes in vielem geirret/
uñ in den vornehmſten/ woferne ſein wil-
le recht beſchaffen/ und auf keinerley art
beflecket/ ſeine ſeligkeit nicht gehindert.
Und alſo iſt es nicht gnug/ daß diejeni-
gen/ welche ſeine verdammung bewei-
ſen wollen/ ſeine irꝛthuͤmer zeigen/ und
ſeine beharrung in denſelben/ ſondern ſie
muͤſſen die verharrung mit einer hais-
ſtarrigkeit/ oder unachtſamkeit/ oder
andern boßheit des willens zeigen. So
ein irꝛthum/ er mag ſo geringe ſeyn als er
will gnug iſt/ ſo hat der irꝛthum von der
wiedertauffe der ketzer die ſeligkeit Cy-
priani verhindern muͤſſen/ und der Chilia-
ſten ketzerey hat verurſachen muͤſſen/ daß
Papias nicht iſt ſelig woꝛden/ welcheꝛ doch
der anfaͤnger ſelbiger ketzerey/ und mit
derſelben geſtorben iſt. Und alſo ſind
etliche unrecht von der kirchen canoniſirt
worden/ ſo ein irꝛthum die ſeligkeit hin-
dert/ ein anderer nicht/ und wo wird
denn irgends dieſe diſtinction gefunden/
daß ſie von der kirchen gemacht ſey.
Num. III.
Der in der Remonſtrantiſchen hiſtorie be-
ſchriebene Jacobus Acontius hat in ſeinen Strata-
gematibus Satanæ ſchon anno 1565. da dieſes
buch zu Baſel erſtlich gedrucket/ worden/ dieſe
ſache ſehr weißlich ausgefuͤhret/ woraus die
vornehmſten puncte hier zu ſtehen nicht unwuͤr-
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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/304>, abgerufen am 20.11.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.