Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.An die Günderode. Hab ich Dir denn nicht vom Koch erzählt der mich An die Günderode. Hab ich Dir denn nicht vom Koch erzählt der mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0188" n="174"/> </div> <div n="2"> <head>An die Günderode.<lb/></head> <p>Hab ich Dir denn nicht vom Koch erzählt der mich<lb/> wöchentlich zweimal kreuzigt mit dem Generalbaß-un¬<lb/> terricht? — und daß er mir alles korrigiert was ich<lb/> komponire? — er ſchneidet mir alles zurecht bis nicht<lb/> ein Ton mehr, nicht ein Takttheil am alten Fleck ſitzt<lb/> und wenn ers ſo weit verputzt hat daß es ſich aus¬<lb/> nimmt wie ein geſchorner Blumenſtrauß, ſo hängt er<lb/> ihm noch Manſchetten an aus ſeiner eignen Garderobe.<lb/> Arnims irdiſche Lieder werden da heilige Märtyrer un¬<lb/> ter meinem Muſikſtudium, und ihre Seligkeit kann ich<lb/> weder durch Vor- noch Nachſpiel ausdrücken, und tröſte<lb/> mich damit daß Seligkeit etwas iſt was nie eines Men¬<lb/> ſchen Ohr gehört hat. — Aber mit meiner Muſik geht<lb/> es im Ganzen ſchlecht das läugne ich Dir nicht, das iſt<lb/> aber nicht <hi rendition="#aq">far niente</hi>, es iſt unüberwindliche Schweig¬<lb/> ſamkeit in meiner Kehle, ich muß vermuthen daß für die<lb/> Menſchenarten wie die Vögelarten gewiſſe Zeiten giebt im<lb/> Jahr wo ſie den Drang zum Singen haben. In Offen¬<lb/> bach, das war im Juni und Juli, da wacht ich gleich<lb/> mit Singen auf, und Abends ſtieg ich immer hoch wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0188]
An die Günderode.
Hab ich Dir denn nicht vom Koch erzählt der mich
wöchentlich zweimal kreuzigt mit dem Generalbaß-un¬
terricht? — und daß er mir alles korrigiert was ich
komponire? — er ſchneidet mir alles zurecht bis nicht
ein Ton mehr, nicht ein Takttheil am alten Fleck ſitzt
und wenn ers ſo weit verputzt hat daß es ſich aus¬
nimmt wie ein geſchorner Blumenſtrauß, ſo hängt er
ihm noch Manſchetten an aus ſeiner eignen Garderobe.
Arnims irdiſche Lieder werden da heilige Märtyrer un¬
ter meinem Muſikſtudium, und ihre Seligkeit kann ich
weder durch Vor- noch Nachſpiel ausdrücken, und tröſte
mich damit daß Seligkeit etwas iſt was nie eines Men¬
ſchen Ohr gehört hat. — Aber mit meiner Muſik geht
es im Ganzen ſchlecht das läugne ich Dir nicht, das iſt
aber nicht far niente, es iſt unüberwindliche Schweig¬
ſamkeit in meiner Kehle, ich muß vermuthen daß für die
Menſchenarten wie die Vögelarten gewiſſe Zeiten giebt im
Jahr wo ſie den Drang zum Singen haben. In Offen¬
bach, das war im Juni und Juli, da wacht ich gleich
mit Singen auf, und Abends ſtieg ich immer hoch wie
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