Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
An die Günderode.

Du weißt, daß der Bostel hier ist, -- der läuft
mir immer nach und sagt: "Bettine warum sind Sie so
unliebenswürdig?" -- ich frag, wie soll ichs machen,
um liebenswürdig zu sein? -- "Sein Sie wie Ihre
Schwester Loulou, sprechen Sie ruhig mit Einem und
bezeigen Sie doch nur ein klein wenig Theilnahme an,
was man Ihnen sagt, aber wenn man Sie auch aus
Mitleid wie ein Mädchen, das schon was bedeutet, be¬
handlen wollt, es ist nicht möglich, Sie haben nicht
weniger Unruh als eine junge Katz, die einer Maus
nachläuft, derweil man Ihnen die Ehre anthut, mit
Ihnen zu sprechen. Klettern Sie auf Tisch und Schrän¬
ken herum, Sie steigen zu den alten Familienportraiten
und scheinen weit mehr Antheil an deren Gesichter zu
nehmen als an uns Lebenden." -- Ja Herr von Bo¬
stel das ist blos weil die dort so ganz übersehen und
vergessen sind, weil kein Mensch mit denen spricht, da
gehts mir grade wie es Ihnen mit mir geht. Aus Mit¬
leid, weil ich übersehen bin, sprechen Sie mit mir jun¬
gem Gelbschnabel und das steckt mich an, daß ich das¬
selbe Mitleid mit den alten gemalten Perücken haben

An die Günderode.

Du weißt, daß der Boſtel hier iſt, — der läuft
mir immer nach und ſagt: „Bettine warum ſind Sie ſo
unliebenswürdig?“ — ich frag, wie ſoll ichs machen,
um liebenswürdig zu ſein? — „Sein Sie wie Ihre
Schweſter Loulou, ſprechen Sie ruhig mit Einem und
bezeigen Sie doch nur ein klein wenig Theilnahme an,
was man Ihnen ſagt, aber wenn man Sie auch aus
Mitleid wie ein Mädchen, das ſchon was bedeutet, be¬
handlen wollt, es iſt nicht möglich, Sie haben nicht
weniger Unruh als eine junge Katz, die einer Maus
nachläuft, derweil man Ihnen die Ehre anthut, mit
Ihnen zu ſprechen. Klettern Sie auf Tiſch und Schrän¬
ken herum, Sie ſteigen zu den alten Familienportraiten
und ſcheinen weit mehr Antheil an deren Geſichter zu
nehmen als an uns Lebenden.“ — Ja Herr von Bo¬
ſtel das iſt blos weil die dort ſo ganz überſehen und
vergeſſen ſind, weil kein Menſch mit denen ſpricht, da
gehts mir grade wie es Ihnen mit mir geht. Aus Mit¬
leid, weil ich überſehen bin, ſprechen Sie mit mir jun¬
gem Gelbſchnabel und das ſteckt mich an, daß ich daſ¬
ſelbe Mitleid mit den alten gemalten Perücken haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0028" n="12"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>An die Günderode.<lb/></head>
          <p>Du weißt, daß der Bo&#x017F;tel hier i&#x017F;t, &#x2014; der läuft<lb/>
mir immer nach und &#x017F;agt: &#x201E;Bettine warum &#x017F;ind Sie &#x017F;o<lb/>
unliebenswürdig?&#x201C; &#x2014; ich frag, wie &#x017F;oll ichs machen,<lb/>
um liebenswürdig zu &#x017F;ein? &#x2014; &#x201E;Sein Sie wie Ihre<lb/>
Schwe&#x017F;ter Loulou, &#x017F;prechen Sie ruhig mit Einem und<lb/>
bezeigen Sie doch nur ein klein wenig Theilnahme an,<lb/>
was man Ihnen &#x017F;agt, aber wenn man Sie auch aus<lb/>
Mitleid wie ein Mädchen, das &#x017F;chon was bedeutet, be¬<lb/>
handlen wollt, es i&#x017F;t nicht möglich, Sie haben nicht<lb/>
weniger Unruh als eine junge Katz, die einer Maus<lb/>
nachläuft, derweil man Ihnen die Ehre anthut, mit<lb/>
Ihnen zu &#x017F;prechen. Klettern Sie auf Ti&#x017F;ch und Schrän¬<lb/>
ken herum, Sie &#x017F;teigen zu den alten Familienportraiten<lb/>
und &#x017F;cheinen weit mehr Antheil an deren Ge&#x017F;ichter zu<lb/>
nehmen als an uns Lebenden.&#x201C; &#x2014; Ja Herr von Bo¬<lb/>
&#x017F;tel das i&#x017F;t blos weil die dort &#x017F;o ganz über&#x017F;ehen und<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, weil kein Men&#x017F;ch mit denen &#x017F;pricht, da<lb/>
gehts mir grade wie es Ihnen mit mir geht. Aus Mit¬<lb/>
leid, weil ich über&#x017F;ehen bin, &#x017F;prechen Sie mit mir jun¬<lb/>
gem Gelb&#x017F;chnabel und das &#x017F;teckt mich an, daß ich da&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;elbe Mitleid mit den alten gemalten Perücken haben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0028] An die Günderode. Du weißt, daß der Boſtel hier iſt, — der läuft mir immer nach und ſagt: „Bettine warum ſind Sie ſo unliebenswürdig?“ — ich frag, wie ſoll ichs machen, um liebenswürdig zu ſein? — „Sein Sie wie Ihre Schweſter Loulou, ſprechen Sie ruhig mit Einem und bezeigen Sie doch nur ein klein wenig Theilnahme an, was man Ihnen ſagt, aber wenn man Sie auch aus Mitleid wie ein Mädchen, das ſchon was bedeutet, be¬ handlen wollt, es iſt nicht möglich, Sie haben nicht weniger Unruh als eine junge Katz, die einer Maus nachläuft, derweil man Ihnen die Ehre anthut, mit Ihnen zu ſprechen. Klettern Sie auf Tiſch und Schrän¬ ken herum, Sie ſteigen zu den alten Familienportraiten und ſcheinen weit mehr Antheil an deren Geſichter zu nehmen als an uns Lebenden.“ — Ja Herr von Bo¬ ſtel das iſt blos weil die dort ſo ganz überſehen und vergeſſen ſind, weil kein Menſch mit denen ſpricht, da gehts mir grade wie es Ihnen mit mir geht. Aus Mit¬ leid, weil ich überſehen bin, ſprechen Sie mit mir jun¬ gem Gelbſchnabel und das ſteckt mich an, daß ich daſ¬ ſelbe Mitleid mit den alten gemalten Perücken haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/28
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/28>, abgerufen am 18.11.2024.