nem Geist duften, wie diese Kräuter, dem Geist jener schönen Vorwelt, in deren Sinn der Tempel hier gebaut ist. -- Dein Geist spricht ja die heilige Ordnung der Schönheit aus wie er, und ob ich ihm was bin, ob ich ihm was bleibe, das ist dann einerlei.
Ja süßer Freund! ob ich Dir was bin: was soll ich danach fragen? -- weiß ich doch, daß die Lerche nicht umsonst jubelnd aufsteigt, daß der Morgenwind nicht ungefühlt in den Zweigen lispelt, ja daß die ganze Natur nicht unbegriffen in ihr Schweigen versunken ist; was sollt' ich zagen, von Dir nicht verstanden nicht ge- fühlt zu sein? -- Drum will ich nicht schwören Dir et- was zu sein; es ist mir gewiß, daß ich Dir bin, was in einstimmender Schönheit ein Ton der Natur, eine geistige Berührung dieser sinnlichen Welt Dir sein kann.
Im Juli.
Diese Tage, diese Gegenden sie tragen das Antlitz des Paradieses. Die Fülle lacht mich an in der reifen- den Frucht, das Leben jauchzt in mir, und einsam bin ich wie der erste Mensch; und ich lerne wie dieser herr- schen und gebieten dem Glück: daß die Welt soll
nem Geiſt duften, wie dieſe Kräuter, dem Geiſt jener ſchönen Vorwelt, in deren Sinn der Tempel hier gebaut iſt. — Dein Geiſt ſpricht ja die heilige Ordnung der Schönheit aus wie er, und ob ich ihm was bin, ob ich ihm was bleibe, das iſt dann einerlei.
Ja ſüßer Freund! ob ich Dir was bin: was ſoll ich danach fragen? — weiß ich doch, daß die Lerche nicht umſonſt jubelnd aufſteigt, daß der Morgenwind nicht ungefühlt in den Zweigen liſpelt, ja daß die ganze Natur nicht unbegriffen in ihr Schweigen verſunken iſt; was ſollt' ich zagen, von Dir nicht verſtanden nicht ge- fühlt zu ſein? — Drum will ich nicht ſchwören Dir et- was zu ſein; es iſt mir gewiß, daß ich Dir bin, was in einſtimmender Schönheit ein Ton der Natur, eine geiſtige Berührung dieſer ſinnlichen Welt Dir ſein kann.
Im Juli.
Dieſe Tage, dieſe Gegenden ſie tragen das Antlitz des Paradieſes. Die Fülle lacht mich an in der reifen- den Frucht, das Leben jauchzt in mir, und einſam bin ich wie der erſte Menſch; und ich lerne wie dieſer herr- ſchen und gebieten dem Glück: daß die Welt ſoll
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nem Geiſt duften, wie dieſe Kräuter, dem Geiſt jener
ſchönen Vorwelt, in deren Sinn der Tempel hier gebaut
iſt. — Dein Geiſt ſpricht ja die heilige Ordnung der
Schönheit aus wie er, und ob ich ihm was bin, ob ich
ihm was bleibe, das iſt dann einerlei.
Ja ſüßer Freund! ob ich Dir was bin: was ſoll
ich danach fragen? — weiß ich doch, daß die Lerche
nicht umſonſt jubelnd aufſteigt, daß der Morgenwind
nicht ungefühlt in den Zweigen liſpelt, ja daß die ganze
Natur nicht unbegriffen in ihr Schweigen verſunken iſt;
was ſollt' ich zagen, von Dir nicht verſtanden nicht ge-
fühlt zu ſein? — Drum will ich nicht ſchwören Dir et-
was zu ſein; es iſt mir gewiß, daß ich Dir bin, was
in einſtimmender Schönheit ein Ton der Natur, eine
geiſtige Berührung dieſer ſinnlichen Welt Dir ſein kann.
Im Juli.
Dieſe Tage, dieſe Gegenden ſie tragen das Antlitz
des Paradieſes. Die Fülle lacht mich an in der reifen-
den Frucht, das Leben jauchzt in mir, und einſam bin
ich wie der erſte Menſch; und ich lerne wie dieſer herr-
ſchen und gebieten dem Glück: daß die Welt ſoll
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/29>, abgerufen am 22.02.2025.
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