Mit Dir hab' ich zu sprechen! -- nicht mit dem, der mich von sich gestoßen, der Thränen nicht geachtet, und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu spenden hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen Schwingen oft die Flamme aus der versunknen Asche wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent- zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brausend em- pörend über Gefels sich den Weg suchte zur ruhigen Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine Kniee zu umfassen.
Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeistrung die über Dich geht! -- die Seeligkeit gesehen zu sein und Dich zu sehen! --
Ob ich Dich liebte? -- das fragst Du? -- macht Ihr es aus über unsern Häuptern, Ihr Schwingenbe- gabte. -- Glaub an mich! -- glaub an einen heißen Trieb -- Lebenstrieb will ich ihn nennen, -- so sing ich Deinem träumenden Busen vor. -- Du träumst, Du schläfst! und ich träume mit.
An Goethe.
Weimar, den 29. Oktober 1821.
Mit Dir hab' ich zu ſprechen! — nicht mit dem, der mich von ſich geſtoßen, der Thränen nicht geachtet, und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu ſpenden hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen Schwingen oft die Flamme aus der verſunknen Aſche wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent- zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brauſend em- pörend über Gefels ſich den Weg ſuchte zur ruhigen Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine Kniee zu umfaſſen.
Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeiſtrung die über Dich geht! — die Seeligkeit geſehen zu ſein und Dich zu ſehen! —
Ob ich Dich liebte? — das fragſt Du? — macht Ihr es aus über unſern Häuptern, Ihr Schwingenbe- gabte. — Glaub an mich! — glaub an einen heißen Trieb — Lebenstrieb will ich ihn nennen, — ſo ſing ich Deinem träumenden Buſen vor. — Du träumſt, Du ſchläfſt! und ich träume mit.
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An Goethe.
Weimar, den 29. Oktober 1821.
Mit Dir hab' ich zu ſprechen! — nicht mit dem,
der mich von ſich geſtoßen, der Thränen nicht geachtet,
und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu ſpenden
hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir
Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen
Schwingen oft die Flamme aus der verſunknen Aſche
wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent-
zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brauſend em-
pörend über Gefels ſich den Weg ſuchte zur ruhigen
Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine
Kniee zu umfaſſen.
Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeiſtrung die
über Dich geht! — die Seeligkeit geſehen zu ſein und
Dich zu ſehen! —
Ob ich Dich liebte? — das fragſt Du? — macht
Ihr es aus über unſern Häuptern, Ihr Schwingenbe-
gabte. — Glaub an mich! — glaub an einen heißen
Trieb — Lebenstrieb will ich ihn nennen, — ſo ſing ich
Deinem träumenden Buſen vor. — Du träumſt, Du
ſchläfſt! und ich träume mit.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/315>, abgerufen am 30.12.2024.
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