Tropfen mir Wohlsein geben, erhalte mir diese Erquik- kung, auf die ich meinen Verlaß habe.
Weimar, am 1. März 1810.
Goethe.
An Goethe.
Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al- ler Verzweiflung; zum erstenmal hab ich die Weltbege- benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge- gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages Last und Hitze sich in der späten Nacht noch in die ein- samen Berge verborgen und mit seinem reinen Gewissen berathschlagt, und dieser Mann, dessen Seele frei von bösen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beispiel von Unschuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe- bruar zur Bestätigung seines großen Schicksals den Tod erlitten; wie konnt es anders kommen, sollte er die Schmach mittragen? -- das konnt nicht sein, so hat es Gott am besten gemacht, daß er nach kurzer Pause, seit dieser verklärenden Vaterlandsbegeisterung, mit großer Kraft und Selbstbewußtsein, und nicht gegen sein Schick-
Tropfen mir Wohlſein geben, erhalte mir dieſe Erquik- kung, auf die ich meinen Verlaß habe.
Weimar, am 1. März 1810.
Goethe.
An Goethe.
Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al- ler Verzweiflung; zum erſtenmal hab ich die Weltbege- benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge- gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages Laſt und Hitze ſich in der ſpäten Nacht noch in die ein- ſamen Berge verborgen und mit ſeinem reinen Gewiſſen berathſchlagt, und dieſer Mann, deſſen Seele frei von böſen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beiſpiel von Unſchuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe- bruar zur Beſtätigung ſeines großen Schickſals den Tod erlitten; wie konnt es anders kommen, ſollte er die Schmach mittragen? — das konnt nicht ſein, ſo hat es Gott am beſten gemacht, daß er nach kurzer Pauſe, ſeit dieſer verklärenden Vaterlandsbegeiſterung, mit großer Kraft und Selbſtbewußtſein, und nicht gegen ſein Schick-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0177"n="167"/>
Tropfen mir Wohlſein geben, erhalte mir dieſe Erquik-<lb/>
kung, auf die ich meinen Verlaß habe.</p><lb/><dateline><hirendition="#et">Weimar, am 1. März 1810.</hi></dateline><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Goethe.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><opener><salute>An Goethe.</salute></opener><lb/><p>Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu<lb/>
rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al-<lb/>
ler Verzweiflung; zum erſtenmal hab ich die Weltbege-<lb/>
benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die<lb/>
ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge-<lb/>
gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages<lb/>
Laſt und Hitze ſich in der ſpäten Nacht noch in die ein-<lb/>ſamen Berge verborgen und mit ſeinem reinen Gewiſſen<lb/>
berathſchlagt, und dieſer Mann, deſſen Seele frei von<lb/>
böſen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beiſpiel von<lb/>
Unſchuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe-<lb/>
bruar zur Beſtätigung ſeines großen Schickſals den Tod<lb/>
erlitten; wie konnt es anders kommen, ſollte er die<lb/>
Schmach mittragen? — das konnt nicht ſein, ſo hat es<lb/>
Gott am beſten gemacht, daß er nach kurzer Pauſe, ſeit<lb/>
dieſer verklärenden Vaterlandsbegeiſterung, mit großer<lb/>
Kraft und Selbſtbewußtſein, und nicht gegen ſein Schick-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0177]
Tropfen mir Wohlſein geben, erhalte mir dieſe Erquik-
kung, auf die ich meinen Verlaß habe.
Weimar, am 1. März 1810.
Goethe.
An Goethe.
Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu
rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al-
ler Verzweiflung; zum erſtenmal hab ich die Weltbege-
benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die
ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge-
gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages
Laſt und Hitze ſich in der ſpäten Nacht noch in die ein-
ſamen Berge verborgen und mit ſeinem reinen Gewiſſen
berathſchlagt, und dieſer Mann, deſſen Seele frei von
böſen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beiſpiel von
Unſchuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe-
bruar zur Beſtätigung ſeines großen Schickſals den Tod
erlitten; wie konnt es anders kommen, ſollte er die
Schmach mittragen? — das konnt nicht ſein, ſo hat es
Gott am beſten gemacht, daß er nach kurzer Pauſe, ſeit
dieſer verklärenden Vaterlandsbegeiſterung, mit großer
Kraft und Selbſtbewußtſein, und nicht gegen ſein Schick-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/177>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.