Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.Der Brunnen. (Mitgetheilt von Frau von Patberg.) Hab ein Brünnlein mal gesehen, Draus thät fliessen lauter Gold, Thäten dort drei Jungfern stehen, Gar so schön und gar so hold. Thäten all so zu mir sprechen: Trinkst du aus dem Brünnelein, Kriegt dich einer bei dem Kragen, Wirft dich in den Brunnen n'ein. Ihr schön Jungfern kühnlich glaubet, Will den Durst nicht löschen hier, Wenn die schönste mir erlaubet Einen zwoten Kuß allhier. Diese mit den schwarzen Augen Küß ich gern, trau aber nicht; Sie kann nur zum Zancken taugen, Aber zu der Liebe nicht. Diese mit den grauen Augen, Diese falsche mag ich nicht; Kann allein zum Roppen taugen, Krazt den Buhlen ins Gesicht. Diese mit den blauen Augen, Diese küß ich gar zu gern; Diese kann zur Liebe taugen, Diese gleicht dem Morgenstern. Der Brunnen. (Mitgetheilt von Frau von Patberg.) Hab ein Bruͤnnlein mal geſehen, Draus thaͤt flieſſen lauter Gold, Thaͤten dort drei Jungfern ſtehen, Gar ſo ſchoͤn und gar ſo hold. Thaͤten all ſo zu mir ſprechen: Trinkſt du aus dem Bruͤnnelein, Kriegt dich einer bei dem Kragen, Wirft dich in den Brunnen n'ein. Ihr ſchoͤn Jungfern kuͤhnlich glaubet, Will den Durſt nicht loͤſchen hier, Wenn die ſchoͤnſte mir erlaubet Einen zwoten Kuß allhier. Dieſe mit den ſchwarzen Augen Kuͤß ich gern, trau aber nicht; Sie kann nur zum Zancken taugen, Aber zu der Liebe nicht. Dieſe mit den grauen Augen, Dieſe falſche mag ich nicht; Kann allein zum Roppen taugen, Krazt den Buhlen ins Geſicht. Dieſe mit den blauen Augen, Dieſe kuͤß ich gar zu gern; Dieſe kann zur Liebe taugen, Dieſe gleicht dem Morgenſtern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0080" n="70"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Der Brunnen</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">(Mitgetheilt von Frau von Patberg.)</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>ab ein Bruͤnnlein mal geſehen,</l><lb/> <l>Draus thaͤt flieſſen lauter Gold,</l><lb/> <l>Thaͤten dort drei Jungfern ſtehen,</l><lb/> <l>Gar ſo ſchoͤn und gar ſo hold.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Thaͤten all ſo zu mir ſprechen:</l><lb/> <l>Trinkſt du aus dem Bruͤnnelein,</l><lb/> <l>Kriegt dich einer bei dem Kragen,</l><lb/> <l>Wirft dich in den Brunnen n'ein.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ihr ſchoͤn Jungfern kuͤhnlich glaubet,</l><lb/> <l>Will den Durſt nicht loͤſchen hier,</l><lb/> <l>Wenn die ſchoͤnſte mir erlaubet</l><lb/> <l>Einen zwoten Kuß allhier.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dieſe mit den ſchwarzen Augen</l><lb/> <l>Kuͤß ich gern, trau aber nicht;</l><lb/> <l>Sie kann nur zum Zancken taugen,</l><lb/> <l>Aber zu der Liebe nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Dieſe mit den grauen Augen,</l><lb/> <l>Dieſe falſche mag ich nicht;</l><lb/> <l>Kann allein zum Roppen taugen,</l><lb/> <l>Krazt den Buhlen ins Geſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Dieſe mit den blauen Augen,</l><lb/> <l>Dieſe kuͤß ich gar zu gern;</l><lb/> <l>Dieſe kann zur Liebe taugen,</l><lb/> <l>Dieſe gleicht dem Morgenſtern.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [70/0080]
Der Brunnen.
(Mitgetheilt von Frau von Patberg.)
Hab ein Bruͤnnlein mal geſehen,
Draus thaͤt flieſſen lauter Gold,
Thaͤten dort drei Jungfern ſtehen,
Gar ſo ſchoͤn und gar ſo hold.
Thaͤten all ſo zu mir ſprechen:
Trinkſt du aus dem Bruͤnnelein,
Kriegt dich einer bei dem Kragen,
Wirft dich in den Brunnen n'ein.
Ihr ſchoͤn Jungfern kuͤhnlich glaubet,
Will den Durſt nicht loͤſchen hier,
Wenn die ſchoͤnſte mir erlaubet
Einen zwoten Kuß allhier.
Dieſe mit den ſchwarzen Augen
Kuͤß ich gern, trau aber nicht;
Sie kann nur zum Zancken taugen,
Aber zu der Liebe nicht.
Dieſe mit den grauen Augen,
Dieſe falſche mag ich nicht;
Kann allein zum Roppen taugen,
Krazt den Buhlen ins Geſicht.
Dieſe mit den blauen Augen,
Dieſe kuͤß ich gar zu gern;
Dieſe kann zur Liebe taugen,
Dieſe gleicht dem Morgenſtern.
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