Junge müssen fasten, Brod liegt im Kasten, Messer liegt daneben, Ey was ein lustig Leben!
Das Sommertagslied.
In der Pfalz und umliegenden Gegenden gehen am Sonntag Lätari, welchen man den Sommertag nennt, die Kinder auf den Gassen herum mit hölzernen Stäben, an welchen eine mit Bändern geschmückte Bretzel hängt, und singen den Sommer an, worüber sich jedermann freut. Auch gehen oft zwei erwachsene junge Bursche ver- kleidet herum, won welchen einer den Sommer, der an- dere den Winter vorstellt, diese kämpfen miteinander, und der Winter verliert. Im Kraichgau tragen die Mägd- lein bei diesem Fest einen mit Immergrün umwundenen Reif auf einem Stecken, an dem Reife hängen kleine Spiegel, Goldflitter und Bretzeln. Die Knaben aber tra- gen viele solche kleinere Kränze an ihren Stecken, und geben immer einen als Gegengabe in jedem Hauße ab, wo sie für ihren Gesang Geld, Eier, Schmalz oder Mehl erhalten. Dieser Kranz wird in der Mittenstube über dem Tisch an einem Faden aufgehängt, und bleibt bis zum nächsten Jahre hängen. Durch die Ofenwärme, die in die Höhe zieht, bewegt sich der Kranz zuweilen, dann sagen die Kinder: das bedeute was Gutes, wenn aber eine Hexe in die Stube kömmt, sagen die alten Weiber, stehe der Kranz still. Das Sommerlied aber heißt so:
Junge muͤſſen faſten, Brod liegt im Kaſten, Meſſer liegt daneben, Ey was ein luſtig Leben!
Das Sommertagslied.
In der Pfalz und umliegenden Gegenden gehen am Sonntag Laͤtari, welchen man den Sommertag nennt, die Kinder auf den Gaſſen herum mit hoͤlzernen Staͤben, an welchen eine mit Baͤndern geſchmuͤckte Bretzel haͤngt, und ſingen den Sommer an, woruͤber ſich jedermann freut. Auch gehen oft zwei erwachſene junge Burſche ver- kleidet herum, won welchen einer den Sommer, der an- dere den Winter vorſtellt, dieſe kaͤmpfen miteinander, und der Winter verliert. Im Kraichgau tragen die Maͤgd- lein bei dieſem Feſt einen mit Immergruͤn umwundenen Reif auf einem Stecken, an dem Reife haͤngen kleine Spiegel, Goldflitter und Bretzeln. Die Knaben aber tra- gen viele ſolche kleinere Kraͤnze an ihren Stecken, und geben immer einen als Gegengabe in jedem Hauße ab, wo ſie fuͤr ihren Geſang Geld, Eier, Schmalz oder Mehl erhalten. Dieſer Kranz wird in der Mittenſtube uͤber dem Tiſch an einem Faden aufgehaͤngt, und bleibt bis zum naͤchſten Jahre haͤngen. Durch die Ofenwaͤrme, die in die Hoͤhe zieht, bewegt ſich der Kranz zuweilen, dann ſagen die Kinder: das bedeute was Gutes, wenn aber eine Hexe in die Stube koͤmmt, ſagen die alten Weiber, ſtehe der Kranz ſtill. Das Sommerlied aber heißt ſo:
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Junge muͤſſen faſten,
Brod liegt im Kaſten,
Meſſer liegt daneben,
Ey was ein luſtig Leben!
Das Sommertagslied.
In der Pfalz und umliegenden Gegenden gehen am
Sonntag Laͤtari, welchen man den Sommertag nennt,
die Kinder auf den Gaſſen herum mit hoͤlzernen Staͤben,
an welchen eine mit Baͤndern geſchmuͤckte Bretzel haͤngt,
und ſingen den Sommer an, woruͤber ſich jedermann
freut. Auch gehen oft zwei erwachſene junge Burſche ver-
kleidet herum, won welchen einer den Sommer, der an-
dere den Winter vorſtellt, dieſe kaͤmpfen miteinander, und
der Winter verliert. Im Kraichgau tragen die Maͤgd-
lein bei dieſem Feſt einen mit Immergruͤn umwundenen
Reif auf einem Stecken, an dem Reife haͤngen kleine
Spiegel, Goldflitter und Bretzeln. Die Knaben aber tra-
gen viele ſolche kleinere Kraͤnze an ihren Stecken, und
geben immer einen als Gegengabe in jedem Hauße ab,
wo ſie fuͤr ihren Geſang Geld, Eier, Schmalz oder Mehl
erhalten. Dieſer Kranz wird in der Mittenſtube uͤber
dem Tiſch an einem Faden aufgehaͤngt, und bleibt bis
zum naͤchſten Jahre haͤngen. Durch die Ofenwaͤrme, die
in die Hoͤhe zieht, bewegt ſich der Kranz zuweilen, dann
ſagen die Kinder: das bedeute was Gutes, wenn aber eine
Hexe in die Stube koͤmmt, ſagen die alten Weiber, ſtehe
der Kranz ſtill. Das Sommerlied aber heißt ſo:
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/306>, abgerufen am 19.11.2024.
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