Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.11.Erziehung durch Ahndung. Denkst du nicht, Maria, mehr an die ausge- standnen Schmerzen, Als das kleine Jesulein in dir ein Gestalt gewann? O wie sollt ich ihn nicht drum tausendmal im Glauben herzen, Da er nun zusehens wächst, mir zum Bräutgam und zum Mann. Hat Johannes nicht vor Freud, schon im Mutter- leib gesprungen, Spielt er nicht zum voraus schon, eh er noch kam an das Licht; Haben wir nicht seine Freund oft sein Hochzeitslied ge- sungen, Hat man mir mit Fingern da dieses Kind gezeiget nicht. Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab ich das Lamm vor Augen, Schaue, wie es mir zur Lust treibt so manches süße Spiel; Ist dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter Brust zu saugen, Ist er nicht mein Salomon, den ich niemals küß zu viel. Ja er ists, und was ich will, kann ich in dem Kindlein finden, Kind und Bräutigam zugleich heißt und ist er in der That; 11.Erziehung durch Ahndung. Denkſt du nicht, Maria, mehr an die ausge- ſtandnen Schmerzen, Als das kleine Jeſulein in dir ein Geſtalt gewann? O wie ſollt ich ihn nicht drum tauſendmal im Glauben herzen, Da er nun zuſehens waͤchſt, mir zum Braͤutgam und zum Mann. Hat Johannes nicht vor Freud, ſchon im Mutter- leib geſprungen, Spielt er nicht zum voraus ſchon, eh er noch kam an das Licht; Haben wir nicht ſeine Freund oft ſein Hochzeitslied ge- ſungen, Hat man mir mit Fingern da dieſes Kind gezeiget nicht. Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab ich das Lamm vor Augen, Schaue, wie es mir zur Luſt treibt ſo manches ſuͤße Spiel; Iſt dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter Bruſt zu ſaugen, Iſt er nicht mein Salomon, den ich niemals kuͤß zu viel. Ja er iſts, und was ich will, kann ich in dem Kindlein finden, Kind und Braͤutigam zugleich heißt und iſt er in der That; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0231" n="221"/> <div n="2"> <head>11.<hi rendition="#g">Erziehung durch Ahndung</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>enkſt du nicht, Maria, mehr an die ausge-</l><lb/> <l>ſtandnen Schmerzen,</l><lb/> <l>Als das kleine Jeſulein in dir ein Geſtalt gewann?</l><lb/> <l>O wie ſollt ich ihn nicht drum tauſendmal im Glauben</l><lb/> <l>herzen,</l><lb/> <l>Da er nun zuſehens waͤchſt, mir zum Braͤutgam und</l><lb/> <l>zum Mann.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Hat Johannes nicht vor Freud, ſchon im Mutter-</l><lb/> <l>leib geſprungen,</l><lb/> <l>Spielt er nicht zum voraus ſchon, eh er noch kam an</l><lb/> <l>das Licht;</l><lb/> <l>Haben wir nicht ſeine Freund oft ſein Hochzeitslied ge-</l><lb/> <l>ſungen,</l><lb/> <l>Hat man mir mit Fingern da dieſes Kind gezeiget nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab</l><lb/> <l>ich das Lamm vor Augen,</l><lb/> <l>Schaue, wie es mir zur Luſt treibt ſo manches ſuͤße</l><lb/> <l>Spiel;</l><lb/> <l>Iſt dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter</l><lb/> <l>Bruſt zu ſaugen,</l><lb/> <l>Iſt er nicht mein Salomon, den ich niemals kuͤß zu</l><lb/> <l>viel.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ja er iſts, und was ich will, kann ich in dem</l><lb/> <l>Kindlein finden,</l><lb/> <l>Kind und Braͤutigam zugleich heißt und iſt er in der</l><lb/> <l>That;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0231]
11.Erziehung durch Ahndung.
Denkſt du nicht, Maria, mehr an die ausge-
ſtandnen Schmerzen,
Als das kleine Jeſulein in dir ein Geſtalt gewann?
O wie ſollt ich ihn nicht drum tauſendmal im Glauben
herzen,
Da er nun zuſehens waͤchſt, mir zum Braͤutgam und
zum Mann.
Hat Johannes nicht vor Freud, ſchon im Mutter-
leib geſprungen,
Spielt er nicht zum voraus ſchon, eh er noch kam an
das Licht;
Haben wir nicht ſeine Freund oft ſein Hochzeitslied ge-
ſungen,
Hat man mir mit Fingern da dieſes Kind gezeiget nicht.
Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab
ich das Lamm vor Augen,
Schaue, wie es mir zur Luſt treibt ſo manches ſuͤße
Spiel;
Iſt dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter
Bruſt zu ſaugen,
Iſt er nicht mein Salomon, den ich niemals kuͤß zu
viel.
Ja er iſts, und was ich will, kann ich in dem
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/231>, abgerufen am 22.02.2025. |