Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich laß die hohen Nester,
Und liebe Niedrigkeit;
Das meine ist weit fester,
Und ruhig allezeit.

Ich hab, was Adler haben,
Sie aber nicht, was ich;
Der Luft und Erde Gaben,
Sind eben wohl für mich.
Die großen Schwan und Storchen,
Die reisen her und hin;
Sie sind voll Müh für morgen,
Und dies ist ihr Gewinn.
6. Erziehung durch Glück.
Ach Gott, du bist, wie mans begehrt,
Du bist uns, was wir wollen;
Du bist ganz gut und ganz verkehrt,
Lieb kommt aus dir gequollen
Und Heil für den, der dies verlangt,
Wer aber Zorn will, Zorn empfangt;
O wunderbares Wesen.
Mach mich mein Schöpfer nur ganz stumm,
Und in die Still mich bringe;
Mein Will ist doch verkehrt und dumm,
Und will leicht solche Dinge,
Die selbst mich strafen wie ein Kind,
Ja mach mich taub und dazu blind,
Zu allem, was nicht ewig.

Ich laß die hohen Neſter,
Und liebe Niedrigkeit;
Das meine iſt weit feſter,
Und ruhig allezeit.

Ich hab, was Adler haben,
Sie aber nicht, was ich;
Der Luft und Erde Gaben,
Sind eben wohl fuͤr mich.
Die großen Schwan und Storchen,
Die reiſen her und hin;
Sie ſind voll Muͤh fuͤr morgen,
Und dies iſt ihr Gewinn.
6. Erziehung durch Gluͤck.
Ach Gott, du biſt, wie mans begehrt,
Du biſt uns, was wir wollen;
Du biſt ganz gut und ganz verkehrt,
Lieb kommt aus dir gequollen
Und Heil fuͤr den, der dies verlangt,
Wer aber Zorn will, Zorn empfangt;
O wunderbares Weſen.
Mach mich mein Schoͤpfer nur ganz ſtumm,
Und in die Still mich bringe;
Mein Will iſt doch verkehrt und dumm,
Und will leicht ſolche Dinge,
Die ſelbſt mich ſtrafen wie ein Kind,
Ja mach mich taub und dazu blind,
Zu allem, was nicht ewig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0223" n="213"/>
              <l>Ich laß die hohen Ne&#x017F;ter,</l><lb/>
              <l>Und liebe Niedrigkeit;</l><lb/>
              <l>Das meine i&#x017F;t weit fe&#x017F;ter,</l><lb/>
              <l>Und ruhig allezeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ich hab, was Adler haben,</l><lb/>
              <l>Sie aber nicht, was ich;</l><lb/>
              <l>Der Luft und Erde Gaben,</l><lb/>
              <l>Sind eben wohl fu&#x0364;r mich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Die großen Schwan und Storchen,</l><lb/>
              <l>Die rei&#x017F;en her und hin;</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;ind voll Mu&#x0364;h fu&#x0364;r morgen,</l><lb/>
              <l>Und dies i&#x017F;t ihr Gewinn.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>6. <hi rendition="#g">Erziehung durch Glu&#x0364;ck</hi>.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ch Gott, du bi&#x017F;t, wie mans begehrt,</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t uns, was wir wollen;</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t ganz gut und ganz verkehrt,</l><lb/>
              <l>Lieb kommt aus dir gequollen</l><lb/>
              <l>Und Heil fu&#x0364;r den, der dies verlangt,</l><lb/>
              <l>Wer aber Zorn will, Zorn empfangt;</l><lb/>
              <l>O wunderbares We&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mach mich mein Scho&#x0364;pfer nur ganz &#x017F;tumm,</l><lb/>
              <l>Und in die Still mich bringe;</l><lb/>
              <l>Mein Will i&#x017F;t doch verkehrt und dumm,</l><lb/>
              <l>Und will leicht &#x017F;olche Dinge,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;elb&#x017F;t mich &#x017F;trafen wie ein Kind,</l><lb/>
              <l>Ja mach mich taub und dazu blind,</l><lb/>
              <l>Zu allem, was nicht ewig.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0223] Ich laß die hohen Neſter, Und liebe Niedrigkeit; Das meine iſt weit feſter, Und ruhig allezeit. Ich hab, was Adler haben, Sie aber nicht, was ich; Der Luft und Erde Gaben, Sind eben wohl fuͤr mich. Die großen Schwan und Storchen, Die reiſen her und hin; Sie ſind voll Muͤh fuͤr morgen, Und dies iſt ihr Gewinn. 6. Erziehung durch Gluͤck. Ach Gott, du biſt, wie mans begehrt, Du biſt uns, was wir wollen; Du biſt ganz gut und ganz verkehrt, Lieb kommt aus dir gequollen Und Heil fuͤr den, der dies verlangt, Wer aber Zorn will, Zorn empfangt; O wunderbares Weſen. Mach mich mein Schoͤpfer nur ganz ſtumm, Und in die Still mich bringe; Mein Will iſt doch verkehrt und dumm, Und will leicht ſolche Dinge, Die ſelbſt mich ſtrafen wie ein Kind, Ja mach mich taub und dazu blind, Zu allem, was nicht ewig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/223
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/223>, abgerufen am 19.11.2024.