Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.Ringlein und Fähnlein. Aus einer ungedruckten Sammlung Minnelieder in meinem Besitz. -- C. B. Vor Tags ich hört, in Liebes Port, wohl diese Wort Von Wächters Mund erklingen: "Ist Jemand je, verborgen hie, der achte wie "Er mög' hindannen sprengen, "Der Tag gar hell, will kommen schnell, "Wer liebend ruht, in Frauen Hut, "Laß bald das Bett erkalten." "Das Firmament, schnell und behend, von Orient, "Im weissen Schein herpranget, "Fürwahr ich sag', aus grünem Hag, der Lerchen Schlag, "Den jungen Tag empfanget. "Drum eil' vom Ort, wer noch im Hort "Der Liebe sey, eh Jammers-Schrei "Den Muth ihm mög zerspalten." Des Wächters Kund in Herzensgrund mich tief ver- wundt, Und all mein Freud zerstöret, Des Lichtes Neid, will daß ich scheid, hör süße Maid, Sie will vor Leid nicht hören! Sich zu mir schmückt, gar schämlich blickt, Und nicht mehr schlief, gar schnell ich rief: "Ach Gott, wir han verschlafen!" Ringlein und Faͤhnlein. Aus einer ungedruckten Sammlung Minnelieder in meinem Beſitz. — C. B. Vor Tags ich hoͤrt, in Liebes Port, wohl dieſe Wort Von Waͤchters Mund erklingen: „Iſt Jemand je, verborgen hie, der achte wie „Er moͤg' hindannen ſprengen, „Der Tag gar hell, will kommen ſchnell, „Wer liebend ruht, in Frauen Hut, „Laß bald das Bett erkalten.“ „Das Firmament, ſchnell und behend, von Orient, „Im weiſſen Schein herpranget, „Fuͤrwahr ich ſag', aus gruͤnem Hag, der Lerchen Schlag, „Den jungen Tag empfanget. „Drum eil' vom Ort, wer noch im Hort „Der Liebe ſey, eh Jammers-Schrei „Den Muth ihm moͤg zerſpalten.“ Des Waͤchters Kund in Herzensgrund mich tief ver- wundt, Und all mein Freud zerſtoͤret, Des Lichtes Neid, will daß ich ſcheid, hoͤr ſuͤße Maid, Sie will vor Leid nicht hoͤren! Sich zu mir ſchmuͤckt, gar ſchaͤmlich blickt, Und nicht mehr ſchlief, gar ſchnell ich rief: „Ach Gott, wir han verſchlafen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0232" n="223"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Ringlein und Faͤhnlein</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">Aus einer ungedruckten Sammlung Minnelieder in meinem Beſitz. — C. B.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">V</hi>or Tags ich hoͤrt, in Liebes Port, wohl dieſe<lb/> Wort</l><lb/> <l>Von Waͤchters Mund erklingen:</l><lb/> <l>„Iſt Jemand je, verborgen hie, der achte wie</l><lb/> <l>„Er moͤg' hindannen ſprengen,</l><lb/> <l>„Der Tag gar hell, will kommen ſchnell,</l><lb/> <l>„Wer liebend ruht, in Frauen Hut,</l><lb/> <l>„Laß bald das Bett erkalten.“</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Das Firmament, ſchnell und behend, von Orient,</l><lb/> <l>„Im weiſſen Schein herpranget,</l><lb/> <l>„Fuͤrwahr ich ſag', aus gruͤnem Hag, der Lerchen Schlag,</l><lb/> <l>„Den jungen Tag empfanget.</l><lb/> <l>„Drum eil' vom Ort, wer noch im Hort</l><lb/> <l>„Der Liebe ſey, eh Jammers-Schrei</l><lb/> <l>„Den Muth ihm moͤg zerſpalten.“</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Des Waͤchters Kund in Herzensgrund mich tief ver-<lb/> wundt,</l><lb/> <l>Und all mein Freud zerſtoͤret,</l><lb/> <l>Des Lichtes Neid, will daß ich ſcheid, hoͤr ſuͤße Maid,</l><lb/> <l>Sie will vor Leid nicht hoͤren!</l><lb/> <l>Sich zu mir ſchmuͤckt, gar ſchaͤmlich blickt,</l><lb/> <l>Und nicht mehr ſchlief, gar ſchnell ich rief:</l><lb/> <l>„Ach Gott, wir han verſchlafen!“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0232]
Ringlein und Faͤhnlein.
Aus einer ungedruckten Sammlung Minnelieder in meinem Beſitz. — C. B.
Vor Tags ich hoͤrt, in Liebes Port, wohl dieſe
Wort
Von Waͤchters Mund erklingen:
„Iſt Jemand je, verborgen hie, der achte wie
„Er moͤg' hindannen ſprengen,
„Der Tag gar hell, will kommen ſchnell,
„Wer liebend ruht, in Frauen Hut,
„Laß bald das Bett erkalten.“
„Das Firmament, ſchnell und behend, von Orient,
„Im weiſſen Schein herpranget,
„Fuͤrwahr ich ſag', aus gruͤnem Hag, der Lerchen Schlag,
„Den jungen Tag empfanget.
„Drum eil' vom Ort, wer noch im Hort
„Der Liebe ſey, eh Jammers-Schrei
„Den Muth ihm moͤg zerſpalten.“
Des Waͤchters Kund in Herzensgrund mich tief ver-
wundt,
Und all mein Freud zerſtoͤret,
Des Lichtes Neid, will daß ich ſcheid, hoͤr ſuͤße Maid,
Sie will vor Leid nicht hoͤren!
Sich zu mir ſchmuͤckt, gar ſchaͤmlich blickt,
Und nicht mehr ſchlief, gar ſchnell ich rief:
„Ach Gott, wir han verſchlafen!“
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