Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.Der Engelmayer sang und zerrt sein Kutten oben: "Der Neithard hat mich in ein Sack geschoben, "Deß hab ich Schand und Laster immerdar." Sie wurden Zornes voll ohn Fressen und ohn Saufen, Begunnten sich einander aus bösem Muth zu raufen, Und waren doch geschoren ohne Haar. Der Herzog sprach: "Nun fertig' sie von hinnen, "All mein Hofgesind muß schier entrinnen, "Es sind gar ungefüge Mönch fürwahr." Da rief Herr Neithard vom Fenster nieder: "Verkündets aller Welt ihr frommen Brüder, "Und laßt euch nicht wachsen lauter graue Haar. Mit Murren zogen sie wie eine Wetterwolken, Ihre vierbeinicht Schwestern standen ungemolken, Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht gespart. Sie huben sich zum Thor hinaus zu traben, Die alten dummen steifen Akkerknaben, Tanzten in ihren langen Kutten Wie Winzer in den Butten, Darnach warens Bauren hinten nach wie vor. Von zwölf Knaben. Frische Liedlein. Mein Mutter zeihet mich, Zwölf Knaben freyen mich. Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben: „Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben, „Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“ Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen, Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen, Und waren doch geſchoren ohne Haar. Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen, „All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen, „Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“ Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder: „Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder, „Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar. Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken, Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken, Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart. Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben, Die alten dummen ſteifen Akkerknaben, Tanzten in ihren langen Kutten Wie Winzer in den Butten, Darnach warens Bauren hinten nach wie vor. Von zwoͤlf Knaben. Friſche Liedlein. Mein Mutter zeihet mich, Zwoͤlf Knaben freyen mich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0118" n="109"/> <lg n="43"> <l>Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben:</l><lb/> <l>„Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben,</l><lb/> <l>„Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“</l> </lg><lb/> <lg n="44"> <l>Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen,</l><lb/> <l>Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen,</l><lb/> <l>Und waren doch geſchoren ohne Haar.</l> </lg><lb/> <lg n="45"> <l>Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen,</l><lb/> <l>„All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen,</l><lb/> <l>„Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“</l> </lg><lb/> <lg n="46"> <l>Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder:</l><lb/> <l>„Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder,</l><lb/> <l>„Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.</l> </lg><lb/> <lg n="47"> <l>Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken,</l><lb/> <l>Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken,</l><lb/> <l>Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.</l> </lg><lb/> <lg n="48"> <l>Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben,</l><lb/> <l>Die alten dummen ſteifen Akkerknaben,</l><lb/> <l>Tanzten in ihren langen Kutten</l><lb/> <l>Wie Winzer in den Butten,</l><lb/> <l>Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Von zwoͤlf Knaben</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">Friſche Liedlein.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">M</hi>ein Mutter zeihet mich,</l><lb/> <l>Zwoͤlf Knaben freyen mich.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0118]
Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben:
„Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben,
„Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“
Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen,
Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen,
Und waren doch geſchoren ohne Haar.
Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen,
„All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen,
„Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“
Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder:
„Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder,
„Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.
Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken,
Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken,
Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.
Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben,
Die alten dummen ſteifen Akkerknaben,
Tanzten in ihren langen Kutten
Wie Winzer in den Butten,
Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.
Von zwoͤlf Knaben.
Friſche Liedlein.
Mein Mutter zeihet mich,
Zwoͤlf Knaben freyen mich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |