Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

trinken." -- Die Resl hatte Rock und Jacke von feinem kar-
moisinroth getupftem Wollstoff, die Schürze war von weißem
Batist und reich mit Spitzen besetzt, das Brusttuch im Mieder,
an welchem eine reiche Silberkette blitzte, war von weißer Seide
mit rothen Blümeln eingewirkt, und in die Goldschnur auf dem
Hut war ein frisches Blumenbüschel eingesteckt. Die schönsten
Röseln aber -- die hatte der liebe Gott dem Mädel auf die
Wangen gemalt. -- Mit schnellem Schritt wanderten alle drei
Tegernsee zu. Jn Egern setzten sie sich in einen Kahn und
ließen sich überfahren. Auf jedem Schiff flatterte heute ein
blauweißes Fähnlein, und der See funkelte im Sonnenschein,
als hüpften lauter goldene und silberne Sterne auf ihm herum. --
Wie erfreut war des Kuglers Joseph, daß die Resl doch noch
kam! und mit Stolz suchte er zu zeigen, welche Bevorzugung
er bei dem angestaunt schönen Mädchen genoß. -- Die Resl
setzte sich vergnügt zu den andern Bauernmädeln, und ihr Vater
und der Wastel thaten noch manchen wackeren Schuß mit. So
verstrich der Tag in abwechselnden Freuden; schon nahte der
Abend, und die Schützen fingen an müde zu werden. Größere
Gruppen saßen beieinander bei einem Krügel Bier und einem
Stück Käs, -- horch! da knallt es wieder, und ein Juschrei,
Jubeln und Tuschblasen verkünden, daß endlich das Zentrum
getroffen ist. Alles springt auf und drängt sich zum Schieß-
stand; aber der Adler und die Resl können vor Lärmen und
Schreien noch nicht verstehen, wer der Glückliche ist, und ehe sie
es erfragen, wälzt sich das Gedränge auf den freien Platz, die
Spielleute stimmen einen "Langaus" an, und indem jeder Bursche
sich eine Tänzerin holt, beginnt der ländliche Ball. Sie tanzen
und springen, die Alten und Jungen, und nachdem die Sonne
längst schlafen ging, und auf der leicht gekräuselten Seefläche
schon des Mondes Strahlen spielen, drehen sich noch immer die
jauchzenden Paare um den Festplatz.

7. Schatten und Licht.

Wer am folgenden Tag den Namen des Preisträgers von
Tegernsee noch nicht erfahren hatte, der konnte wenigstens sehen,

trinken.“ — Die Resl hatte Rock und Jacke von feinem kar-
moiſinroth getupftem Wollſtoff, die Schürze war von weißem
Batiſt und reich mit Spitzen beſetzt, das Bruſttuch im Mieder,
an welchem eine reiche Silberkette blitzte, war von weißer Seide
mit rothen Blümeln eingewirkt, und in die Goldſchnur auf dem
Hut war ein friſches Blumenbüſchel eingeſteckt. Die ſchönſten
Röſeln aber — die hatte der liebe Gott dem Mädel auf die
Wangen gemalt. — Mit ſchnellem Schritt wanderten alle drei
Tegernſee zu. Jn Egern ſetzten ſie ſich in einen Kahn und
ließen ſich überfahren. Auf jedem Schiff flatterte heute ein
blauweißes Fähnlein, und der See funkelte im Sonnenſchein,
als hüpften lauter goldene und ſilberne Sterne auf ihm herum. —
Wie erfreut war des Kuglers Joſeph, daß die Resl doch noch
kam! und mit Stolz ſuchte er zu zeigen, welche Bevorzugung
er bei dem angeſtaunt ſchönen Mädchen genoß. — Die Resl
ſetzte ſich vergnügt zu den andern Bauernmädeln, und ihr Vater
und der Waſtel thaten noch manchen wackeren Schuß mit. So
verſtrich der Tag in abwechſelnden Freuden; ſchon nahte der
Abend, und die Schützen fingen an müde zu werden. Größere
Gruppen ſaßen beieinander bei einem Krügel Bier und einem
Stück Käs, — horch! da knallt es wieder, und ein Juſchrei,
Jubeln und Tuſchblaſen verkünden, daß endlich das Zentrum
getroffen iſt. Alles ſpringt auf und drängt ſich zum Schieß-
ſtand; aber der Adler und die Resl können vor Lärmen und
Schreien noch nicht verſtehen, wer der Glückliche iſt, und ehe ſie
es erfragen, wälzt ſich das Gedränge auf den freien Platz, die
Spielleute ſtimmen einen „Langaus“ an, und indem jeder Burſche
ſich eine Tänzerin holt, beginnt der ländliche Ball. Sie tanzen
und ſpringen, die Alten und Jungen, und nachdem die Sonne
längſt ſchlafen ging, und auf der leicht gekräuſelten Seefläche
ſchon des Mondes Strahlen ſpielen, drehen ſich noch immer die
jauchzenden Paare um den Feſtplatz.

7. Schatten und Licht.

Wer am folgenden Tag den Namen des Preisträgers von
Tegernſee noch nicht erfahren hatte, der konnte wenigſtens ſehen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <p><pb facs="#f0022"/>
trinken.&#x201C; &#x2014; Die Resl hatte Rock und Jacke von feinem kar-<lb/>
moi&#x017F;inroth getupftem Woll&#x017F;toff, die Schürze war von weißem<lb/>
Bati&#x017F;t und reich mit Spitzen be&#x017F;etzt, das Bru&#x017F;ttuch im Mieder,<lb/>
an welchem eine reiche Silberkette blitzte, war von weißer Seide<lb/>
mit rothen Blümeln eingewirkt, und in die Gold&#x017F;chnur auf dem<lb/>
Hut war ein fri&#x017F;ches Blumenbü&#x017F;chel einge&#x017F;teckt. Die &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>&#x017F;eln aber &#x2014; die hatte der liebe Gott dem Mädel auf die<lb/>
Wangen gemalt. &#x2014; Mit &#x017F;chnellem Schritt wanderten alle drei<lb/>
Tegern&#x017F;ee zu. Jn Egern &#x017F;etzten &#x017F;ie &#x017F;ich in einen Kahn und<lb/>
ließen &#x017F;ich überfahren. Auf jedem Schiff flatterte heute ein<lb/>
blauweißes Fähnlein, und der See funkelte im Sonnen&#x017F;chein,<lb/>
als hüpften lauter goldene und &#x017F;ilberne Sterne auf ihm herum. &#x2014;<lb/>
Wie erfreut war des Kuglers Jo&#x017F;eph, daß die Resl doch noch<lb/>
kam! und mit Stolz &#x017F;uchte er zu zeigen, welche Bevorzugung<lb/>
er bei dem ange&#x017F;taunt &#x017F;chönen Mädchen genoß. &#x2014; Die Resl<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich vergnügt zu den andern Bauernmädeln, und ihr Vater<lb/>
und der Wa&#x017F;tel thaten noch manchen wackeren Schuß mit. So<lb/>
ver&#x017F;trich der Tag in abwech&#x017F;elnden Freuden; &#x017F;chon nahte der<lb/>
Abend, und die Schützen fingen an müde zu werden. Größere<lb/>
Gruppen &#x017F;aßen beieinander bei einem Krügel Bier und einem<lb/>
Stück Käs, &#x2014; horch! da knallt es wieder, und ein Ju&#x017F;chrei,<lb/>
Jubeln und Tu&#x017F;chbla&#x017F;en verkünden, daß endlich das Zentrum<lb/>
getroffen i&#x017F;t. Alles &#x017F;pringt auf und drängt &#x017F;ich zum Schieß-<lb/>
&#x017F;tand; aber der Adler und die Resl können vor Lärmen und<lb/>
Schreien noch nicht ver&#x017F;tehen, wer der Glückliche i&#x017F;t, und ehe &#x017F;ie<lb/>
es erfragen, wälzt &#x017F;ich das Gedränge auf den freien Platz, die<lb/>
Spielleute &#x017F;timmen einen &#x201E;Langaus&#x201C; an, und indem jeder Bur&#x017F;che<lb/>
&#x017F;ich eine Tänzerin holt, beginnt der ländliche Ball. Sie tanzen<lb/>
und &#x017F;pringen, die Alten und Jungen, und nachdem die Sonne<lb/>
läng&#x017F;t &#x017F;chlafen ging, und auf der leicht gekräu&#x017F;elten Seefläche<lb/>
&#x017F;chon des Mondes Strahlen &#x017F;pielen, drehen &#x017F;ich noch immer die<lb/>
jauchzenden Paare um den Fe&#x017F;tplatz.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter">
        <head>7. Schatten und Licht.</head><lb/>
        <p>Wer am folgenden Tag den Namen des Preisträgers von<lb/>
Tegern&#x017F;ee noch nicht erfahren hatte, der konnte wenig&#x017F;tens &#x017F;ehen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] trinken.“ — Die Resl hatte Rock und Jacke von feinem kar- moiſinroth getupftem Wollſtoff, die Schürze war von weißem Batiſt und reich mit Spitzen beſetzt, das Bruſttuch im Mieder, an welchem eine reiche Silberkette blitzte, war von weißer Seide mit rothen Blümeln eingewirkt, und in die Goldſchnur auf dem Hut war ein friſches Blumenbüſchel eingeſteckt. Die ſchönſten Röſeln aber — die hatte der liebe Gott dem Mädel auf die Wangen gemalt. — Mit ſchnellem Schritt wanderten alle drei Tegernſee zu. Jn Egern ſetzten ſie ſich in einen Kahn und ließen ſich überfahren. Auf jedem Schiff flatterte heute ein blauweißes Fähnlein, und der See funkelte im Sonnenſchein, als hüpften lauter goldene und ſilberne Sterne auf ihm herum. — Wie erfreut war des Kuglers Joſeph, daß die Resl doch noch kam! und mit Stolz ſuchte er zu zeigen, welche Bevorzugung er bei dem angeſtaunt ſchönen Mädchen genoß. — Die Resl ſetzte ſich vergnügt zu den andern Bauernmädeln, und ihr Vater und der Waſtel thaten noch manchen wackeren Schuß mit. So verſtrich der Tag in abwechſelnden Freuden; ſchon nahte der Abend, und die Schützen fingen an müde zu werden. Größere Gruppen ſaßen beieinander bei einem Krügel Bier und einem Stück Käs, — horch! da knallt es wieder, und ein Juſchrei, Jubeln und Tuſchblaſen verkünden, daß endlich das Zentrum getroffen iſt. Alles ſpringt auf und drängt ſich zum Schieß- ſtand; aber der Adler und die Resl können vor Lärmen und Schreien noch nicht verſtehen, wer der Glückliche iſt, und ehe ſie es erfragen, wälzt ſich das Gedränge auf den freien Platz, die Spielleute ſtimmen einen „Langaus“ an, und indem jeder Burſche ſich eine Tänzerin holt, beginnt der ländliche Ball. Sie tanzen und ſpringen, die Alten und Jungen, und nachdem die Sonne längſt ſchlafen ging, und auf der leicht gekräuſelten Seefläche ſchon des Mondes Strahlen ſpielen, drehen ſich noch immer die jauchzenden Paare um den Feſtplatz. 7. Schatten und Licht. Wer am folgenden Tag den Namen des Preisträgers von Tegernſee noch nicht erfahren hatte, der konnte wenigſtens ſehen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/22
Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/22>, abgerufen am 21.11.2024.