Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Wilhelm Arent. Die Meisten kommen zur Erde und geh'n Und haben nie sich selber geseh'n. Sie lebten dumpf in thierischem Triebe, Sie fühlten nie das Glück der Liebe. Sie sahen nie der Gottheit Spur, Sie kannten dich nicht, Allmutter Natur. Nie wieder ... Aus tiefster Seele S. 58. Die Straßen dämmern so tief verschneit, Wie ist der Sommer so weit, so weit! Jüngst träumte die Welt des Frühlings Traum: Vieltausend Knospen trug jeder Baum. Nun plötzlich all' die Keime erstickt, Vom Frosteshauch die Blüthen geknickt! Unnennbar traurig die Seele ist, Der sonnigen Tage sie nicht vergißt. Nun findet sie nirgends der Liebe Trost, Sie ahnt: nie wieder ein West sie umkost. Nie wieder labt sie der Blumen Duft, Ihr bettet der Schnee die kühle Gruft, Sterben muß sie tief-einsamen Tod -- Nie wieder grüßt sie das Morgenroth. Kind aus dem Volke. Aus tiefster Seele S. 61. Kind aus dem Volke so schlicht und rein, Hüte dich, hüte dich Blümelein! Bist so lieblich und zart von Gestalt, Uebst so süße Zaubergewalt ... Bald ist der Liebe Knospe erwacht, Liebe kommt träumend und über Nacht. Heißer zum Herzen strömt dir das Blut, Deine Wang' erglüh't in Rosenglut. Dein Mund dem Kusse entgegenschwillt, Nur des Mannes Arm deine Sehnsucht stillt. Wilhelm Arent. Die Meiſten kommen zur Erde und geh’n Und haben nie ſich ſelber geſeh’n. Sie lebten dumpf in thieriſchem Triebe, Sie fühlten nie das Glück der Liebe. Sie ſahen nie der Gottheit Spur, Sie kannten dich nicht, Allmutter Natur. Nie wieder … Aus tiefſter Seele S. 58. Die Straßen dämmern ſo tief verſchneit, Wie iſt der Sommer ſo weit, ſo weit! Jüngſt träumte die Welt des Frühlings Traum: Vieltauſend Knospen trug jeder Baum. Nun plötzlich all’ die Keime erſtickt, Vom Froſteshauch die Blüthen geknickt! Unnennbar traurig die Seele iſt, Der ſonnigen Tage ſie nicht vergißt. Nun findet ſie nirgends der Liebe Troſt, Sie ahnt: nie wieder ein Weſt ſie umkoſt. Nie wieder labt ſie der Blumen Duft, Ihr bettet der Schnee die kühle Gruft, Sterben muß ſie tief-einſamen Tod — Nie wieder grüßt ſie das Morgenroth. Kind aus dem Volke. Aus tiefſter Seele S. 61. Kind aus dem Volke ſo ſchlicht und rein, Hüte dich, hüte dich Blümelein! Biſt ſo lieblich und zart von Geſtalt, Uebſt ſo ſüße Zaubergewalt … Bald iſt der Liebe Knospe erwacht, Liebe kommt träumend und über Nacht. Heißer zum Herzen ſtrömt dir das Blut, Deine Wang’ erglüh’t in Roſenglut. Dein Mund dem Kuſſe entgegenſchwillt, Nur des Mannes Arm deine Sehnſucht ſtillt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0027" n="9"/> <fw place="top" type="header">Wilhelm Arent.</fw><lb/> <l>Die Meiſten kommen zur Erde und geh’n</l><lb/> <l>Und haben nie ſich ſelber geſeh’n.</l><lb/> <l>Sie lebten dumpf in thieriſchem Triebe,</l><lb/> <l>Sie fühlten nie das Glück der Liebe.</l><lb/> <l>Sie ſahen nie der Gottheit Spur,</l><lb/> <l>Sie kannten dich nicht, Allmutter Natur.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Nie wieder …</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Aus tiefſter Seele S. 58.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Straßen dämmern ſo tief verſchneit,</l><lb/> <l>Wie iſt der Sommer ſo weit, ſo weit!</l><lb/> <l>Jüngſt träumte die Welt des Frühlings Traum:</l><lb/> <l>Vieltauſend Knospen trug jeder Baum.</l><lb/> <l>Nun plötzlich all’ die Keime erſtickt,</l><lb/> <l>Vom Froſteshauch die Blüthen geknickt!</l><lb/> <l>Unnennbar traurig die Seele iſt,</l><lb/> <l>Der ſonnigen Tage ſie nicht vergißt.</l><lb/> <l>Nun findet ſie nirgends der Liebe Troſt,</l><lb/> <l>Sie ahnt: nie wieder ein Weſt ſie umkoſt.</l><lb/> <l>Nie wieder labt ſie der Blumen Duft,</l><lb/> <l>Ihr bettet der Schnee die kühle Gruft,</l><lb/> <l>Sterben muß ſie tief-einſamen Tod —</l><lb/> <l>Nie wieder grüßt ſie das Morgenroth.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kind aus dem Volke.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Aus tiefſter Seele S. 61.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Kind aus dem Volke ſo ſchlicht und rein,</l><lb/> <l>Hüte dich, hüte dich Blümelein!</l><lb/> <l>Biſt ſo lieblich und zart von Geſtalt,</l><lb/> <l>Uebſt ſo ſüße Zaubergewalt …</l><lb/> <l>Bald iſt der Liebe Knospe erwacht,</l><lb/> <l>Liebe kommt träumend und über Nacht.</l><lb/> <l>Heißer zum Herzen ſtrömt dir das Blut,</l><lb/> <l>Deine Wang’ erglüh’t in Roſenglut.</l><lb/> <l>Dein Mund dem Kuſſe entgegenſchwillt,</l><lb/> <l>Nur des Mannes Arm deine Sehnſucht ſtillt.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0027]
Wilhelm Arent.
Die Meiſten kommen zur Erde und geh’n
Und haben nie ſich ſelber geſeh’n.
Sie lebten dumpf in thieriſchem Triebe,
Sie fühlten nie das Glück der Liebe.
Sie ſahen nie der Gottheit Spur,
Sie kannten dich nicht, Allmutter Natur.
Nie wieder …
Aus tiefſter Seele S. 58.
Die Straßen dämmern ſo tief verſchneit,
Wie iſt der Sommer ſo weit, ſo weit!
Jüngſt träumte die Welt des Frühlings Traum:
Vieltauſend Knospen trug jeder Baum.
Nun plötzlich all’ die Keime erſtickt,
Vom Froſteshauch die Blüthen geknickt!
Unnennbar traurig die Seele iſt,
Der ſonnigen Tage ſie nicht vergißt.
Nun findet ſie nirgends der Liebe Troſt,
Sie ahnt: nie wieder ein Weſt ſie umkoſt.
Nie wieder labt ſie der Blumen Duft,
Ihr bettet der Schnee die kühle Gruft,
Sterben muß ſie tief-einſamen Tod —
Nie wieder grüßt ſie das Morgenroth.
Kind aus dem Volke.
Aus tiefſter Seele S. 61.
Kind aus dem Volke ſo ſchlicht und rein,
Hüte dich, hüte dich Blümelein!
Biſt ſo lieblich und zart von Geſtalt,
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Bald iſt der Liebe Knospe erwacht,
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Heißer zum Herzen ſtrömt dir das Blut,
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Dein Mund dem Kuſſe entgegenſchwillt,
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