Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Georg Gradnauer. Hab' ich vom Heileswerk das Halbtheil nicht schon jetzo vollendet? Hab' ich in mir eine Welt nicht niedergezwungen? -- Vergeh', sei hingescheucht vor neuem Windesodem, Du der Beklemmniß dumpfer Qualen, du Zweifelsangst, -- Ja, ich werde sie heilen, die klaffende Wunde, Welche die Seele der Menschheit zerspaltet, Aus der des Elends bittere Thräne, Aus der des Frevels Sündenblut entträuft!! IV. Hoch steh' ich entrückt dem Erdengetümmel, Durchschauert vor stürmender Wonne erhabener Einsamkeit; Zu niederem Kraut zusammengebückt grünt drunten In tiefentlegener Thaleseinsenkung Des stattlichen Buchwalds hochkronige Ebne; Rings in der Runde schwellen empor die Bergesaltäre, Des Himmels Schale mit trotzigem Nacken zu durchbrechen begehrend, Und um ihre stolzen Glieder lichtweiß geschlungen Wallen hernieder des ewigen Schnees prangende Strahlengewinde. Aber wie ich so schaue durch schimmernd krystallene Aethergefilde, Verlorenen Blicks hinträume, auf Flügeln sonnigen Strahlengefährtes Unermessene Räume himmlischer Lüfte durchwallend, Ist derweilen ein sturmgeprüftes, düster gefaltetes Wolkenmeer Aus ferner Tiefe des Thales emporgebrandet hinter der Bergwand Und schlägt sein wild entfesseltes Wogengewand Rings um zeittrotzender Felsen erzene Panzer. Bald furchen des Blitzstrahls flammende Schwerter die zitternden Lüfte, Mit tosendem Donnerschlage die Wetterlawinen zusammen. Und zum angsterbebenden Erdball sauset Des Hagels schneidender Geiselhieb nieder. -- Wahrlich, o Menschheit, durch deine Tempel, durch deine Seelen Muß auch also jagen ein machtvoll zertrümmerndes Wettergewölk, In den Staub mußt du sinken Und niederbeugen die hoffart-eitele Stirn; Beim Sündenmahle jauchzest du, Blüthenumkränzt, duftberauscht, Georg Gradnauer. Hab’ ich vom Heileswerk das Halbtheil nicht ſchon jetzo vollendet? Hab’ ich in mir eine Welt nicht niedergezwungen? — Vergeh’, ſei hingeſcheucht vor neuem Windesodem, Du der Beklemmniß dumpfer Qualen, du Zweifelsangſt, — Ja, ich werde ſie heilen, die klaffende Wunde, Welche die Seele der Menſchheit zerſpaltet, Aus der des Elends bittere Thräne, Aus der des Frevels Sündenblut entträuft!! IV. Hoch ſteh’ ich entrückt dem Erdengetümmel, Durchſchauert vor ſtürmender Wonne erhabener Einſamkeit; Zu niederem Kraut zuſammengebückt grünt drunten In tiefentlegener Thaleseinſenkung Des ſtattlichen Buchwalds hochkronige Ebne; Rings in der Runde ſchwellen empor die Bergesaltäre, Des Himmels Schale mit trotzigem Nacken zu durchbrechen begehrend, Und um ihre ſtolzen Glieder lichtweiß geſchlungen Wallen hernieder des ewigen Schnees prangende Strahlengewinde. Aber wie ich ſo ſchaue durch ſchimmernd kryſtallene Aethergefilde, Verlorenen Blicks hinträume, auf Flügeln ſonnigen Strahlengefährtes Unermeſſene Räume himmliſcher Lüfte durchwallend, Iſt derweilen ein ſturmgeprüftes, düſter gefaltetes Wolkenmeer Aus ferner Tiefe des Thales emporgebrandet hinter der Bergwand Und ſchlägt ſein wild entfeſſeltes Wogengewand Rings um zeittrotzender Felſen erzene Panzer. Bald furchen des Blitzſtrahls flammende Schwerter die zitternden Lüfte, Mit toſendem Donnerſchlage die Wetterlawinen zuſammen. Und zum angſterbebenden Erdball ſauſet Des Hagels ſchneidender Geiſelhieb nieder. — Wahrlich, o Menſchheit, durch deine Tempel, durch deine Seelen Muß auch alſo jagen ein machtvoll zertrümmerndes Wettergewölk, In den Staub mußt du ſinken Und niederbeugen die hoffart-eitele Stirn; Beim Sündenmahle jauchzeſt du, Blüthenumkränzt, duftberauſcht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0233" n="215"/> <fw place="top" type="header">Georg Gradnauer.</fw><lb/> <l>Hab’ ich vom Heileswerk das Halbtheil nicht ſchon jetzo vollendet?</l><lb/> <l>Hab’ ich in mir eine Welt nicht niedergezwungen? —</l><lb/> <l>Vergeh’, ſei hingeſcheucht vor neuem Windesodem,</l><lb/> <l>Du der Beklemmniß dumpfer Qualen, du Zweifelsangſt, —</l><lb/> <l>Ja, ich werde ſie heilen, die klaffende Wunde,</l><lb/> <l>Welche die Seele der Menſchheit zerſpaltet,</l><lb/> <l>Aus der des Elends bittere Thräne,</l><lb/> <l>Aus der des Frevels Sündenblut entträuft!!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hoch ſteh’ ich entrückt dem Erdengetümmel,</l><lb/> <l>Durchſchauert vor ſtürmender Wonne erhabener Einſamkeit;</l><lb/> <l>Zu niederem Kraut zuſammengebückt grünt drunten</l><lb/> <l>In tiefentlegener Thaleseinſenkung</l><lb/> <l>Des ſtattlichen Buchwalds hochkronige Ebne;</l><lb/> <l>Rings in der Runde ſchwellen empor die Bergesaltäre,</l><lb/> <l>Des Himmels Schale mit trotzigem Nacken zu durchbrechen begehrend,</l><lb/> <l>Und um ihre ſtolzen Glieder lichtweiß geſchlungen</l><lb/> <l>Wallen hernieder des ewigen Schnees prangende Strahlengewinde.</l><lb/> <l>Aber wie ich ſo ſchaue durch ſchimmernd kryſtallene Aethergefilde,</l><lb/> <l>Verlorenen Blicks hinträume, auf Flügeln ſonnigen Strahlengefährtes</l><lb/> <l>Unermeſſene Räume himmliſcher Lüfte durchwallend,</l><lb/> <l>Iſt derweilen ein ſturmgeprüftes, düſter gefaltetes Wolkenmeer</l><lb/> <l>Aus ferner Tiefe des Thales emporgebrandet hinter der Bergwand</l><lb/> <l>Und ſchlägt ſein wild entfeſſeltes Wogengewand</l><lb/> <l>Rings um zeittrotzender Felſen erzene Panzer.</l><lb/> <l>Bald furchen des Blitzſtrahls flammende Schwerter die zitternden Lüfte,</l><lb/> <l>Mit toſendem Donnerſchlage die Wetterlawinen zuſammen.</l><lb/> <l>Und zum angſterbebenden Erdball ſauſet</l><lb/> <l>Des Hagels ſchneidender Geiſelhieb nieder. —</l><lb/> <l>Wahrlich, o Menſchheit, durch deine Tempel, durch deine Seelen</l><lb/> <l>Muß auch alſo jagen ein machtvoll zertrümmerndes Wettergewölk,</l><lb/> <l>In den Staub mußt du ſinken</l><lb/> <l>Und niederbeugen die hoffart-eitele Stirn;</l><lb/> <l>Beim Sündenmahle jauchzeſt du,</l><lb/> <l>Blüthenumkränzt, duftberauſcht,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0233]
Georg Gradnauer.
Hab’ ich vom Heileswerk das Halbtheil nicht ſchon jetzo vollendet?
Hab’ ich in mir eine Welt nicht niedergezwungen? —
Vergeh’, ſei hingeſcheucht vor neuem Windesodem,
Du der Beklemmniß dumpfer Qualen, du Zweifelsangſt, —
Ja, ich werde ſie heilen, die klaffende Wunde,
Welche die Seele der Menſchheit zerſpaltet,
Aus der des Elends bittere Thräne,
Aus der des Frevels Sündenblut entträuft!!
IV.
Hoch ſteh’ ich entrückt dem Erdengetümmel,
Durchſchauert vor ſtürmender Wonne erhabener Einſamkeit;
Zu niederem Kraut zuſammengebückt grünt drunten
In tiefentlegener Thaleseinſenkung
Des ſtattlichen Buchwalds hochkronige Ebne;
Rings in der Runde ſchwellen empor die Bergesaltäre,
Des Himmels Schale mit trotzigem Nacken zu durchbrechen begehrend,
Und um ihre ſtolzen Glieder lichtweiß geſchlungen
Wallen hernieder des ewigen Schnees prangende Strahlengewinde.
Aber wie ich ſo ſchaue durch ſchimmernd kryſtallene Aethergefilde,
Verlorenen Blicks hinträume, auf Flügeln ſonnigen Strahlengefährtes
Unermeſſene Räume himmliſcher Lüfte durchwallend,
Iſt derweilen ein ſturmgeprüftes, düſter gefaltetes Wolkenmeer
Aus ferner Tiefe des Thales emporgebrandet hinter der Bergwand
Und ſchlägt ſein wild entfeſſeltes Wogengewand
Rings um zeittrotzender Felſen erzene Panzer.
Bald furchen des Blitzſtrahls flammende Schwerter die zitternden Lüfte,
Mit toſendem Donnerſchlage die Wetterlawinen zuſammen.
Und zum angſterbebenden Erdball ſauſet
Des Hagels ſchneidender Geiſelhieb nieder. —
Wahrlich, o Menſchheit, durch deine Tempel, durch deine Seelen
Muß auch alſo jagen ein machtvoll zertrümmerndes Wettergewölk,
In den Staub mußt du ſinken
Und niederbeugen die hoffart-eitele Stirn;
Beim Sündenmahle jauchzeſt du,
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