Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Friedrich Adler. Er kann nicht spielen und er wird's nicht können, Zu steif ist seine Hand, sein Ohr zu stumpf, Ihr kennt das Sprüchlein wohl von Hans und Hänschen, Und dennoch läßt er's nicht. Ihm ist dies Spiel Die einzige Sprosse, die aus Noth und Kummer Des öden Lebens ihn nach oben leitet, Die einzige. Und die barmherzige Kunst, Sie aller Segenspender edelste, Stößt ihn auch ohne Trost nicht aus dem Tempel, Der gläubig drin der Seele Heilung sucht. Aus falschen Griffen, aus verfehlten Takten Gießt sie dem Lechzenden Befriedigung In die geängstigte, gequälte Brust ... Spiel immer zu, du armer, alter Mann! Du störst nicht, nein. Melodisch klingt um mich Die edle Weihe eines Menschenherzens. Pythagoras. Deutsches Dichterbuch aus Oesterreich. Gebreitet liegt auf Berg und Auen Das schattende Gewand der Nacht, Auf alle Augen niederthauen Des Traumes Bilder, süß und sacht; Nur mich allein will's nicht umschlingen, Dies selige Sinken in das Nichts: Ich will erkennen, will erringen, Erringen einen Strahl des Lichts. Durchforscht umsonst hab' ich die Rollen, Die uns der Väter Weisheit schrieb, Umsonst gesucht im Lieben, Grollen Des Menschenherzens tiefsten Trieb, Umsonst Natur und ihrem Sprossen Bin ich gefolgt mit Stab und Maß, -- Die Thür zum Räthsel blieb verschlossen, Und wirre Schrift war, was ich las. Friedrich Adler. Er kann nicht ſpielen und er wird’s nicht können, Zu ſteif iſt ſeine Hand, ſein Ohr zu ſtumpf, Ihr kennt das Sprüchlein wohl von Hans und Hänschen, Und dennoch läßt er’s nicht. Ihm iſt dies Spiel Die einzige Sproſſe, die aus Noth und Kummer Des öden Lebens ihn nach oben leitet, Die einzige. Und die barmherzige Kunſt, Sie aller Segenſpender edelſte, Stößt ihn auch ohne Troſt nicht aus dem Tempel, Der gläubig drin der Seele Heilung ſucht. Aus falſchen Griffen, aus verfehlten Takten Gießt ſie dem Lechzenden Befriedigung In die geängſtigte, gequälte Bruſt … Spiel immer zu, du armer, alter Mann! Du ſtörſt nicht, nein. Melodiſch klingt um mich Die edle Weihe eines Menſchenherzens. Pythagoras. Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich. Gebreitet liegt auf Berg und Auen Das ſchattende Gewand der Nacht, Auf alle Augen niederthauen Des Traumes Bilder, ſüß und ſacht; Nur mich allein will’s nicht umſchlingen, Dies ſelige Sinken in das Nichts: Ich will erkennen, will erringen, Erringen einen Strahl des Lichts. Durchforſcht umſonſt hab’ ich die Rollen, Die uns der Väter Weisheit ſchrieb, Umſonſt geſucht im Lieben, Grollen Des Menſchenherzens tiefſten Trieb, Umſonſt Natur und ihrem Sproſſen Bin ich gefolgt mit Stab und Maß, — Die Thür zum Räthſel blieb verſchloſſen, Und wirre Schrift war, was ich las. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0100" n="82"/> <fw place="top" type="header">Friedrich Adler.</fw><lb/> <lg n="3"> <l>Er kann nicht ſpielen und er wird’s nicht können,</l><lb/> <l>Zu ſteif iſt ſeine Hand, ſein Ohr zu ſtumpf,</l><lb/> <l>Ihr kennt das Sprüchlein wohl von Hans und Hänschen,</l><lb/> <l>Und dennoch läßt er’s nicht. Ihm iſt dies Spiel</l><lb/> <l>Die einzige Sproſſe, die aus Noth und Kummer</l><lb/> <l>Des öden Lebens ihn nach oben leitet,</l><lb/> <l>Die einzige. Und die barmherzige Kunſt,</l><lb/> <l>Sie aller Segenſpender edelſte,</l><lb/> <l>Stößt ihn auch ohne Troſt nicht aus dem Tempel,</l><lb/> <l>Der gläubig drin der Seele Heilung ſucht.</l><lb/> <l>Aus falſchen Griffen, aus verfehlten Takten</l><lb/> <l>Gießt ſie dem Lechzenden Befriedigung</l><lb/> <l>In die geängſtigte, gequälte Bruſt …</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Spiel immer zu, du armer, alter Mann!</l><lb/> <l>Du ſtörſt nicht, nein. Melodiſch klingt um mich</l><lb/> <l>Die edle Weihe eines Menſchenherzens.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Pythagoras.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gebreitet liegt auf Berg und Auen</l><lb/> <l>Das ſchattende Gewand der Nacht,</l><lb/> <l>Auf alle Augen niederthauen</l><lb/> <l>Des Traumes Bilder, ſüß und ſacht;</l><lb/> <l>Nur mich allein will’s nicht umſchlingen,</l><lb/> <l>Dies ſelige Sinken in das Nichts:</l><lb/> <l>Ich will erkennen, will erringen,</l><lb/> <l>Erringen einen Strahl des Lichts.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Durchforſcht umſonſt hab’ ich die Rollen,</l><lb/> <l>Die uns der Väter Weisheit ſchrieb,</l><lb/> <l>Umſonſt geſucht im Lieben, Grollen</l><lb/> <l>Des Menſchenherzens tiefſten Trieb,</l><lb/> <l>Umſonſt Natur und ihrem Sproſſen</l><lb/> <l>Bin ich gefolgt mit Stab und Maß, —</l><lb/> <l>Die Thür zum Räthſel blieb verſchloſſen,</l><lb/> <l>Und wirre Schrift war, was ich las.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0100]
Friedrich Adler.
Er kann nicht ſpielen und er wird’s nicht können,
Zu ſteif iſt ſeine Hand, ſein Ohr zu ſtumpf,
Ihr kennt das Sprüchlein wohl von Hans und Hänschen,
Und dennoch läßt er’s nicht. Ihm iſt dies Spiel
Die einzige Sproſſe, die aus Noth und Kummer
Des öden Lebens ihn nach oben leitet,
Die einzige. Und die barmherzige Kunſt,
Sie aller Segenſpender edelſte,
Stößt ihn auch ohne Troſt nicht aus dem Tempel,
Der gläubig drin der Seele Heilung ſucht.
Aus falſchen Griffen, aus verfehlten Takten
Gießt ſie dem Lechzenden Befriedigung
In die geängſtigte, gequälte Bruſt …
Spiel immer zu, du armer, alter Mann!
Du ſtörſt nicht, nein. Melodiſch klingt um mich
Die edle Weihe eines Menſchenherzens.
Pythagoras.
Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich.
Gebreitet liegt auf Berg und Auen
Das ſchattende Gewand der Nacht,
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Des Traumes Bilder, ſüß und ſacht;
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Dies ſelige Sinken in das Nichts:
Ich will erkennen, will erringen,
Erringen einen Strahl des Lichts.
Durchforſcht umſonſt hab’ ich die Rollen,
Die uns der Väter Weisheit ſchrieb,
Umſonſt geſucht im Lieben, Grollen
Des Menſchenherzens tiefſten Trieb,
Umſonſt Natur und ihrem Sproſſen
Bin ich gefolgt mit Stab und Maß, —
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