Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Lauson am folgenden Tage seinen Franzwein probire, der eben so wenig Lust spüre, seinen bisherigen Platz zu vertauschen. Nicht so mäßig, als in dem Flurstübchen der ehrenwerthen Bürger, ging es in der Schenke vor dem Thore zu, wo beim Abschiedsgelage der Studenten mächtige Humpen mit demselben feurigen Getränke kreis'ten. Aus einem Fasse auf dem Ecktisch wurde gezapft, und die Kugelgläser flogen, wenn sie den Kreislauf gemacht, zum Fenster hinaus, ohne daß man sich die Mühe nahm, die Flügel zu öffnen. Gesang und rauschende Gesundheiten, von lärmender Musik begleitet, wechselten; Brüderküsse und Schwüre ewiger Freundschaft wurden über die Tische geschleudert, und auf die Bänke sprang, wer, was er in sich fühlte, den Drang empfand, von sich zu geben, zu Allen, die es noch hören konnten, oder wollten. Das feierliche Gaudeamus war längst verhallt, die Hüte durchstochen, die Hieber rollten in den Ungerströmen auf den langen Tischen hin und her, und die Mützen lagen von den lockigen Häuptern gefallen unter den Bänken. Die wilde Natur mit fremden Erinnerungen und alter Wuth mischte sich als barockes Spiel in den Ernst des wehmüthigen Abschiedsfestes. Die Präsides hatten ihr Geschäft, Ordnung zu erhalten, aufgegeben. Auf einem Tische thronte der blasse Jüngling, Lauson am folgenden Tage seinen Franzwein probire, der eben so wenig Lust spüre, seinen bisherigen Platz zu vertauschen. Nicht so mäßig, als in dem Flurstübchen der ehrenwerthen Bürger, ging es in der Schenke vor dem Thore zu, wo beim Abschiedsgelage der Studenten mächtige Humpen mit demselben feurigen Getränke kreis'ten. Aus einem Fasse auf dem Ecktisch wurde gezapft, und die Kugelgläser flogen, wenn sie den Kreislauf gemacht, zum Fenster hinaus, ohne daß man sich die Mühe nahm, die Flügel zu öffnen. Gesang und rauschende Gesundheiten, von lärmender Musik begleitet, wechselten; Brüderküsse und Schwüre ewiger Freundschaft wurden über die Tische geschleudert, und auf die Bänke sprang, wer, was er in sich fühlte, den Drang empfand, von sich zu geben, zu Allen, die es noch hören konnten, oder wollten. Das feierliche Gaudeamus war längst verhallt, die Hüte durchstochen, die Hieber rollten in den Ungerströmen auf den langen Tischen hin und her, und die Mützen lagen von den lockigen Häuptern gefallen unter den Bänken. Die wilde Natur mit fremden Erinnerungen und alter Wuth mischte sich als barockes Spiel in den Ernst des wehmüthigen Abschiedsfestes. Die Präsides hatten ihr Geschäft, Ordnung zu erhalten, aufgegeben. Auf einem Tische thronte der blasse Jüngling, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> Lauson am folgenden Tage seinen Franzwein probire, der eben so wenig Lust spüre, seinen bisherigen Platz zu vertauschen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <p>Nicht so mäßig, als in dem Flurstübchen der ehrenwerthen Bürger, ging es in der Schenke vor dem Thore zu, wo beim Abschiedsgelage der Studenten mächtige Humpen mit demselben feurigen Getränke kreis'ten. Aus einem Fasse auf dem Ecktisch wurde gezapft, und die Kugelgläser flogen, wenn sie den Kreislauf gemacht, zum Fenster hinaus, ohne daß man sich die Mühe nahm, die Flügel zu öffnen. Gesang und rauschende Gesundheiten, von lärmender Musik begleitet, wechselten; Brüderküsse und Schwüre ewiger Freundschaft wurden über die Tische geschleudert, und auf die Bänke sprang, wer, was er in sich fühlte, den Drang empfand, von sich zu geben, zu Allen, die es noch hören konnten, oder wollten. Das feierliche Gaudeamus war längst verhallt, die Hüte durchstochen, die Hieber rollten in den Ungerströmen auf den langen Tischen hin und her, und die Mützen lagen von den lockigen Häuptern gefallen unter den Bänken. Die wilde Natur mit fremden Erinnerungen und alter Wuth mischte sich als barockes Spiel in den Ernst des wehmüthigen Abschiedsfestes. Die Präsides hatten ihr Geschäft, Ordnung zu erhalten, aufgegeben. Auf einem Tische thronte der blasse Jüngling,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Lauson am folgenden Tage seinen Franzwein probire, der eben so wenig Lust spüre, seinen bisherigen Platz zu vertauschen.
Nicht so mäßig, als in dem Flurstübchen der ehrenwerthen Bürger, ging es in der Schenke vor dem Thore zu, wo beim Abschiedsgelage der Studenten mächtige Humpen mit demselben feurigen Getränke kreis'ten. Aus einem Fasse auf dem Ecktisch wurde gezapft, und die Kugelgläser flogen, wenn sie den Kreislauf gemacht, zum Fenster hinaus, ohne daß man sich die Mühe nahm, die Flügel zu öffnen. Gesang und rauschende Gesundheiten, von lärmender Musik begleitet, wechselten; Brüderküsse und Schwüre ewiger Freundschaft wurden über die Tische geschleudert, und auf die Bänke sprang, wer, was er in sich fühlte, den Drang empfand, von sich zu geben, zu Allen, die es noch hören konnten, oder wollten. Das feierliche Gaudeamus war längst verhallt, die Hüte durchstochen, die Hieber rollten in den Ungerströmen auf den langen Tischen hin und her, und die Mützen lagen von den lockigen Häuptern gefallen unter den Bänken. Die wilde Natur mit fremden Erinnerungen und alter Wuth mischte sich als barockes Spiel in den Ernst des wehmüthigen Abschiedsfestes. Die Präsides hatten ihr Geschäft, Ordnung zu erhalten, aufgegeben. Auf einem Tische thronte der blasse Jüngling,
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/15>, abgerufen am 22.02.2025. |