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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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legen? -- Ei bewahre! Er handelte nach Rücksichten
und Intentionen, die unser beschränkter Verstand nicht
begreift. Heut in der Ministersitzung, nachdem die
Köpfe warm geworden, man die patriotischsten Reden
gehört, ist man zum Beschluß gekommen: Kein Krieg!
Denn Krieg ist ein großes Uebel, dessen Folgen Nie¬
mand absieht."

"Widersprach denn Niemand!"

"Sie weinten sogar. Das treue Anspach fahren
zu lassen! -- Nun, Baiern wird ihm auch ein gütiger
Herr sein! -- Aber Hannover den Engländern neh¬
men, unseren besten Verbündeten! Man tröstete sich
mit dem schönen Gedanken: es kann ja nicht immer
so bleiben, darum muß es einmal besser werden.
Einstweilen soll aber alles so bleiben, bis -- hören
Sie -- bis zum allgemeinen Frieden! Dann werden
alle Völker, Fürsten, sogar die Staatsmänner ver¬
nünftig werden. Die Engländer auch; sie werden
um des allgemeinen Besten willen Hannover frei¬
willig abtreten."

Der Regierungsrath sprang auf: "Beim Himmel,
es ist nicht Zeit zu Epigrammen!"

"Bittre Wahrheit, liebster Fuchsius. Der Sturm
im Ministerrath ging in ein sanftes Adagio aus.
Man schwärmte, da man nicht Muth hatte, für sich
selbst zu handeln, wie es nothwendig, für das Wohl
der allgemeinen Menschheit!"

"Und Stein -- auch Hardenberg?"

"Ueberstimmt. Und weil sie überstimmt, fügten

legen? — Ei bewahre! Er handelte nach Rückſichten
und Intentionen, die unſer beſchränkter Verſtand nicht
begreift. Heut in der Miniſterſitzung, nachdem die
Köpfe warm geworden, man die patriotiſchſten Reden
gehört, iſt man zum Beſchluß gekommen: Kein Krieg!
Denn Krieg iſt ein großes Uebel, deſſen Folgen Nie¬
mand abſieht.“

„Widerſprach denn Niemand!“

„Sie weinten ſogar. Das treue Anſpach fahren
zu laſſen! — Nun, Baiern wird ihm auch ein gütiger
Herr ſein! — Aber Hannover den Engländern neh¬
men, unſeren beſten Verbündeten! Man tröſtete ſich
mit dem ſchönen Gedanken: es kann ja nicht immer
ſo bleiben, darum muß es einmal beſſer werden.
Einſtweilen ſoll aber alles ſo bleiben, bis — hören
Sie — bis zum allgemeinen Frieden! Dann werden
alle Völker, Fürſten, ſogar die Staatsmänner ver¬
nünftig werden. Die Engländer auch; ſie werden
um des allgemeinen Beſten willen Hannover frei¬
willig abtreten.“

Der Regierungsrath ſprang auf: „Beim Himmel,
es iſt nicht Zeit zu Epigrammen!“

„Bittre Wahrheit, liebſter Fuchſius. Der Sturm
im Miniſterrath ging in ein ſanftes Adagio aus.
Man ſchwärmte, da man nicht Muth hatte, für ſich
ſelbſt zu handeln, wie es nothwendig, für das Wohl
der allgemeinen Menſchheit!“

„Und Stein — auch Hardenberg?“

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[294/0304] legen? — Ei bewahre! Er handelte nach Rückſichten und Intentionen, die unſer beſchränkter Verſtand nicht begreift. Heut in der Miniſterſitzung, nachdem die Köpfe warm geworden, man die patriotiſchſten Reden gehört, iſt man zum Beſchluß gekommen: Kein Krieg! Denn Krieg iſt ein großes Uebel, deſſen Folgen Nie¬ mand abſieht.“ „Widerſprach denn Niemand!“ „Sie weinten ſogar. Das treue Anſpach fahren zu laſſen! — Nun, Baiern wird ihm auch ein gütiger Herr ſein! — Aber Hannover den Engländern neh¬ men, unſeren beſten Verbündeten! Man tröſtete ſich mit dem ſchönen Gedanken: es kann ja nicht immer ſo bleiben, darum muß es einmal beſſer werden. Einſtweilen ſoll aber alles ſo bleiben, bis — hören Sie — bis zum allgemeinen Frieden! Dann werden alle Völker, Fürſten, ſogar die Staatsmänner ver¬ nünftig werden. Die Engländer auch; ſie werden um des allgemeinen Beſten willen Hannover frei¬ willig abtreten.“ Der Regierungsrath ſprang auf: „Beim Himmel, es iſt nicht Zeit zu Epigrammen!“ „Bittre Wahrheit, liebſter Fuchſius. Der Sturm im Miniſterrath ging in ein ſanftes Adagio aus. Man ſchwärmte, da man nicht Muth hatte, für ſich ſelbſt zu handeln, wie es nothwendig, für das Wohl der allgemeinen Menſchheit!“ „Und Stein — auch Hardenberg?“ „Ueberſtimmt. Und weil ſie überſtimmt, fügten

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/304>, abgerufen am 26.04.2024.