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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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"Du lieber Gott, sie hat einen guten Geruch.
Da ging sie denn der Mamsell Adelheidchen so
lange um den Bart -- das heißt, sie streichelte
mit ihren Händchen die blonden Locken, o Malwinchen
ist ein Filou, und da müßte Mamsell Adelheid
früher aufstehen, wenn sie's merken wollte."

"Adelheid hat nichts davon gesagt."

"Ach Frau Geheimräthin, wie wird man Ihnen
denn alles sagen, was in Ihrem Hause passirt! Sie
haben auch gesagt, der Herr Geheimrath soll Kaffee
haben vom zweiten Aufguß, weil's ihn echauffirt;
Mamsell Adelheidchen aber läßt ihm vom ersten
geben, weil sie gemerkt hat, daß es ihm besser
schmeckt. Und der Herr Geheimrath, der nichts merkt,
merkts recht gut, und ist still zu. Warum sollte
er's auch laut machen; er denkt, dann kann's anders
werden. Es geht in jedem Hauswesen so zu, und
wer der Klügste ist, soll sich nicht einbilden, daß
nicht einer ist, der ihm auf die Sprünge kommt.
Jedes Schloß hat ein Loch und jede Mauer eine
Ritze, man sieht sie nur nicht, und wer noch so
verdämelt aussieht, zuweilen schießts in ihn. Das
sage ich meinem Geheimrath auch. Will sich manch¬
mal um Alles kümmern, meine Marktrechnungen
nachrechnen. Lieber Herr Geheimrath, sage ich ihm,
wenn ich Sie übers Ohr hauen wollte, dann wären
Sie der letzte, der's merkt. Er hat auch gemerkt,
daß es Malwinchen gewesen war; aber er that nur
so, sonst hätte er ja losfahren müssen -- und

„Du lieber Gott, ſie hat einen guten Geruch.
Da ging ſie denn der Mamſell Adelheidchen ſo
lange um den Bart — das heißt, ſie ſtreichelte
mit ihren Händchen die blonden Locken, o Malwinchen
iſt ein Filou, und da müßte Mamſell Adelheid
früher aufſtehen, wenn ſie's merken wollte.“

„Adelheid hat nichts davon geſagt.“

„Ach Frau Geheimräthin, wie wird man Ihnen
denn alles ſagen, was in Ihrem Hauſe paſſirt! Sie
haben auch geſagt, der Herr Geheimrath ſoll Kaffee
haben vom zweiten Aufguß, weil's ihn echauffirt;
Mamſell Adelheidchen aber läßt ihm vom erſten
geben, weil ſie gemerkt hat, daß es ihm beſſer
ſchmeckt. Und der Herr Geheimrath, der nichts merkt,
merkts recht gut, und iſt ſtill zu. Warum ſollte
er's auch laut machen; er denkt, dann kann's anders
werden. Es geht in jedem Hausweſen ſo zu, und
wer der Klügſte iſt, ſoll ſich nicht einbilden, daß
nicht einer iſt, der ihm auf die Sprünge kommt.
Jedes Schloß hat ein Loch und jede Mauer eine
Ritze, man ſieht ſie nur nicht, und wer noch ſo
verdämelt ausſieht, zuweilen ſchießts in ihn. Das
ſage ich meinem Geheimrath auch. Will ſich manch¬
mal um Alles kümmern, meine Marktrechnungen
nachrechnen. Lieber Herr Geheimrath, ſage ich ihm,
wenn ich Sie übers Ohr hauen wollte, dann wären
Sie der letzte, der's merkt. Er hat auch gemerkt,
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[203/0213] „Du lieber Gott, ſie hat einen guten Geruch. Da ging ſie denn der Mamſell Adelheidchen ſo lange um den Bart — das heißt, ſie ſtreichelte mit ihren Händchen die blonden Locken, o Malwinchen iſt ein Filou, und da müßte Mamſell Adelheid früher aufſtehen, wenn ſie's merken wollte.“ „Adelheid hat nichts davon geſagt.“ „Ach Frau Geheimräthin, wie wird man Ihnen denn alles ſagen, was in Ihrem Hauſe paſſirt! Sie haben auch geſagt, der Herr Geheimrath ſoll Kaffee haben vom zweiten Aufguß, weil's ihn echauffirt; Mamſell Adelheidchen aber läßt ihm vom erſten geben, weil ſie gemerkt hat, daß es ihm beſſer ſchmeckt. Und der Herr Geheimrath, der nichts merkt, merkts recht gut, und iſt ſtill zu. Warum ſollte er's auch laut machen; er denkt, dann kann's anders werden. Es geht in jedem Hausweſen ſo zu, und wer der Klügſte iſt, ſoll ſich nicht einbilden, daß nicht einer iſt, der ihm auf die Sprünge kommt. Jedes Schloß hat ein Loch und jede Mauer eine Ritze, man ſieht ſie nur nicht, und wer noch ſo verdämelt ausſieht, zuweilen ſchießts in ihn. Das ſage ich meinem Geheimrath auch. Will ſich manch¬ mal um Alles kümmern, meine Marktrechnungen nachrechnen. Lieber Herr Geheimrath, ſage ich ihm, wenn ich Sie übers Ohr hauen wollte, dann wären Sie der letzte, der's merkt. Er hat auch gemerkt, daß es Malwinchen geweſen war; aber er that nur ſo, ſonſt hätte er ja losfahren müſſen — und

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/213>, abgerufen am 26.04.2024.