Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Sohn, wollte auch immer seine eigenen Wege gehn;
nahm was Andere wegwarfen, und warf weg
was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern
nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Asten, wir
würden alle warm sitzen, wenn jeder auf seinem
Platze bliebe. Verstehn Sie mich, er soll nicht
immer sitzen bleiben, er soll auch weiter rutschen,
wenn neben ihm ein besserer frei wird. Das findet
sich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und
Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber
er muß nicht ungeduldig werden, nicht springen
wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken
sie erst, daß Einer ein unruhiger Kopf ist, der
kriegt gleich 'nen schwarzen Strich, und sie passen
ihm auf die Finger. Wir könnten's alle so gut
haben; denn die großen Herrschaften, glauben Sie's
mir, meinen's mit uns so gut, wenn wir uns nur
nicht mausig machen wollen. Lieber Herr van Asten,
ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob sie sich
da oben schlagen oder vertragen, und Allianzen
schließen oder keine? Thun sie's, gut; thun sie's
nicht, für uns ist's auch gut. Es hat jeder in
seinem Hause ja genug zu sorgen. Kinder, laßt
doch den Potentaten das Regieren und kümmert
euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide
gesponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer,
und wer sein Bischen Grütze im Kopfe hat, der
bringt sein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns
denn an, wenn die andern Schafe versaufen!"

Sohn, wollte auch immer ſeine eigenen Wege gehn;
nahm was Andere wegwarfen, und warf weg
was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern
nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Aſten, wir
würden alle warm ſitzen, wenn jeder auf ſeinem
Platze bliebe. Verſtehn Sie mich, er ſoll nicht
immer ſitzen bleiben, er ſoll auch weiter rutſchen,
wenn neben ihm ein beſſerer frei wird. Das findet
ſich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und
Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber
er muß nicht ungeduldig werden, nicht ſpringen
wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken
ſie erſt, daß Einer ein unruhiger Kopf iſt, der
kriegt gleich 'nen ſchwarzen Strich, und ſie paſſen
ihm auf die Finger. Wir könnten's alle ſo gut
haben; denn die großen Herrſchaften, glauben Sie's
mir, meinen's mit uns ſo gut, wenn wir uns nur
nicht mauſig machen wollen. Lieber Herr van Aſten,
ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob ſie ſich
da oben ſchlagen oder vertragen, und Allianzen
ſchließen oder keine? Thun ſie's, gut; thun ſie's
nicht, für uns iſt's auch gut. Es hat jeder in
ſeinem Hauſe ja genug zu ſorgen. Kinder, laßt
doch den Potentaten das Regieren und kümmert
euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide
geſponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer,
und wer ſein Bischen Grütze im Kopfe hat, der
bringt ſein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns
denn an, wenn die andern Schafe verſaufen!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="138"/>
Sohn, wollte auch immer &#x017F;eine eigenen Wege gehn;<lb/>
nahm was Andere wegwarfen, und warf weg<lb/>
was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern<lb/>
nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van A&#x017F;ten, wir<lb/>
würden alle warm &#x017F;itzen, wenn jeder auf &#x017F;einem<lb/>
Platze bliebe. Ver&#x017F;tehn Sie mich, er &#x017F;oll nicht<lb/>
immer &#x017F;itzen bleiben, er &#x017F;oll auch weiter rut&#x017F;chen,<lb/>
wenn neben ihm ein be&#x017F;&#x017F;erer frei wird. Das findet<lb/>
&#x017F;ich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und<lb/>
Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber<lb/>
er muß nicht ungeduldig werden, nicht &#x017F;pringen<lb/>
wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken<lb/>
&#x017F;ie er&#x017F;t, daß Einer ein unruhiger Kopf i&#x017F;t, der<lb/>
kriegt gleich 'nen &#x017F;chwarzen Strich, und &#x017F;ie pa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihm auf die Finger. Wir könnten's alle &#x017F;o gut<lb/>
haben; denn die großen Herr&#x017F;chaften, glauben Sie's<lb/>
mir, meinen's mit uns &#x017F;o gut, wenn wir uns nur<lb/>
nicht mau&#x017F;ig machen wollen. Lieber Herr van A&#x017F;ten,<lb/>
ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
da oben &#x017F;chlagen oder vertragen, und Allianzen<lb/>
&#x017F;chließen oder keine? Thun &#x017F;ie's, gut; thun &#x017F;ie's<lb/>
nicht, für uns i&#x017F;t's auch gut. Es hat jeder in<lb/>
&#x017F;einem Hau&#x017F;e ja genug zu &#x017F;orgen. Kinder, laßt<lb/>
doch den Potentaten das Regieren und kümmert<lb/>
euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide<lb/>
ge&#x017F;ponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer,<lb/>
und wer &#x017F;ein Bischen Grütze im Kopfe hat, der<lb/>
bringt &#x017F;ein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns<lb/>
denn an, wenn die andern Schafe ver&#x017F;aufen!&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0148] Sohn, wollte auch immer ſeine eigenen Wege gehn; nahm was Andere wegwarfen, und warf weg was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Aſten, wir würden alle warm ſitzen, wenn jeder auf ſeinem Platze bliebe. Verſtehn Sie mich, er ſoll nicht immer ſitzen bleiben, er ſoll auch weiter rutſchen, wenn neben ihm ein beſſerer frei wird. Das findet ſich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber er muß nicht ungeduldig werden, nicht ſpringen wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken ſie erſt, daß Einer ein unruhiger Kopf iſt, der kriegt gleich 'nen ſchwarzen Strich, und ſie paſſen ihm auf die Finger. Wir könnten's alle ſo gut haben; denn die großen Herrſchaften, glauben Sie's mir, meinen's mit uns ſo gut, wenn wir uns nur nicht mauſig machen wollen. Lieber Herr van Aſten, ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob ſie ſich da oben ſchlagen oder vertragen, und Allianzen ſchließen oder keine? Thun ſie's, gut; thun ſie's nicht, für uns iſt's auch gut. Es hat jeder in ſeinem Hauſe ja genug zu ſorgen. Kinder, laßt doch den Potentaten das Regieren und kümmert euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide geſponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer, und wer ſein Bischen Grütze im Kopfe hat, der bringt ſein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns denn an, wenn die andern Schafe verſaufen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/148
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/148>, abgerufen am 26.04.2024.