Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

putzten Menschen drang kein bunter Flimmer über
die Dächer, vom Geräusch kein Ton herauf. Er war
einsam, nur die Krähen schwirrten um die Kiefern.
Kalt die Luft, grau der Himmel, grau war es in ihm.

Es war grau nicht seit heute erst. Mit ge¬
schlossenen Augen verfolgte er ein Schauspiel; die
Träume seiner Jugend gingen an ihm vorüber. Der
Ehrgeiz, der schon in des Knaben Brust gespielt,
wie oft hatte er sie geschwellt, wonach hatte er nicht
die Hand gestreckt! Was war jetzt sein? Wie vieles
davon hatte er, mit männlichem Entschluß, es nie
wieder anzusehen, selbst in die Rumpelkammer ver¬
schlossen. Die Dichterlerche wollte wirbelnd in die
Lüfte steigen; hatte er nicht geträumt von Lorbeer¬
kränzen und seinen Namen an die Säulen geschrieben
gesehen, wo die glänzendsten stehen! Eine Schamröthe
flog über seine Wangen. Dann -- und dann, es waren
Schaumwellen, und er lächelte. Aber er lächelte nicht
mehr bei einem andern Gedanken, seine Hand preßte sich
krampfhaft an die Brust: Und auch das könnte ein Traum
gewesen sein? -- Liebt sie dich denn? -- Er wollte die
Frage, die wie Hammerschläge auf sein Herz pochte,
fortdrängen, was gehörte sie hierher! Er glaubte
sie heut wenigstens überwältigt zu haben; andre Ge¬
danken hatten ihn hergetrieben. Aber wie neckisches
Echo rief sie wieder aus jedem Winkel.

Endlich schwieg das Echo, aber er sann einer
andern Frage nach, und seine Brust hob sich wieder:
War das sträflicher Ehrgeiz, Jugenddünkel? Ist es

putzten Menſchen drang kein bunter Flimmer über
die Dächer, vom Geräuſch kein Ton herauf. Er war
einſam, nur die Krähen ſchwirrten um die Kiefern.
Kalt die Luft, grau der Himmel, grau war es in ihm.

Es war grau nicht ſeit heute erſt. Mit ge¬
ſchloſſenen Augen verfolgte er ein Schauſpiel; die
Träume ſeiner Jugend gingen an ihm vorüber. Der
Ehrgeiz, der ſchon in des Knaben Bruſt geſpielt,
wie oft hatte er ſie geſchwellt, wonach hatte er nicht
die Hand geſtreckt! Was war jetzt ſein? Wie vieles
davon hatte er, mit männlichem Entſchluß, es nie
wieder anzuſehen, ſelbſt in die Rumpelkammer ver¬
ſchloſſen. Die Dichterlerche wollte wirbelnd in die
Lüfte ſteigen; hatte er nicht geträumt von Lorbeer¬
kränzen und ſeinen Namen an die Säulen geſchrieben
geſehen, wo die glänzendſten ſtehen! Eine Schamröthe
flog über ſeine Wangen. Dann — und dann, es waren
Schaumwellen, und er lächelte. Aber er lächelte nicht
mehr bei einem andern Gedanken, ſeine Hand preßte ſich
krampfhaft an die Bruſt: Und auch das könnte ein Traum
geweſen ſein? — Liebt ſie dich denn? — Er wollte die
Frage, die wie Hammerſchläge auf ſein Herz pochte,
fortdrängen, was gehörte ſie hierher! Er glaubte
ſie heut wenigſtens überwältigt zu haben; andre Ge¬
danken hatten ihn hergetrieben. Aber wie neckiſches
Echo rief ſie wieder aus jedem Winkel.

Endlich ſchwieg das Echo, aber er ſann einer
andern Frage nach, und ſeine Bruſt hob ſich wieder:
War das ſträflicher Ehrgeiz, Jugenddünkel? Iſt es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="118"/>
putzten Men&#x017F;chen drang kein bunter Flimmer über<lb/>
die Dächer, vom Geräu&#x017F;ch kein Ton herauf. Er war<lb/>
ein&#x017F;am, nur die Krähen &#x017F;chwirrten um die Kiefern.<lb/>
Kalt die Luft, grau der Himmel, grau war es in ihm.</p><lb/>
        <p>Es war grau nicht &#x017F;eit heute er&#x017F;t. Mit ge¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen verfolgte er ein Schau&#x017F;piel; die<lb/>
Träume &#x017F;einer Jugend gingen an ihm vorüber. Der<lb/>
Ehrgeiz, der &#x017F;chon in des Knaben Bru&#x017F;t ge&#x017F;pielt,<lb/>
wie oft hatte er &#x017F;ie ge&#x017F;chwellt, wonach hatte er nicht<lb/>
die Hand ge&#x017F;treckt! Was war jetzt &#x017F;ein? Wie vieles<lb/>
davon hatte er, mit männlichem Ent&#x017F;chluß, es nie<lb/>
wieder anzu&#x017F;ehen, &#x017F;elb&#x017F;t in die Rumpelkammer ver¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Die Dichterlerche wollte wirbelnd in die<lb/>
Lüfte &#x017F;teigen; hatte er nicht geträumt von Lorbeer¬<lb/>
kränzen und &#x017F;einen Namen an die Säulen ge&#x017F;chrieben<lb/>
ge&#x017F;ehen, wo die glänzend&#x017F;ten &#x017F;tehen! Eine Schamröthe<lb/>
flog über &#x017F;eine Wangen. Dann &#x2014; und dann, es waren<lb/>
Schaumwellen, und er lächelte. Aber er lächelte nicht<lb/>
mehr bei einem andern Gedanken, &#x017F;eine Hand preßte &#x017F;ich<lb/>
krampfhaft an die Bru&#x017F;t: Und auch das könnte ein Traum<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ein? &#x2014; Liebt &#x017F;ie dich denn? &#x2014; Er wollte die<lb/>
Frage, die wie Hammer&#x017F;chläge auf &#x017F;ein Herz pochte,<lb/>
fortdrängen, was gehörte &#x017F;ie hierher! Er glaubte<lb/>
&#x017F;ie heut wenig&#x017F;tens überwältigt zu haben; andre Ge¬<lb/>
danken hatten ihn hergetrieben. Aber wie necki&#x017F;ches<lb/>
Echo rief &#x017F;ie wieder aus jedem Winkel.</p><lb/>
        <p>Endlich &#x017F;chwieg das Echo, aber er &#x017F;ann einer<lb/>
andern Frage nach, und &#x017F;eine Bru&#x017F;t hob &#x017F;ich wieder:<lb/>
War das &#x017F;träflicher Ehrgeiz, Jugenddünkel? I&#x017F;t es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0128] putzten Menſchen drang kein bunter Flimmer über die Dächer, vom Geräuſch kein Ton herauf. Er war einſam, nur die Krähen ſchwirrten um die Kiefern. Kalt die Luft, grau der Himmel, grau war es in ihm. Es war grau nicht ſeit heute erſt. Mit ge¬ ſchloſſenen Augen verfolgte er ein Schauſpiel; die Träume ſeiner Jugend gingen an ihm vorüber. Der Ehrgeiz, der ſchon in des Knaben Bruſt geſpielt, wie oft hatte er ſie geſchwellt, wonach hatte er nicht die Hand geſtreckt! Was war jetzt ſein? Wie vieles davon hatte er, mit männlichem Entſchluß, es nie wieder anzuſehen, ſelbſt in die Rumpelkammer ver¬ ſchloſſen. Die Dichterlerche wollte wirbelnd in die Lüfte ſteigen; hatte er nicht geträumt von Lorbeer¬ kränzen und ſeinen Namen an die Säulen geſchrieben geſehen, wo die glänzendſten ſtehen! Eine Schamröthe flog über ſeine Wangen. Dann — und dann, es waren Schaumwellen, und er lächelte. Aber er lächelte nicht mehr bei einem andern Gedanken, ſeine Hand preßte ſich krampfhaft an die Bruſt: Und auch das könnte ein Traum geweſen ſein? — Liebt ſie dich denn? — Er wollte die Frage, die wie Hammerſchläge auf ſein Herz pochte, fortdrängen, was gehörte ſie hierher! Er glaubte ſie heut wenigſtens überwältigt zu haben; andre Ge¬ danken hatten ihn hergetrieben. Aber wie neckiſches Echo rief ſie wieder aus jedem Winkel. Endlich ſchwieg das Echo, aber er ſann einer andern Frage nach, und ſeine Bruſt hob ſich wieder: War das ſträflicher Ehrgeiz, Jugenddünkel? Iſt es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/128
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/128>, abgerufen am 27.04.2024.