Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Fünffte Buch/
[Spaltenumbruch] Unrein/
verbrandt
melancho-
lisch geblüt
grind/
krätz/ flech-
ten/ jucken
der haut/
frantzosen-
kranckheit
wasser - und
gelbsucht.
kropff-zucker in den Apothecken zubereitet/
ist gut denen/ so ein böß/ unrein/ verbrandt
und melancholisch Geblüt haben/ und mit
dem Grind/ Krätz/ Flechten und Jucken
der Haut geplaget sind. Dienet wider die
Frantzosen-kranckheit/ Wasser-und Gelb-
sucht/ so man darvon nach belieben einer
Mußcat-nuß groß einnimt.

Man pflegt auch mit Branntenwein die
Essentz auß Taubenkropff zu ziehen/ wel-
che denn sehr gut ist in allen oberzehlten
Kranckheiten/ von 10. biß 25. tropffen übers
mahl täglich davon viel tage oder wochen
lang eingenommen.

Bey uns wird das destillierte Tauben-
kropff-wasser denen Kindern sehr nutzlich offt
zu trincken gegeben/ bey welchen die Pocken
Kinds-
blättern.
oder Kinds-blatteren außbrechen; denn es
sie sehr gelind außtreibet.



CAPUT XCI.
[Abbildung] Gemeine Holwurtz. Fumaria bulbo-
sa radice cava.

Namen.

NAch Herren Theodori Tabernaemon-
tani
und Matthioli gründlichem be-
richt/ hat man die Holwurtzel vor die
rechte runde Osterlucey in die Apothecken
fälschlich eingeführet/ welcher Jrrthum/ wie-
wol er von vielen angezeigt/ wird er doch
noch heutiges tags in den Apothecken erhal-
ten/ so doch die Holwurtz gantz und gar kei-
ne gemeinschafft oder einige vergleichnuß mit
der Osterluceyen hat. Es ist aber dieses kraut
mit allen seinen Geschlechtern eine art des
Taubenkropffs: Griechisch heißt es/ [fremdsprachliches Material - 2 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material - 3 Zeichen fehlen] [fremdsprachliches Material - 4 Wörter fehlen]
[fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen]. Lateinisch/ Capnus che-
lidonia, Capnium chelidonium, Capnus phrag-
[Spaltenumbruch] mitis, Fumaria altera, Fumaria bulbosa, Fuma-
ria tuberosa, Aristolochia adulterina, Radix ca-
va.
Jtaliänisch/ Capno chelidonio. Frantzö-
sisch/ Racine creuse, Espece de Fumeterre,
ayant la racine fassonnee en bulbe.
Englisch/
Hollowroote. Dänisch/ Hulroed/ Rood-
hanekam. Niderländisch/ Holwortel.

Geschlecht und Gestalt.

1. Die gemeine Holwurtz/ Fumaria bulbo-
sa radice cava major & minor, C. B. radice cava
flore purpurascente & albo, J. B.
hat eine run-
de wurtzel wie die Erdscheiben/ derer sind
zweyerley Arten/ denn die eine ist inwendig
gar hol/ als wenn sie außgehölt wäre/ und
die andere gar nicht/ haben zimlich viel klei-
ne nebenwürtzlein oder zaseln/ sind auß-
wendig graw/ inwendig dunckel-gelb/ eines
bitteren geschmacks. So bald im Hornung
der schnee abgangen/ und das eiß zerschmol-
tzen ist/ stossen beyde geschlecht ihre dolden
herfür/ im Mäyen folgen hernach runde/
glatte stengel/ die werden einer spannen lang/
mit zerkerfften/ satt-grünen blättern/ breiter
als des Taubenkropffs besetzt/ und verglei-
chen sich fast den blättern der Ackeley oder
Schellwurtz. Am gipffel kommen bald her-
nach die schönen purpur-braune gedrunge-
ne blumen/ an jedem stengel eine/ die ver-
gleichen sich der blumen am Bynsaug oder
Taubenkropff/ und sind im anfang des A-
prillens in voller blüth. Nach der blüth fol-
gen kleine schötlein/ wie die schötlein am En-
tzian/ darinnen ist ein schwartzer/ glatter und
gläntzender samen verschlossen: an einem je-
den sämlein hanget ein weiß würmlein/ da-
mit es an die schötlein angehefftet ist. Jm
Mäyen wird der samen zeitig und fällt auß.
Die blätter verwelcken so bald es donnert/
denn dieses Gewächs den Donner nicht lei-
den kan/ und verlieren sich mit ihren sten-
geln. Die wurtzeln bleiben den Sommer
und Winter über/ biß wider der Frühling
komt/ in der erden verborgen. Man sindet
dieser Kräuter vier Geschlecht/ nur mit den
blättern unterschieden/ denn an einem die
blätter breiter und grösser/ an dem andern
schmäler und tieffer zerschnitten sind/ son-
sten mit den blumen einander gleich/ die
sind schön purpur - oder presilgen-braun/
und werden diese vier Geschlecht für die
Männlein gehalten. Unter diesen hat auch
ein jedes sein Weiblein/ welches seinem
Männlein mit wurtzeln und blättern gleich
ist/ allein daß die blumen nicht purpur-oder
presilgen-braun/ wie am Männlein/ son-
dern schnee-weiß sind/ dadurch sie denn un-
terschieden werden. Alle diese kräuter wach-
sen gern an kühlen orten/ in starckem Erd-
reich/ hinter den zäunen/ an den hecken/
weingärten und zwingern/ neben den Weg-
strassen und etlichen Gebürgen und duncke-
len Wäldern. Es ist wol zu mercken/ daß
dieses Kraut mit der gantzen wurtzel nicht
gefunden wird wo das mit der außgehölten
wurtzel wächßt/ doch werden sie beyde an
obgemelten orten angetroffen/ aber ein jedes
besonder/ als wenn gleichsam diese beyde
Gewächs von Natur einen besondern haß
zusammen trugen.

2. Der andere grosse und kleine Kolben-
wurtzige Taubenkropff mit gantzen und

nicht

Das Fuͤnffte Buch/
[Spaltenumbruch] Unrein/
verbrandt
melancho-
liſch gebluͤt
grind/
kraͤtz/ flech-
ten/ jucken
der haut/
frantzoſen-
kranckheit
waſſer - uñ
gelbſucht.
kropff-zucker in den Apothecken zubereitet/
iſt gut denen/ ſo ein boͤß/ unrein/ verbrandt
und melancholiſch Gebluͤt haben/ und mit
dem Grind/ Kraͤtz/ Flechten und Jucken
der Haut geplaget ſind. Dienet wider die
Frantzoſen-kranckheit/ Waſſer-und Gelb-
ſucht/ ſo man darvon nach belieben einer
Mußcat-nuß groß einnimt.

Man pflegt auch mit Branntenwein die
Eſſentz auß Taubenkropff zu ziehen/ wel-
che denn ſehr gut iſt in allen oberzehlten
Kranckheiten/ von 10. biß 25. tropffen uͤbers
mahl taͤglich davon viel tage oder wochen
lang eingenommen.

Bey uns wird das deſtillierte Tauben-
kropff-waſſer denen Kindern ſehr nutzlich offt
zu trincken gegeben/ bey welchen die Pocken
Kinds-
blaͤttern.
oder Kinds-blatteren außbrechen; denn es
ſie ſehr gelind außtreibet.



CAPUT XCI.
[Abbildung] Gemeine Holwurtz. Fumaria bulbo-
ſa radice cavâ.

Namen.

NAch Herꝛen Theodori Tabernæmon-
tani
und Matthioli gruͤndlichem be-
richt/ hat man die Holwurtzel vor die
rechte runde Oſterlucey in die Apothecken
faͤlſchlich eingefuͤhret/ welcher Jrꝛthum/ wie-
wol er von vielen angezeigt/ wird er doch
noch heutiges tags in den Apothecken erhal-
ten/ ſo doch die Holwurtz gantz und gar kei-
ne gemeinſchafft oder einige vergleichnuß mit
der Oſterluceyen hat. Es iſt aber dieſes kraut
mit allen ſeinen Geſchlechtern eine art des
Taubenkropffs: Griechiſch heißt es/ [fremdsprachliches Material – 2 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material – 3 Zeichen fehlen] [fremdsprachliches Material – 4 Wörter fehlen]
[fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen]. Lateiniſch/ Capnus che-
lidonia, Capnium chelidonium, Capnus phrag-
[Spaltenumbruch] mitis, Fumaria altera, Fumaria bulboſa, Fuma-
ria tuberoſa, Ariſtolochia adulterina, Radix ca-
va.
Jtaliaͤniſch/ Capno chelidonio. Frantzoͤ-
ſiſch/ Racine creuſe, Eſpece de Fumeterre,
ayant la racine faſſonnée en bulbe.
Engliſch/
Hollowroote. Daͤniſch/ Hulroed/ Rood-
hanekam. Niderlaͤndiſch/ Holwortel.

Geſchlecht und Geſtalt.

1. Die gemeine Holwurtz/ Fumaria bulbo-
ſa radice cavâ major & minor, C. B. radice cavâ
flore purpuraſcente & albo, J. B.
hat eine run-
de wurtzel wie die Erdſcheiben/ derer ſind
zweyerley Arten/ denn die eine iſt inwendig
gar hol/ als wenn ſie außgehoͤlt waͤre/ und
die andere gar nicht/ haben zimlich viel klei-
ne nebenwuͤrtzlein oder zaſeln/ ſind auß-
wendig graw/ inwendig dunckel-gelb/ eines
bitteren geſchmacks. So bald im Hornung
der ſchnee abgangen/ und das eiß zerſchmol-
tzen iſt/ ſtoſſen beyde geſchlecht ihre dolden
herfuͤr/ im Maͤyen folgen hernach runde/
glatte ſtengel/ die werden einer ſpannen lang/
mit zerkerfften/ ſatt-gruͤnen blaͤttern/ breiter
als des Taubenkropffs beſetzt/ und verglei-
chen ſich faſt den blaͤttern der Ackeley oder
Schellwurtz. Am gipffel kommen bald her-
nach die ſchoͤnen purpur-braune gedrunge-
ne blumen/ an jedem ſtengel eine/ die ver-
gleichen ſich der blumen am Bynsaug oder
Taubenkropff/ und ſind im anfang des A-
prillens in voller bluͤth. Nach der bluͤth fol-
gen kleine ſchoͤtlein/ wie die ſchoͤtlein am En-
tzian/ darinnen iſt ein ſchwartzer/ glatter und
glaͤntzender ſamen verſchloſſen: an einem je-
den ſaͤmlein hanget ein weiß wuͤrmlein/ da-
mit es an die ſchoͤtlein angehefftet iſt. Jm
Maͤyen wird der ſamen zeitig und faͤllt auß.
Die blaͤtter verwelcken ſo bald es donnert/
denn dieſes Gewaͤchs den Donner nicht lei-
den kan/ und verlieren ſich mit ihren ſten-
geln. Die wurtzeln bleiben den Sommer
und Winter uͤber/ biß wider der Fruͤhling
komt/ in der erden verborgen. Man ſindet
dieſer Kraͤuter vier Geſchlecht/ nur mit den
blaͤttern unterſchieden/ denn an einem die
blaͤtter breiter und groͤſſer/ an dem andern
ſchmaͤler und tieffer zerſchnitten ſind/ ſon-
ſten mit den blumen einander gleich/ die
ſind ſchoͤn purpur - oder preſilgen-braun/
und werden dieſe vier Geſchlecht fuͤr die
Maͤnnlein gehalten. Unter dieſen hat auch
ein jedes ſein Weiblein/ welches ſeinem
Maͤnnlein mit wurtzeln und blaͤttern gleich
iſt/ allein daß die blumen nicht purpur-oder
preſilgen-braun/ wie am Maͤnnlein/ ſon-
dern ſchnee-weiß ſind/ dadurch ſie denn un-
terſchieden werden. Alle dieſe kraͤuter wach-
ſen gern an kuͤhlen orten/ in ſtarckem Erd-
reich/ hinter den zaͤunen/ an den hecken/
weingaͤrten und zwingern/ neben den Weg-
ſtraſſen und etlichen Gebuͤrgen und duncke-
len Waͤldern. Es iſt wol zu mercken/ daß
dieſes Kraut mit der gantzen wurtzel nicht
gefunden wird wo das mit der außgehoͤlten
wurtzel waͤchßt/ doch werden ſie beyde an
obgemelten orten angetroffen/ aber ein jedes
beſonder/ als wenn gleichſam dieſe beyde
Gewaͤchs von Natur einen beſondern haß
zuſammen trugen.

2. Der andere groſſe und kleine Kolben-
wurtzige Taubenkropff mit gantzen und

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0956" n="940"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Fu&#x0364;nffte Buch/</hi></fw><lb/><cb/><note place="left">Unrein/<lb/>
verbrandt<lb/>
melancho-<lb/>
li&#x017F;ch geblu&#x0364;t<lb/>
grind/<lb/>
kra&#x0364;tz/ flech-<lb/>
ten/ jucken<lb/>
der haut/<lb/>
frantzo&#x017F;en-<lb/>
kranckheit<lb/>
wa&#x017F;&#x017F;er - uñ<lb/>
gelb&#x017F;ucht.</note>kropff-zucker in den Apothecken zubereitet/<lb/>
i&#x017F;t gut denen/ &#x017F;o ein bo&#x0364;ß/ unrein/ verbrandt<lb/>
und melancholi&#x017F;ch Geblu&#x0364;t haben/ und mit<lb/>
dem Grind/ Kra&#x0364;tz/ Flechten und Jucken<lb/>
der Haut geplaget &#x017F;ind. Dienet wider die<lb/>
Frantzo&#x017F;en-kranckheit/ Wa&#x017F;&#x017F;er-und Gelb-<lb/>
&#x017F;ucht/ &#x017F;o man darvon nach belieben einer<lb/>
Mußcat-nuß groß einnimt.</p><lb/>
            <p>Man pflegt auch mit Branntenwein die<lb/>
E&#x017F;&#x017F;entz auß Taubenkropff zu ziehen/ wel-<lb/>
che denn &#x017F;ehr gut i&#x017F;t in allen oberzehlten<lb/>
Kranckheiten/ von 10. biß 25. tropffen u&#x0364;bers<lb/>
mahl ta&#x0364;glich davon viel tage oder wochen<lb/>
lang eingenommen.</p><lb/>
            <p>Bey uns wird das de&#x017F;tillierte Tauben-<lb/>
kropff-wa&#x017F;&#x017F;er denen Kindern &#x017F;ehr nutzlich offt<lb/>
zu trincken gegeben/ bey welchen die Pocken<lb/><note place="left">Kinds-<lb/>
bla&#x0364;ttern.</note>oder Kinds-blatteren außbrechen; denn es<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ehr gelind außtreibet.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CAPUT XCI</hi>.</hi> </head><lb/>
          <figure>
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Gemeine Holwurtz.</hi> <hi rendition="#aq">Fumaria bulbo-<lb/>
&#x017F;a radice cavâ.</hi> </hi> </head><lb/>
          </figure>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Namen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">N</hi>Ach Her&#xA75B;en <hi rendition="#aq">Theodori Tabernæmon-<lb/>
tani</hi> und <hi rendition="#aq">Matthioli</hi> gru&#x0364;ndlichem be-<lb/>
richt/ hat man die Holwurtzel vor die<lb/>
rechte runde O&#x017F;terlucey in die Apothecken<lb/>
fa&#x0364;l&#x017F;chlich eingefu&#x0364;hret/ welcher Jr&#xA75B;thum/ wie-<lb/>
wol er von vielen angezeigt/ wird er doch<lb/>
noch heutiges tags in den Apothecken erhal-<lb/>
ten/ &#x017F;o doch die Holwurtz gantz und gar kei-<lb/>
ne gemein&#x017F;chafft oder einige vergleichnuß mit<lb/>
der O&#x017F;terluceyen hat. Es i&#x017F;t aber die&#x017F;es kraut<lb/>
mit allen &#x017F;einen Ge&#x017F;chlechtern eine art des<lb/>
Taubenkropffs: Griechi&#x017F;ch heißt es/ <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars" quantity="2"/></foreign>-<lb/><foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars" quantity="3"/></foreign> <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="words" quantity="4"/></foreign><lb/><foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="words" quantity="2"/></foreign>. Lateini&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Capnus che-<lb/>
lidonia, Capnium chelidonium, Capnus phrag-<lb/><cb/>
mitis, Fumaria altera, Fumaria bulbo&#x017F;a, Fuma-<lb/>
ria tubero&#x017F;a, Ari&#x017F;tolochia adulterina, Radix ca-<lb/>
va.</hi> Jtalia&#x0364;ni&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Capno chelidonio.</hi> Frantzo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Racine creu&#x017F;e, E&#x017F;pece de Fumeterre,<lb/>
ayant la racine fa&#x017F;&#x017F;onnée en bulbe.</hi> Engli&#x017F;ch/<lb/>
Hollowroote. Da&#x0364;ni&#x017F;ch/ Hulroed/ Rood-<lb/>
hanekam. Niderla&#x0364;ndi&#x017F;ch/ Holwortel.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chlecht und Ge&#x017F;talt.</hi> </head><lb/>
            <p>1. Die gemeine Holwurtz/ <hi rendition="#aq">Fumaria bulbo-<lb/>
&#x017F;a radice cavâ major &amp; minor, <hi rendition="#i">C. B.</hi> radice cavâ<lb/>
flore purpura&#x017F;cente &amp; albo, <hi rendition="#i">J. B.</hi></hi> hat eine run-<lb/>
de wurtzel wie die Erd&#x017F;cheiben/ derer &#x017F;ind<lb/>
zweyerley Arten/ denn die eine i&#x017F;t inwendig<lb/>
gar hol/ als wenn &#x017F;ie außgeho&#x0364;lt wa&#x0364;re/ und<lb/>
die andere gar nicht/ haben zimlich viel klei-<lb/>
ne nebenwu&#x0364;rtzlein oder za&#x017F;eln/ &#x017F;ind auß-<lb/>
wendig graw/ inwendig dunckel-gelb/ eines<lb/>
bitteren ge&#x017F;chmacks. So bald im Hornung<lb/>
der &#x017F;chnee abgangen/ und das eiß zer&#x017F;chmol-<lb/>
tzen i&#x017F;t/ &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en beyde ge&#x017F;chlecht ihre dolden<lb/>
herfu&#x0364;r/ im Ma&#x0364;yen folgen hernach runde/<lb/>
glatte &#x017F;tengel/ die werden einer &#x017F;pannen lang/<lb/>
mit zerkerfften/ &#x017F;att-gru&#x0364;nen bla&#x0364;ttern/ breiter<lb/>
als des Taubenkropffs be&#x017F;etzt/ und verglei-<lb/>
chen &#x017F;ich fa&#x017F;t den bla&#x0364;ttern der Ackeley oder<lb/>
Schellwurtz. Am gipffel kommen bald her-<lb/>
nach die &#x017F;cho&#x0364;nen purpur-braune gedrunge-<lb/>
ne blumen/ an jedem &#x017F;tengel eine/ die ver-<lb/>
gleichen &#x017F;ich der blumen am Bynsaug oder<lb/>
Taubenkropff/ und &#x017F;ind im anfang des A-<lb/>
prillens in voller blu&#x0364;th. Nach der blu&#x0364;th fol-<lb/>
gen kleine &#x017F;cho&#x0364;tlein/ wie die &#x017F;cho&#x0364;tlein am En-<lb/>
tzian/ darinnen i&#x017F;t ein &#x017F;chwartzer/ glatter und<lb/>
gla&#x0364;ntzender &#x017F;amen ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en: an einem je-<lb/>
den &#x017F;a&#x0364;mlein hanget ein weiß wu&#x0364;rmlein/ da-<lb/>
mit es an die &#x017F;cho&#x0364;tlein angehefftet i&#x017F;t. Jm<lb/>
Ma&#x0364;yen wird der &#x017F;amen zeitig und fa&#x0364;llt auß.<lb/>
Die bla&#x0364;tter verwelcken &#x017F;o bald es donnert/<lb/>
denn die&#x017F;es Gewa&#x0364;chs den Donner nicht lei-<lb/>
den kan/ und verlieren &#x017F;ich mit ihren &#x017F;ten-<lb/>
geln. Die wurtzeln bleiben den Sommer<lb/>
und Winter u&#x0364;ber/ biß wider der Fru&#x0364;hling<lb/>
komt/ in der erden verborgen. Man &#x017F;indet<lb/>
die&#x017F;er Kra&#x0364;uter vier Ge&#x017F;chlecht/ nur mit den<lb/>
bla&#x0364;ttern unter&#x017F;chieden/ denn an einem die<lb/>
bla&#x0364;tter breiter und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er/ an dem andern<lb/>
&#x017F;chma&#x0364;ler und tieffer zer&#x017F;chnitten &#x017F;ind/ &#x017F;on-<lb/>
&#x017F;ten mit den blumen einander gleich/ die<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;cho&#x0364;n purpur - oder pre&#x017F;ilgen-braun/<lb/>
und werden die&#x017F;e vier Ge&#x017F;chlecht fu&#x0364;r die<lb/>
Ma&#x0364;nnlein gehalten. Unter die&#x017F;en hat auch<lb/>
ein jedes &#x017F;ein Weiblein/ welches &#x017F;einem<lb/>
Ma&#x0364;nnlein mit wurtzeln und bla&#x0364;ttern gleich<lb/>
i&#x017F;t/ allein daß die blumen nicht purpur-oder<lb/>
pre&#x017F;ilgen-braun/ wie am Ma&#x0364;nnlein/ &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;chnee-weiß &#x017F;ind/ dadurch &#x017F;ie denn un-<lb/>
ter&#x017F;chieden werden. Alle die&#x017F;e kra&#x0364;uter wach-<lb/>
&#x017F;en gern an ku&#x0364;hlen orten/ in &#x017F;tarckem Erd-<lb/>
reich/ hinter den za&#x0364;unen/ an den hecken/<lb/>
weinga&#x0364;rten und zwingern/ neben den Weg-<lb/>
&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;en und etlichen Gebu&#x0364;rgen und duncke-<lb/>
len Wa&#x0364;ldern. Es i&#x017F;t wol zu mercken/ daß<lb/>
die&#x017F;es Kraut mit der gantzen wurtzel nicht<lb/>
gefunden wird wo das mit der außgeho&#x0364;lten<lb/>
wurtzel wa&#x0364;chßt/ doch werden &#x017F;ie beyde an<lb/>
obgemelten orten angetroffen/ aber ein jedes<lb/>
be&#x017F;onder/ als wenn gleich&#x017F;am die&#x017F;e beyde<lb/>
Gewa&#x0364;chs von Natur einen be&#x017F;ondern haß<lb/>
zu&#x017F;ammen trugen.</p><lb/>
            <p>2. Der andere gro&#x017F;&#x017F;e und kleine Kolben-<lb/>
wurtzige Taubenkropff mit gantzen und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[940/0956] Das Fuͤnffte Buch/ kropff-zucker in den Apothecken zubereitet/ iſt gut denen/ ſo ein boͤß/ unrein/ verbrandt und melancholiſch Gebluͤt haben/ und mit dem Grind/ Kraͤtz/ Flechten und Jucken der Haut geplaget ſind. Dienet wider die Frantzoſen-kranckheit/ Waſſer-und Gelb- ſucht/ ſo man darvon nach belieben einer Mußcat-nuß groß einnimt. Unrein/ verbrandt melancho- liſch gebluͤt grind/ kraͤtz/ flech- ten/ jucken der haut/ frantzoſen- kranckheit waſſer - uñ gelbſucht. Man pflegt auch mit Branntenwein die Eſſentz auß Taubenkropff zu ziehen/ wel- che denn ſehr gut iſt in allen oberzehlten Kranckheiten/ von 10. biß 25. tropffen uͤbers mahl taͤglich davon viel tage oder wochen lang eingenommen. Bey uns wird das deſtillierte Tauben- kropff-waſſer denen Kindern ſehr nutzlich offt zu trincken gegeben/ bey welchen die Pocken oder Kinds-blatteren außbrechen; denn es ſie ſehr gelind außtreibet. Kinds- blaͤttern. CAPUT XCI. [Abbildung Gemeine Holwurtz. Fumaria bulbo- ſa radice cavâ. ] Namen. NAch Herꝛen Theodori Tabernæmon- tani und Matthioli gruͤndlichem be- richt/ hat man die Holwurtzel vor die rechte runde Oſterlucey in die Apothecken faͤlſchlich eingefuͤhret/ welcher Jrꝛthum/ wie- wol er von vielen angezeigt/ wird er doch noch heutiges tags in den Apothecken erhal- ten/ ſo doch die Holwurtz gantz und gar kei- ne gemeinſchafft oder einige vergleichnuß mit der Oſterluceyen hat. Es iſt aber dieſes kraut mit allen ſeinen Geſchlechtern eine art des Taubenkropffs: Griechiſch heißt es/ __- ___ ____ __. Lateiniſch/ Capnus che- lidonia, Capnium chelidonium, Capnus phrag- mitis, Fumaria altera, Fumaria bulboſa, Fuma- ria tuberoſa, Ariſtolochia adulterina, Radix ca- va. Jtaliaͤniſch/ Capno chelidonio. Frantzoͤ- ſiſch/ Racine creuſe, Eſpece de Fumeterre, ayant la racine faſſonnée en bulbe. Engliſch/ Hollowroote. Daͤniſch/ Hulroed/ Rood- hanekam. Niderlaͤndiſch/ Holwortel. Geſchlecht und Geſtalt. 1. Die gemeine Holwurtz/ Fumaria bulbo- ſa radice cavâ major & minor, C. B. radice cavâ flore purpuraſcente & albo, J. B. hat eine run- de wurtzel wie die Erdſcheiben/ derer ſind zweyerley Arten/ denn die eine iſt inwendig gar hol/ als wenn ſie außgehoͤlt waͤre/ und die andere gar nicht/ haben zimlich viel klei- ne nebenwuͤrtzlein oder zaſeln/ ſind auß- wendig graw/ inwendig dunckel-gelb/ eines bitteren geſchmacks. So bald im Hornung der ſchnee abgangen/ und das eiß zerſchmol- tzen iſt/ ſtoſſen beyde geſchlecht ihre dolden herfuͤr/ im Maͤyen folgen hernach runde/ glatte ſtengel/ die werden einer ſpannen lang/ mit zerkerfften/ ſatt-gruͤnen blaͤttern/ breiter als des Taubenkropffs beſetzt/ und verglei- chen ſich faſt den blaͤttern der Ackeley oder Schellwurtz. Am gipffel kommen bald her- nach die ſchoͤnen purpur-braune gedrunge- ne blumen/ an jedem ſtengel eine/ die ver- gleichen ſich der blumen am Bynsaug oder Taubenkropff/ und ſind im anfang des A- prillens in voller bluͤth. Nach der bluͤth fol- gen kleine ſchoͤtlein/ wie die ſchoͤtlein am En- tzian/ darinnen iſt ein ſchwartzer/ glatter und glaͤntzender ſamen verſchloſſen: an einem je- den ſaͤmlein hanget ein weiß wuͤrmlein/ da- mit es an die ſchoͤtlein angehefftet iſt. Jm Maͤyen wird der ſamen zeitig und faͤllt auß. Die blaͤtter verwelcken ſo bald es donnert/ denn dieſes Gewaͤchs den Donner nicht lei- den kan/ und verlieren ſich mit ihren ſten- geln. Die wurtzeln bleiben den Sommer und Winter uͤber/ biß wider der Fruͤhling komt/ in der erden verborgen. Man ſindet dieſer Kraͤuter vier Geſchlecht/ nur mit den blaͤttern unterſchieden/ denn an einem die blaͤtter breiter und groͤſſer/ an dem andern ſchmaͤler und tieffer zerſchnitten ſind/ ſon- ſten mit den blumen einander gleich/ die ſind ſchoͤn purpur - oder preſilgen-braun/ und werden dieſe vier Geſchlecht fuͤr die Maͤnnlein gehalten. Unter dieſen hat auch ein jedes ſein Weiblein/ welches ſeinem Maͤnnlein mit wurtzeln und blaͤttern gleich iſt/ allein daß die blumen nicht purpur-oder preſilgen-braun/ wie am Maͤnnlein/ ſon- dern ſchnee-weiß ſind/ dadurch ſie denn un- terſchieden werden. Alle dieſe kraͤuter wach- ſen gern an kuͤhlen orten/ in ſtarckem Erd- reich/ hinter den zaͤunen/ an den hecken/ weingaͤrten und zwingern/ neben den Weg- ſtraſſen und etlichen Gebuͤrgen und duncke- len Waͤldern. Es iſt wol zu mercken/ daß dieſes Kraut mit der gantzen wurtzel nicht gefunden wird wo das mit der außgehoͤlten wurtzel waͤchßt/ doch werden ſie beyde an obgemelten orten angetroffen/ aber ein jedes beſonder/ als wenn gleichſam dieſe beyde Gewaͤchs von Natur einen beſondern haß zuſammen trugen. 2. Der andere groſſe und kleine Kolben- wurtzige Taubenkropff mit gantzen und nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/956
Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 940. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/956>, abgerufen am 21.12.2024.