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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

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Von den Kräuteren.
[Spaltenumbruch] Zwischen den blätteren wächßt der same an
den stengeln in außgebreiteten purpurbrau-
nen hülßlein/ welcher/ so man ihne außreibet/
ist er weiß/ und dem Hirß nicht ungleich je-
doch kleiner/ sie wächßt etwan drey elen
hoch/ und werden die Stengel und Wurtzeln
bißweilen röthlicht.

3. Die Heiter-nessel/ Urtica urens minor,
C. B. minor annua, J. B.
Jst am stengel und
blätteren kleiner alß die vorige/ sie wächßt
selten drey spannen hoch/ der stengel wird
rund/ die Wurtzel ist kurtz/ die blätter sind
schmäler. Sie wird billich Sommer-nessel
genannt/ denn sie kan die kälte nicht leiden/
und muß sich jährlich vom außgefallenen
samen erjüngeren/ so grösser ist alß in der vo-
rigen. Beyde wachsen hinder den zäunen/
bey den alten Mauren und anderen ungebau-
ten orten.

4. Die stachlichte Nessel mit gekerbten
blätteren/ Urtica aculeata foliis serratis, C. B.
Wächßt bey uns auff den Felderen.

5. Die Römische Nessel mit St. Peters-
kraut-blätteren/ Urtica Romana s. Pilulifera
altera Parietariae foliis, Hort. Paris.

Es ist nicht ohn/ daß man gemeiniglich
darfür hält/ die brennende krafft der Nes-
seln komme von einem sale caustico, oder
brennenden Saltz her/ welches von Helmon-
tio sal urticale,
Nessel-saltz genennet wird.
Aber Fridericus Hoffmannus, Clave pharma-
ceutica Schroederiana p. m.
367. berichtet/ so
man die Natur und Eigenschafft der Nesseln
recht betrachte/ befinde sich die sach anders.
Offenbahr ist/ daß von fürtrefflichen Medi-
cis
die Nesseln wider die Brust- und Lungen-
kranckheiten/ in welchen man alle scharffe
und brennende Artzneyen verbietet/ gelobet
werden. Ferners sihet man durch das Mi-
croscopium,
an der gantzen Nesseln kleine
dörnlein/ wie ein drey-spitzige Nadel gestal-
tet/ welche so man sie anrühret/ an der Haut
solches jucken verursachen. Dominicus Cha-
braeus in Append. Sciagraph. stirp. p.
649. und
vor ihme Rembertus Dodonaeus pemptad. 1.
stirp. histor. l. 5. cap.
35. vermeinen/ daß die Nes-
sel brenne/ verursache ein rauche wollen/ die
als ein Angel steche/ dahero dieses kraut nicht
von sich selbsten/ sonderen mit den angeln
ein hitzige Geschwulst an der Haut erwecke/
derohalben so man die Nesseln zerstosse oder
koche/ brenne sie nicht mehr/ weilen dar-
durch diese rauche Wollen ihre krafft verlie-
re. Andere schreiben die brennende krafft der
Nesseln nicht den nadeln oder angeln zu/ son-
dern vielmehr einem durchscheinenden safft/
mit welchem diese Dörnlein umgeben sind/
solcher safft werde auch durch das Microsco-
pium
an den Nessel-blumen gesehen/ so man
nun ihn außtrucke/ lasse sich das Kraut ohn
einige ungelegenheit anrühren.

Eigenschafft.

Die Nessel ist warm und trocken im drit-
ten grad. Führet ein alkalisch-miltes saltz bey
sich/ und hat davon die Eigenschafft zu er-
öffnen/ zu zertheilen/ das Geblüt zu reini-
gen/ zu säuberen/ zu heilen/ durch den Harn
zu reinigen/ und den Stein zu treiben.

Gebrauch.

Wol-vorgemelter Herr Fridericus Hoff-
[Spaltenumbruch] mannus
vermeldet ferners/ man solle an St.
Mariae Magdalenae Tag/ wenn die Sonn
in den Löwen geht/ morgens früh/ den von
dem Thau noch angefeuchteten Nessel-samen
samlen/ und ihne an dem Schatten trocknen.
Alßdenn nim von diesem samen sechs loth/
gedörret zartes Eychen-laub oder blätter und
Süßholtz/ jedes vier loth/ stosse alles zu ei-
nem reinen Pulver/ und thue darzu Zucker/
so viel zur Lieblichkeit nothwendig ist: von
diesem Pulver gebrauche alle Wochen/ in-
sonderheit aber in dem Neu- und Vollmond/
ein halb oder gantzes quintl. Diese ArtzneyStein.
treibet den Stein wie Sand fort.

Die grosse Nessel-wurtz hat ein sondere
krafft/ den Menschen vor dem Stein zu be-
wahren/ so man sie dörret/ zu Pulver stos-
set/ und dessen ein halb oder gantzes quintl.
einnimmet.

So man die grosse Nessel-wurtz in Wein
siedet/ und alßdenn Zucker darzu thut/ ist
dieser Tranck dienlich wider den Husten undHusten/
Engbrü-
stigkeit.

Engbrüstigkeit/ welche von einem dicken oder
zähen Schleim herkommet.

Auß dem Nessel-samen bereitet D. Hoff-
mannus in Thesauro pharmaceut. sect. 1. num.

8. ein wasser für die Schweinung der Gli-Schwei-
nung der
äusserlichen
Glieder.

dern also: Nim des kleinen oder Heyter-
nessel-samen 12. loth/ Heydenreich oder wild
Meerrettich 6. loth/ Aron-wurtzel/ langen
Pfeffer jedes 48. loth/ schütte darüber Mal-
vasier/ Rheinischen oder anderen starcken
Wein/ laß es 14. Tag stehen/ schüttle es alle
Tag zwey oder dreymal auff/ hernach de-
stilliere es in einem Alembico oder Helm/
und behalte es. Jn diesem Wasser soll man
ein Tuch netzen/ und alle Tag zwey oder
dreymal das schweinende Glied darmit
starck anreiben.

Die Wurtzel der Nesseln gewaschen/ und
mit ein wenig Saffran wol gestossen/ dar-
nach den Safft mit einem weissen Wein da-
rauß gedruckt/ davon ein paar löffelvoll et-
liche tag nach einander eingenommen/ und
darauff geschwitzt/ ist dienlich in der lang-
wärenden Gelbsucht.

Gelbsucht.

Honoratus Castellanus ein berühmter Me-
dicus
in Franckreich hat befohlen/ zu ver-
hütung des Grieß und Steins/ vom Früh-
ling biß auff den Mäyen/ die zarten Schöß-
ling der Nessel zu sieden/ und darvon zu
trincken.

Joachimus Camerarius in Horto medico p.
m.
183. berichtet/ daß zu seiner Zeit der für-
nehmste Medicus zu Pariß/ den zu pulver
gestossenen Nessel-samen/ in dem Violen-
oder einem andern Brust-syrup/ wider denSeiten-
stich/ brust-
geschwär.

Seiten-stich und Brust-geschwär gebraucht
habe.

Prosper Alpinus in libro de plantis AEgypti
cap.
42. meldet/ daß die Weiber zu Alexan-
dria in Egypten wider die Verstopffung derVerstopf-
fung
der mo-
natlichen
reinigung.

monatlichen Reinigung/ sich des Nessel-sa-
mens nutzlich bedienen/ sie kochen ihn mit
Myrrha/ und lassen den Dampff zu sich.

Wider allerley offene böse Schäden/ soOffene bö-
se und um
sich fressen-
de schäden.

umb sich fressen: Nim die oberen schößlein
von den Nesseln/ weil sie Blumen und Sa-
men tragen/ darnach drucke es durch ein
Tuch/ so gehet ein grüne feuchtigkeit da-
rauß/ damit bestreiche den Schaden.

So
A a a a a a

Von den Kraͤuteren.
[Spaltenumbruch] Zwiſchen den blaͤtteren waͤchßt der ſame an
den ſtengeln in außgebreiteten purpurbrau-
nen huͤlßlein/ welcher/ ſo man ihne außreibet/
iſt er weiß/ und dem Hirß nicht ungleich je-
doch kleiner/ ſie waͤchßt etwan drey elen
hoch/ und werden die Stengel und Wurtzeln
bißweilen roͤthlicht.

3. Die Heiter-neſſel/ Urtica urens minor,
C. B. minor annua, J. B.
Jſt am ſtengel und
blaͤtteren kleiner alß die vorige/ ſie waͤchßt
ſelten drey ſpannen hoch/ der ſtengel wird
rund/ die Wurtzel iſt kurtz/ die blaͤtter ſind
ſchmaͤler. Sie wird billich Sommer-neſſel
genannt/ denn ſie kan die kaͤlte nicht leiden/
und muß ſich jaͤhrlich vom außgefallenen
ſamen erjuͤngeren/ ſo groͤſſer iſt alß in der vo-
rigen. Beyde wachſen hinder den zaͤunen/
bey den alten Mauren und anderen ungebau-
ten orten.

4. Die ſtachlichte Neſſel mit gekerbten
blaͤtteren/ Urtica aculeata foliis ſerratis, C. B.
Waͤchßt bey uns auff den Felderen.

5. Die Roͤmiſche Neſſel mit St. Peters-
kraut-blaͤtteren/ Urtica Romana ſ. Pilulifera
altera Parietariæ foliis, Hort. Paris.

Es iſt nicht ohn/ daß man gemeiniglich
darfuͤr haͤlt/ die brennende krafft der Neſ-
ſeln komme von einem ſale cauſtico, oder
brennenden Saltz her/ welches von Helmon-
tio ſal urticale,
Neſſel-ſaltz genennet wird.
Aber Fridericus Hoffmannus, Clave pharma-
ceutica Schrœderiana p. m.
367. berichtet/ ſo
man die Natur und Eigenſchafft der Neſſeln
recht betrachte/ befinde ſich die ſach anders.
Offenbahr iſt/ daß von fuͤrtrefflichen Medi-
cis
die Neſſeln wider die Bruſt- und Lungen-
kranckheiten/ in welchen man alle ſcharffe
und brennende Artzneyen verbietet/ gelobet
werden. Ferners ſihet man durch das Mi-
croſcopium,
an der gantzen Neſſeln kleine
doͤrnlein/ wie ein drey-ſpitzige Nadel geſtal-
tet/ welche ſo man ſie anruͤhret/ an der Haut
ſolches jucken verurſachen. Dominicus Cha-
bræus in Append. Sciagraph. ſtirp. p.
649. und
vor ihme Rembertus Dodonæus pemptad. 1.
ſtirp. hiſtor. l. 5. cap.
35. vermeinen/ daß die Neſ-
ſel brenne/ verurſache ein rauche wollen/ die
als ein Angel ſteche/ dahero dieſes kraut nicht
von ſich ſelbſten/ ſonderen mit den angeln
ein hitzige Geſchwulſt an der Haut erwecke/
derohalben ſo man die Neſſeln zerſtoſſe oder
koche/ brenne ſie nicht mehr/ weilen dar-
durch dieſe rauche Wollen ihre krafft verlie-
re. Andere ſchreiben die brennende krafft der
Neſſeln nicht den nadeln oder angeln zu/ ſon-
dern vielmehr einem durchſcheinenden ſafft/
mit welchem dieſe Doͤrnlein umgeben ſind/
ſolcher ſafft werde auch durch das Microſco-
pium
an den Neſſel-blumen geſehen/ ſo man
nun ihn außtrucke/ laſſe ſich das Kraut ohn
einige ungelegenheit anruͤhren.

Eigenſchafft.

Die Neſſel iſt warm und trocken im drit-
ten grad. Fuͤhret ein alkaliſch-miltes ſaltz bey
ſich/ und hat davon die Eigenſchafft zu er-
oͤffnen/ zu zertheilen/ das Gebluͤt zu reini-
gen/ zu ſaͤuberen/ zu heilen/ durch den Harn
zu reinigen/ und den Stein zu treiben.

Gebrauch.

Wol-vorgemelter Herꝛ Fridericus Hoff-
[Spaltenumbruch] mannus
vermeldet ferners/ man ſolle an St.
Mariæ Magdalenæ Tag/ wenn die Sonn
in den Loͤwen geht/ morgens fruͤh/ den von
dem Thau noch angefeuchteten Neſſel-ſamen
ſamlen/ und ihne an dem Schatten trocknen.
Alßdenn nim von dieſem ſamen ſechs loth/
gedoͤrꝛet zartes Eychen-laub oder blaͤtter und
Suͤßholtz/ jedes vier loth/ ſtoſſe alles zu ei-
nem reinen Pulver/ und thue darzu Zucker/
ſo viel zur Lieblichkeit nothwendig iſt: von
dieſem Pulver gebrauche alle Wochen/ in-
ſonderheit aber in dem Neu- und Vollmond/
ein halb oder gantzes quintl. Dieſe ArtzneyStein.
treibet den Stein wie Sand fort.

Die groſſe Neſſel-wurtz hat ein ſondere
krafft/ den Menſchen vor dem Stein zu be-
wahren/ ſo man ſie doͤrꝛet/ zu Pulver ſtoſ-
ſet/ und deſſen ein halb oder gantzes quintl.
einnimmet.

So man die groſſe Neſſel-wurtz in Wein
ſiedet/ und alßdenn Zucker darzu thut/ iſt
dieſer Tranck dienlich wider den Huſten undHuſten/
Engbruͤ-
ſtigkeit.

Engbruͤſtigkeit/ welche von einem dicken oder
zaͤhen Schleim herkommet.

Auß dem Neſſel-ſamen bereitet D. Hoff-
mannus in Theſauro pharmaceut. ſect. 1. num.

8. ein waſſer fuͤr die Schweinung der Gli-Schwei-
nung der
aͤuſſerlichẽ
Glieder.

dern alſo: Nim des kleinen oder Heyter-
neſſel-ſamen 12. loth/ Heydenreich oder wild
Meerꝛettich 6. loth/ Aron-wurtzel/ langen
Pfeffer jedes 48. loth/ ſchuͤtte daruͤber Mal-
vaſier/ Rheiniſchen oder anderen ſtarcken
Wein/ laß es 14. Tag ſtehen/ ſchuͤttle es alle
Tag zwey oder dreymal auff/ hernach de-
ſtilliere es in einem Alembico oder Helm/
und behalte es. Jn dieſem Waſſer ſoll man
ein Tuch netzen/ und alle Tag zwey oder
dreymal das ſchweinende Glied darmit
ſtarck anreiben.

Die Wurtzel der Neſſeln gewaſchen/ und
mit ein wenig Saffran wol geſtoſſen/ dar-
nach den Safft mit einem weiſſen Wein da-
rauß gedruckt/ davon ein paar loͤffelvoll et-
liche tag nach einander eingenommen/ und
darauff geſchwitzt/ iſt dienlich in der lang-
waͤrenden Gelbſucht.

Gelbſucht.

Honoratus Caſtellanus ein beruͤhmter Me-
dicus
in Franckreich hat befohlen/ zu ver-
huͤtung des Grieß und Steins/ vom Fruͤh-
ling biß auff den Maͤyen/ die zarten Schoͤß-
ling der Neſſel zu ſieden/ und darvon zu
trincken.

Joachimus Camerarius in Horto medico p.
m.
183. berichtet/ daß zu ſeiner Zeit der fuͤr-
nehmſte Medicus zu Pariß/ den zu pulver
geſtoſſenen Neſſel-ſamen/ in dem Violen-
oder einem andern Bruſt-ſyrup/ wider denSeiten-
ſtich/ bruſt-
geſchwaͤr.

Seiten-ſtich und Bruſt-geſchwaͤr gebraucht
habe.

Proſper Alpinus in libro de plantis Ægypti
cap.
42. meldet/ daß die Weiber zu Alexan-
dria in Egypten wider die Verſtopffung derVerſtopf-
fung
der mo-
natlichen
reinigung.

monatlichen Reinigung/ ſich des Neſſel-ſa-
mens nutzlich bedienen/ ſie kochen ihn mit
Myrꝛha/ und laſſen den Dampff zu ſich.

Wider allerley offene boͤſe Schaͤden/ ſoOffene boͤ-
ſe und um
ſich freſſen-
de ſchaͤden.

umb ſich freſſen: Nim die oberen ſchoͤßlein
von den Neſſeln/ weil ſie Blumen und Sa-
men tragen/ darnach drucke es durch ein
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So
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[921/0937] Von den Kraͤuteren. Zwiſchen den blaͤtteren waͤchßt der ſame an den ſtengeln in außgebreiteten purpurbrau- nen huͤlßlein/ welcher/ ſo man ihne außreibet/ iſt er weiß/ und dem Hirß nicht ungleich je- doch kleiner/ ſie waͤchßt etwan drey elen hoch/ und werden die Stengel und Wurtzeln bißweilen roͤthlicht. 3. Die Heiter-neſſel/ Urtica urens minor, C. B. minor annua, J. B. Jſt am ſtengel und blaͤtteren kleiner alß die vorige/ ſie waͤchßt ſelten drey ſpannen hoch/ der ſtengel wird rund/ die Wurtzel iſt kurtz/ die blaͤtter ſind ſchmaͤler. Sie wird billich Sommer-neſſel genannt/ denn ſie kan die kaͤlte nicht leiden/ und muß ſich jaͤhrlich vom außgefallenen ſamen erjuͤngeren/ ſo groͤſſer iſt alß in der vo- rigen. Beyde wachſen hinder den zaͤunen/ bey den alten Mauren und anderen ungebau- ten orten. 4. Die ſtachlichte Neſſel mit gekerbten blaͤtteren/ Urtica aculeata foliis ſerratis, C. B. Waͤchßt bey uns auff den Felderen. 5. Die Roͤmiſche Neſſel mit St. Peters- kraut-blaͤtteren/ Urtica Romana ſ. Pilulifera altera Parietariæ foliis, Hort. Paris. Es iſt nicht ohn/ daß man gemeiniglich darfuͤr haͤlt/ die brennende krafft der Neſ- ſeln komme von einem ſale cauſtico, oder brennenden Saltz her/ welches von Helmon- tio ſal urticale, Neſſel-ſaltz genennet wird. Aber Fridericus Hoffmannus, Clave pharma- ceutica Schrœderiana p. m. 367. berichtet/ ſo man die Natur und Eigenſchafft der Neſſeln recht betrachte/ befinde ſich die ſach anders. Offenbahr iſt/ daß von fuͤrtrefflichen Medi- cis die Neſſeln wider die Bruſt- und Lungen- kranckheiten/ in welchen man alle ſcharffe und brennende Artzneyen verbietet/ gelobet werden. Ferners ſihet man durch das Mi- croſcopium, an der gantzen Neſſeln kleine doͤrnlein/ wie ein drey-ſpitzige Nadel geſtal- tet/ welche ſo man ſie anruͤhret/ an der Haut ſolches jucken verurſachen. Dominicus Cha- bræus in Append. Sciagraph. ſtirp. p. 649. und vor ihme Rembertus Dodonæus pemptad. 1. ſtirp. hiſtor. l. 5. cap. 35. vermeinen/ daß die Neſ- ſel brenne/ verurſache ein rauche wollen/ die als ein Angel ſteche/ dahero dieſes kraut nicht von ſich ſelbſten/ ſonderen mit den angeln ein hitzige Geſchwulſt an der Haut erwecke/ derohalben ſo man die Neſſeln zerſtoſſe oder koche/ brenne ſie nicht mehr/ weilen dar- durch dieſe rauche Wollen ihre krafft verlie- re. Andere ſchreiben die brennende krafft der Neſſeln nicht den nadeln oder angeln zu/ ſon- dern vielmehr einem durchſcheinenden ſafft/ mit welchem dieſe Doͤrnlein umgeben ſind/ ſolcher ſafft werde auch durch das Microſco- pium an den Neſſel-blumen geſehen/ ſo man nun ihn außtrucke/ laſſe ſich das Kraut ohn einige ungelegenheit anruͤhren. Eigenſchafft. Die Neſſel iſt warm und trocken im drit- ten grad. Fuͤhret ein alkaliſch-miltes ſaltz bey ſich/ und hat davon die Eigenſchafft zu er- oͤffnen/ zu zertheilen/ das Gebluͤt zu reini- gen/ zu ſaͤuberen/ zu heilen/ durch den Harn zu reinigen/ und den Stein zu treiben. Gebrauch. Wol-vorgemelter Herꝛ Fridericus Hoff- mannus vermeldet ferners/ man ſolle an St. Mariæ Magdalenæ Tag/ wenn die Sonn in den Loͤwen geht/ morgens fruͤh/ den von dem Thau noch angefeuchteten Neſſel-ſamen ſamlen/ und ihne an dem Schatten trocknen. Alßdenn nim von dieſem ſamen ſechs loth/ gedoͤrꝛet zartes Eychen-laub oder blaͤtter und Suͤßholtz/ jedes vier loth/ ſtoſſe alles zu ei- nem reinen Pulver/ und thue darzu Zucker/ ſo viel zur Lieblichkeit nothwendig iſt: von dieſem Pulver gebrauche alle Wochen/ in- ſonderheit aber in dem Neu- und Vollmond/ ein halb oder gantzes quintl. Dieſe Artzney treibet den Stein wie Sand fort. Stein. Die groſſe Neſſel-wurtz hat ein ſondere krafft/ den Menſchen vor dem Stein zu be- wahren/ ſo man ſie doͤrꝛet/ zu Pulver ſtoſ- ſet/ und deſſen ein halb oder gantzes quintl. einnimmet. So man die groſſe Neſſel-wurtz in Wein ſiedet/ und alßdenn Zucker darzu thut/ iſt dieſer Tranck dienlich wider den Huſten und Engbruͤſtigkeit/ welche von einem dicken oder zaͤhen Schleim herkommet. Huſten/ Engbruͤ- ſtigkeit. Auß dem Neſſel-ſamen bereitet D. Hoff- mannus in Theſauro pharmaceut. ſect. 1. num. 8. ein waſſer fuͤr die Schweinung der Gli- dern alſo: Nim des kleinen oder Heyter- neſſel-ſamen 12. loth/ Heydenreich oder wild Meerꝛettich 6. loth/ Aron-wurtzel/ langen Pfeffer jedes 48. loth/ ſchuͤtte daruͤber Mal- vaſier/ Rheiniſchen oder anderen ſtarcken Wein/ laß es 14. Tag ſtehen/ ſchuͤttle es alle Tag zwey oder dreymal auff/ hernach de- ſtilliere es in einem Alembico oder Helm/ und behalte es. Jn dieſem Waſſer ſoll man ein Tuch netzen/ und alle Tag zwey oder dreymal das ſchweinende Glied darmit ſtarck anreiben. Schwei- nung der aͤuſſerlichẽ Glieder. Die Wurtzel der Neſſeln gewaſchen/ und mit ein wenig Saffran wol geſtoſſen/ dar- nach den Safft mit einem weiſſen Wein da- rauß gedruckt/ davon ein paar loͤffelvoll et- liche tag nach einander eingenommen/ und darauff geſchwitzt/ iſt dienlich in der lang- waͤrenden Gelbſucht. Honoratus Caſtellanus ein beruͤhmter Me- dicus in Franckreich hat befohlen/ zu ver- huͤtung des Grieß und Steins/ vom Fruͤh- ling biß auff den Maͤyen/ die zarten Schoͤß- ling der Neſſel zu ſieden/ und darvon zu trincken. Joachimus Camerarius in Horto medico p. m. 183. berichtet/ daß zu ſeiner Zeit der fuͤr- nehmſte Medicus zu Pariß/ den zu pulver geſtoſſenen Neſſel-ſamen/ in dem Violen- oder einem andern Bruſt-ſyrup/ wider den Seiten-ſtich und Bruſt-geſchwaͤr gebraucht habe. Seiten- ſtich/ bruſt- geſchwaͤr. Proſper Alpinus in libro de plantis Ægypti cap. 42. meldet/ daß die Weiber zu Alexan- dria in Egypten wider die Verſtopffung der monatlichen Reinigung/ ſich des Neſſel-ſa- mens nutzlich bedienen/ ſie kochen ihn mit Myrꝛha/ und laſſen den Dampff zu ſich. Verſtopf- fung der mo- natlichen reinigung. Wider allerley offene boͤſe Schaͤden/ ſo umb ſich freſſen: Nim die oberen ſchoͤßlein von den Neſſeln/ weil ſie Blumen und Sa- men tragen/ darnach drucke es durch ein Tuch/ ſo gehet ein gruͤne feuchtigkeit da- rauß/ damit beſtreiche den Schaden. Offene boͤ- ſe und um ſich freſſen- de ſchaͤden. So A a a a a a

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Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 921. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/937>, abgerufen am 21.11.2024.