[Spaltenumbruch]
welche von sechs oder sieben weissen glöcklein gleich einem trächterlein bedecket sind/ so an- zusehen wie ein häutlein/ es ist jedoch etwas steiff/ und oben herumb mit abschewlichen dörnen besetzt. Mitten auß den glöcklein er- scheinet ein purpurfarbige oder weisse Blum wie an der todten Nesseln/ welcher ein weis- ser/ eckichter und spitzer same nachfolget/ sie gibt ein lieblichen geruch von sich. Man fin- det deren noch ein art/ welche rauchere sten- gel bringet/ auch sind die glöcklein nicht al- so weiß/ sonder etwas braunlicht und enger/ mit schärfferen längeren und härteren dör- nen umbringt. Sie gibt einen unlieblichen geruch von sich. Molucca asperior foetida, J. B. Melissa Moluccana foetida, C. B. Man findet beyde in dem Fürstlichen Eystettischen Lust- garten.
3. Die Türekische Melissen/ Melissa Mol- davica s. Turcica floribus coeruleis & albis, Me- lissa peregrina folio oblongo, C. B. Turcica mul- tis dicta, J. B. Pseudo-Melissa, Rivin. bringet viereckichte röthlichte und ästige stengel her- für/ so zwey elen hoch wachsen. Die blätter vergleichen sich mit den Brenn-nesseln/ sind jedoch kleiner. Die Blumen erscheinen auff den gipfflen der stengeln/ werden blaw oder weiß/ und machen zwischen den blättern gleichsam einen zirckel. Die wurtzel ist zaß- licht/ und der same länglicht und schwartz/ sie gibt ein Citronen-geruch von sich. Man hat sie erstlich auß der Moldau zu uns ge- bracht/ alda sie von sich selbsten wächßt/ wird nunmehr auch in Jtalien und Teutsch- land in die Gärten gepflantzet. Mit blauen und weissen Blumen kommet sie in vorge- meltem Lustgarten herfür.
4. Die wilde haarige wenig riechende [Spaltenumbruch]
Melissen/ Melissa sylvestris hirsutior, minus odorata, Raj. wächßt bey Livorno in Jtalien.
5. Die Sicilianische staudichte Melis- sen mit offenen weiten kelchlein/ und einem starcken geruch/ Melissa fruticosa Sicula, cali- ce amplo, patulo, Raj. wächßt umb Messina in Sicilien.
Eigenschafft.
Es ist die Melissen eines der herrlichsten Kräuteren/ so da voll des reinesten/ lieb- lichsten/ flüchtigen/ ölicht-Aromatischen Saltz-geistes ist/ und hierdurch stattliche Ei- genschafften hat wol zu erwärmen und zu tröcknen/ das Haupt/ Hertz/ Magen und Mutter zu stärcken/ die Lebens-geister zu er- wecken und auffzumunteren; schmertzen zu stillen/ flüsse zu tröcknen/ den zähen schleim aller orten zu erdünneren/ und zu verthei- len/ verstopffungen des Miltzes und der Mut- ter zu eröffnen/ wind und bläste zu stillen/ die monatliche Weiber-reinigung zu beför- deren/ und das gantze unreine Geblüt zu verbesseren. Man muß sie samlen im Brach- und Heumonat/ wenn der Mond im Stier oder Löwen gehet. Man gebraucht allein die Blätter.
Gebrauch.
Auß der Melissen werden underschiedli- che herrliche Artzneyen zubereitet/ als daDer Me- lissen-geist. sind der Spiritus oder Geist/ welcher entwe- der durch die infusion mit Brantenwein/ da man die frische Melissen etliche tag in Bran- tenwein einbeitzt/ hernach so fort destillieret;Per inf[u-] sionem. oder durch die fermentation bereitet/ da man nemblich eine quantitet zerschnittener Me- lissen in ein Kolbenglaß setzet/ ein wenig saur- teig darzu wirfft/ das Glaß wol vermacht/ doch wo möglich/ daß man an einem ort ein kleines löchlein offen läßt/ welches man mit einem zäpflein stopffen und nach belie-Per fer- mentatio- nem. ben auffmachen kan; demnach solch Glaß in Keller in Aschen oder Pferdmist setzet/ und also 5. 6. oder mehr wochen stehen läßt/ biß das Kraut wol under einander gejohren und gesäuret hat: damit aber das Kolben- glaß in währendem jasten nicht zerspringe/ welches mir denn etlich mahl begegnet/ so kan man täglich ein oder zweymahl das zäpfflein auß obgedachtem löchlein ziehen/ hiemit nur einen augenblick lufft lassen/ so wird alle gefahr des verspringens vorbey gehen. Wenn denn das kraut solcher gestal- ten außgejohren/ so thut man das Kolben- glaß auff/ setzt fluchs ein Helm darüber/ stellet ihn in die Sand-capellen/ setzt einen recipienten vor/ und destilliert also den Spi- ritum, oder den über alle massen lieblich rie- chenden/ und durchtringenden Geist her- auß/ welchen man demnach beliebig rectifi- ciren kan. Dieser Geist auff ein paar tropffen mit Wein/ oder einem destillierten Wasser öffters eingenommen/ hat treffliche Tugen-ohnmach[t] Mutter- weh/ Her- tzensban: gigkeit/ winde/ schlagflüß/ lahme gli- der. den die undergetruckten Lebens-geister wider auff zurichten/ Ohnmachten/ Mutterwehe/ und allerhand andere Schwachheiten und Hertzens-bangigkeiten zu vertreiben/ Wind und Bläste zu vertheilen/ Schlagflüsse zu verwehren/ und abzutreiben/ die erlahmten Glieder wider zu recht zu bringen/ die Mo-
natliche
Das Vierte Buch/
[Spaltenumbruch]
welche von ſechs oder ſieben weiſſen gloͤcklein gleich einem traͤchterlein bedecket ſind/ ſo an- zuſehen wie ein haͤutlein/ es iſt jedoch etwas ſteiff/ und oben herumb mit abſchewlichen doͤrnen beſetzt. Mitten auß den gloͤcklein er- ſcheinet ein purpurfarbige oder weiſſe Blum wie an der todten Neſſeln/ welcher ein weiſ- ſer/ eckichter und ſpitzer ſame nachfolget/ ſie gibt ein lieblichen geruch von ſich. Man fin- det deren noch ein art/ welche rauchere ſten- gel bringet/ auch ſind die gloͤcklein nicht al- ſo weiß/ ſonder etwas braunlicht und enger/ mit ſchaͤrfferen laͤngeren und haͤrteren doͤr- nen umbringt. Sie gibt einen unlieblichen geruch von ſich. Molucca aſperior fœtida, J. B. Meliſſa Moluccana fœtida, C. B. Man findet beyde in dem Fuͤrſtlichen Eyſtettiſchen Luſt- garten.
3. Die Tuͤrekiſche Meliſſen/ Meliſſa Mol- davica ſ. Turcica floribus cœruleis & albis, Me- liſſa peregrina folio oblongo, C. B. Turcica mul- tis dicta, J. B. Pſeudo-Meliſſa, Rivin. bringet viereckichte roͤthlichte und aͤſtige ſtengel her- fuͤr/ ſo zwey elen hoch wachſen. Die blaͤtter vergleichen ſich mit den Brenn-neſſeln/ ſind jedoch kleiner. Die Blumen erſcheinen auff den gipfflen der ſtengeln/ werden blaw oder weiß/ und machen zwiſchen den blaͤttern gleichſam einen zirckel. Die wurtzel iſt zaß- licht/ und der ſame laͤnglicht und ſchwartz/ ſie gibt ein Citronen-geruch von ſich. Man hat ſie erſtlich auß der Moldau zu uns ge- bracht/ alda ſie von ſich ſelbſten waͤchßt/ wird nunmehr auch in Jtalien uñ Teutſch- land in die Gaͤrten gepflantzet. Mit blauen und weiſſen Blumen kommet ſie in vorge- meltem Luſtgarten herfuͤr.
4. Die wilde haarige wenig riechende [Spaltenumbruch]
Meliſſen/ Meliſſa ſylveſtris hirſutior, minùs odorata, Raj. waͤchßt bey Livorno in Jtalien.
5. Die Sicilianiſche ſtaudichte Meliſ- ſen mit offenen weiten kelchlein/ und einem ſtarcken geruch/ Meliſſa fruticoſa Sicula, cali- ce amplo, patulo, Raj. waͤchßt umb Meſſina in Sicilien.
Eigenſchafft.
Es iſt die Meliſſen eines der herꝛlichſten Kraͤuteren/ ſo da voll des reineſten/ lieb- lichſten/ fluͤchtigen/ oͤlicht-Aromatiſchen Saltz-geiſtes iſt/ und hierdurch ſtattliche Ei- genſchafften hat wol zu erwaͤrmen und zu troͤcknen/ das Haupt/ Hertz/ Magen und Mutter zu ſtaͤrcken/ die Lebens-geiſter zu er- wecken und auffzumunteren; ſchmertzen zu ſtillen/ fluͤſſe zu troͤcknen/ den zaͤhen ſchleim aller orten zu erduͤnneren/ und zu verthei- len/ verſtopffungen des Miltzes und der Mut- ter zu eroͤffnen/ wind und blaͤſte zu ſtillen/ die monatliche Weiber-reinigung zu befoͤr- deren/ und das gantze unreine Gebluͤt zu verbeſſeren. Man muß ſie ſamlen im Brach- und Heumonat/ wenn der Mond im Stier oder Loͤwen gehet. Man gebraucht allein die Blaͤtter.
Gebrauch.
Auß der Meliſſen werden underſchiedli- che herꝛliche Artzneyen zubereitet/ als daDer Me- liſſen-geiſt. ſind der Spiritus oder Geiſt/ welcher entwe- der durch die infuſion mit Brantenwein/ da man die friſche Meliſſen etliche tag in Bran- tenwein einbeitzt/ hernach ſo fort deſtillieret;Per inf[u-] ſionem. oder durch die fermentation bereitet/ da man nemblich eine quantitet zerſchnittener Me- liſſen in ein Kolbenglaß ſetzet/ ein wenig ſaur- teig darzu wirfft/ das Glaß wol vermacht/ doch wo moͤglich/ daß man an einem ort ein kleines loͤchlein offen laͤßt/ welches man mit einem zaͤpflein ſtopffen und nach belie-Per fer- mẽtatio- nem. ben auffmachen kan; demnach ſolch Glaß in Keller in Aſchen oder Pferdmiſt ſetzet/ und alſo 5. 6. oder mehr wochen ſtehen laͤßt/ biß das Kraut wol under einander gejohren und geſaͤuret hat: damit aber das Kolben- glaß in waͤhrendem jaſten nicht zerſpringe/ welches mir denn etlich mahl begegnet/ ſo kan man taͤglich ein oder zweymahl das zaͤpfflein auß obgedachtem loͤchlein ziehen/ hiemit nur einen augenblick lufft laſſen/ ſo wird alle gefahr des verſpringens vorbey gehen. Wenn denn das kraut ſolcher geſtal- ten außgejohren/ ſo thut man das Kolben- glaß auff/ ſetzt fluchs ein Helm daruͤber/ ſtellet ihn in die Sand-capellen/ ſetzt einen recipienten vor/ und deſtilliert alſo den Spi- ritum, oder den uͤber alle maſſen lieblich rie- chenden/ und durchtringenden Geiſt her- auß/ welchen man demnach beliebig rectifi- ciren kan. Dieſer Geiſt auff ein paar tropffen mit Wein/ oder einem deſtillierten Waſſer oͤffters eingenommen/ hat treffliche Tugen-ohnmach[t] Mutter- weh/ Her- tzensban: gigkeit/ winde/ ſchlagfluͤß/ lahme gli- der. den die undergetruckten Lebens-geiſter wider auff zurichten/ Ohnmachten/ Mutterwehe/ und allerhand andere Schwachheiten und Hertzens-bangigkeiten zu vertreiben/ Wind und Blaͤſte zu vertheilen/ Schlagfluͤſſe zu verwehren/ und abzutreiben/ die erlahmten Glieder wider zu recht zu bringen/ die Mo-
natliche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0758"n="742"/><fwplace="top"type="header">Das Vierte Buch/</fw><lb/><cb/>
welche von ſechs oder ſieben weiſſen gloͤcklein<lb/>
gleich einem traͤchterlein bedecket ſind/ ſo an-<lb/>
zuſehen wie ein haͤutlein/ es iſt jedoch etwas<lb/>ſteiff/ und oben herumb mit abſchewlichen<lb/>
doͤrnen beſetzt. Mitten auß den gloͤcklein er-<lb/>ſcheinet ein purpurfarbige oder weiſſe Blum<lb/>
wie an der todten Neſſeln/ welcher ein weiſ-<lb/>ſer/ eckichter und ſpitzer ſame nachfolget/ ſie<lb/>
gibt ein lieblichen geruch von ſich. Man fin-<lb/>
det deren noch ein art/ welche rauchere ſten-<lb/>
gel bringet/ auch ſind die gloͤcklein nicht al-<lb/>ſo weiß/ ſonder etwas braunlicht und enger/<lb/>
mit ſchaͤrfferen laͤngeren und haͤrteren doͤr-<lb/>
nen umbringt. Sie gibt einen unlieblichen<lb/>
geruch von ſich. <hirendition="#aq">Molucca aſperior fœtida, <hirendition="#i">J. B.</hi><lb/>
Meliſſa Moluccana fœtida, <hirendition="#i">C. B.</hi></hi> Man findet<lb/>
beyde in dem Fuͤrſtlichen Eyſtettiſchen Luſt-<lb/>
garten.</p><lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Tuͤrckiſche Meliſſen.</hi><hirendition="#aq">Meliſſa Mol-<lb/>
davica ſ. Turcica.</hi></hi></head><lb/></figure><noteplace="left">*|Blaue<lb/>
Blum.</note><lb/><noteplace="left">† Weiſſe<lb/>
Blum.</note><lb/><p>3. Die Tuͤrekiſche Meliſſen/ <hirendition="#aq">Meliſſa Mol-<lb/>
davica ſ. Turcica floribus cœruleis & albis, Me-<lb/>
liſſa peregrina folio oblongo, <hirendition="#i">C. B.</hi> Turcica mul-<lb/>
tis dicta, <hirendition="#i">J. B.</hi> Pſeudo-Meliſſa, <hirendition="#i">Rivin.</hi></hi> bringet<lb/>
viereckichte roͤthlichte und aͤſtige ſtengel her-<lb/>
fuͤr/ ſo zwey elen hoch wachſen. Die blaͤtter<lb/>
vergleichen ſich mit den Brenn-neſſeln/ ſind<lb/>
jedoch kleiner. Die Blumen erſcheinen auff<lb/>
den gipfflen der ſtengeln/ werden blaw oder<lb/>
weiß/ und machen zwiſchen den blaͤttern<lb/>
gleichſam einen zirckel. Die wurtzel iſt zaß-<lb/>
licht/ und der ſame laͤnglicht und ſchwartz/<lb/>ſie gibt ein Citronen-geruch von ſich. Man<lb/>
hat ſie erſtlich auß der Moldau zu uns ge-<lb/>
bracht/ alda ſie von ſich ſelbſten waͤchßt/<lb/>
wird nunmehr auch in Jtalien uñ Teutſch-<lb/>
land in die Gaͤrten gepflantzet. Mit blauen<lb/>
und weiſſen Blumen kommet ſie in vorge-<lb/>
meltem Luſtgarten herfuͤr.</p><lb/><p>4. Die wilde haarige wenig riechende<lb/><cb/>
Meliſſen/ <hirendition="#aq">Meliſſa ſylveſtris hirſutior, minùs<lb/>
odorata, <hirendition="#i">Raj.</hi></hi> waͤchßt bey <hirendition="#aq">Livorno</hi> in Jtalien.</p><lb/><p>5. Die Sicilianiſche ſtaudichte Meliſ-<lb/>ſen mit offenen weiten kelchlein/ und einem<lb/>ſtarcken geruch/ <hirendition="#aq">Meliſſa fruticoſa Sicula, cali-<lb/>
ce amplo, patulo, <hirendition="#i">Raj.</hi></hi> waͤchßt umb <hirendition="#aq">Meſſina</hi><lb/>
in Sicilien.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Eigenſchafft.</hi></head><lb/><p>Es iſt die Meliſſen eines der herꝛlichſten<lb/>
Kraͤuteren/ ſo da voll des reineſten/ lieb-<lb/>
lichſten/ fluͤchtigen/ oͤlicht-Aromatiſchen<lb/>
Saltz-geiſtes iſt/ und hierdurch ſtattliche Ei-<lb/>
genſchafften hat wol zu erwaͤrmen und zu<lb/>
troͤcknen/ das Haupt/ Hertz/ Magen und<lb/>
Mutter zu ſtaͤrcken/ die Lebens-geiſter zu er-<lb/>
wecken und auffzumunteren; ſchmertzen zu<lb/>ſtillen/ fluͤſſe zu troͤcknen/ den zaͤhen ſchleim<lb/>
aller orten zu erduͤnneren/ und zu verthei-<lb/>
len/ verſtopffungen des Miltzes und der Mut-<lb/>
ter zu eroͤffnen/ wind und blaͤſte zu ſtillen/<lb/>
die monatliche Weiber-reinigung zu befoͤr-<lb/>
deren/ und das gantze unreine Gebluͤt zu<lb/>
verbeſſeren. Man muß ſie ſamlen im Brach-<lb/>
und Heumonat/ wenn der Mond im Stier<lb/>
oder Loͤwen gehet. Man gebraucht allein die<lb/>
Blaͤtter.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Gebrauch.</hi></head><lb/><p>Auß der Meliſſen werden underſchiedli-<lb/>
che herꝛliche Artzneyen zubereitet/ als da<noteplace="right">Der Me-<lb/>
liſſen-geiſt.</note><lb/>ſind der <hirendition="#aq">Spiritus</hi> oder Geiſt/ welcher entwe-<lb/>
der durch die <hirendition="#aq">infuſion</hi> mit Brantenwein/ da<lb/>
man die friſche Meliſſen etliche tag in Bran-<lb/>
tenwein einbeitzt/ hernach ſo fort deſtillieret;<noteplace="right"><hirendition="#aq">Per inf<supplied>u-</supplied><lb/>ſionem.</hi></note><lb/>
oder durch die <hirendition="#aq">fermentation</hi> bereitet/ da man<lb/>
nemblich eine quantitet zerſchnittener Me-<lb/>
liſſen in ein Kolbenglaß ſetzet/ ein wenig ſaur-<lb/>
teig darzu wirfft/ das Glaß wol vermacht/<lb/>
doch wo moͤglich/ daß man an einem ort<lb/>
ein kleines loͤchlein offen laͤßt/ welches man<lb/>
mit einem zaͤpflein ſtopffen und nach belie-<noteplace="right"><hirendition="#aq">Per fer-<lb/>
mẽtatio-<lb/>
nem.</hi></note><lb/>
ben auffmachen kan; demnach ſolch Glaß<lb/>
in Keller in Aſchen oder Pferdmiſt ſetzet/<lb/>
und alſo 5. 6. oder mehr wochen ſtehen laͤßt/<lb/>
biß das Kraut wol under einander gejohren<lb/>
und geſaͤuret hat: damit aber das Kolben-<lb/>
glaß in waͤhrendem jaſten nicht zerſpringe/<lb/>
welches mir denn etlich mahl begegnet/ ſo<lb/>
kan man taͤglich ein oder zweymahl das<lb/>
zaͤpfflein auß obgedachtem loͤchlein ziehen/<lb/>
hiemit nur einen augenblick lufft laſſen/ ſo<lb/>
wird alle gefahr des verſpringens vorbey<lb/>
gehen. Wenn denn das kraut ſolcher geſtal-<lb/>
ten außgejohren/ ſo thut man das Kolben-<lb/>
glaß auff/ ſetzt fluchs ein Helm daruͤber/<lb/>ſtellet ihn in die Sand-capellen/ ſetzt einen<lb/><hirendition="#aq">recipienten</hi> vor/ und deſtilliert alſo den <hirendition="#aq">Spi-<lb/>
ritum,</hi> oder den uͤber alle maſſen lieblich rie-<lb/>
chenden/ und durchtringenden Geiſt her-<lb/>
auß/ welchen man demnach beliebig <hirendition="#aq">rectifi-<lb/>
ciren</hi> kan. Dieſer Geiſt auff ein paar tropffen<lb/>
mit Wein/ oder einem deſtillierten Waſſer<lb/>
oͤffters eingenommen/ hat treffliche Tugen-<noteplace="right">ohnmach<supplied>t</supplied><lb/>
Mutter-<lb/>
weh/ Her-<lb/>
tzensban:<lb/>
gigkeit/<lb/>
winde/<lb/>ſchlagfluͤß/<lb/>
lahme gli-<lb/>
der.</note><lb/>
den die undergetruckten Lebens-geiſter wider<lb/>
auff zurichten/ Ohnmachten/ Mutterwehe/<lb/>
und allerhand andere Schwachheiten und<lb/>
Hertzens-bangigkeiten zu vertreiben/ Wind<lb/>
und Blaͤſte zu vertheilen/ Schlagfluͤſſe zu<lb/>
verwehren/ und abzutreiben/ die erlahmten<lb/>
Glieder wider zu recht zu bringen/ die Mo-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">natliche</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[742/0758]
Das Vierte Buch/
welche von ſechs oder ſieben weiſſen gloͤcklein
gleich einem traͤchterlein bedecket ſind/ ſo an-
zuſehen wie ein haͤutlein/ es iſt jedoch etwas
ſteiff/ und oben herumb mit abſchewlichen
doͤrnen beſetzt. Mitten auß den gloͤcklein er-
ſcheinet ein purpurfarbige oder weiſſe Blum
wie an der todten Neſſeln/ welcher ein weiſ-
ſer/ eckichter und ſpitzer ſame nachfolget/ ſie
gibt ein lieblichen geruch von ſich. Man fin-
det deren noch ein art/ welche rauchere ſten-
gel bringet/ auch ſind die gloͤcklein nicht al-
ſo weiß/ ſonder etwas braunlicht und enger/
mit ſchaͤrfferen laͤngeren und haͤrteren doͤr-
nen umbringt. Sie gibt einen unlieblichen
geruch von ſich. Molucca aſperior fœtida, J. B.
Meliſſa Moluccana fœtida, C. B. Man findet
beyde in dem Fuͤrſtlichen Eyſtettiſchen Luſt-
garten.
[Abbildung Tuͤrckiſche Meliſſen. Meliſſa Mol-
davica ſ. Turcica.
]
3. Die Tuͤrekiſche Meliſſen/ Meliſſa Mol-
davica ſ. Turcica floribus cœruleis & albis, Me-
liſſa peregrina folio oblongo, C. B. Turcica mul-
tis dicta, J. B. Pſeudo-Meliſſa, Rivin. bringet
viereckichte roͤthlichte und aͤſtige ſtengel her-
fuͤr/ ſo zwey elen hoch wachſen. Die blaͤtter
vergleichen ſich mit den Brenn-neſſeln/ ſind
jedoch kleiner. Die Blumen erſcheinen auff
den gipfflen der ſtengeln/ werden blaw oder
weiß/ und machen zwiſchen den blaͤttern
gleichſam einen zirckel. Die wurtzel iſt zaß-
licht/ und der ſame laͤnglicht und ſchwartz/
ſie gibt ein Citronen-geruch von ſich. Man
hat ſie erſtlich auß der Moldau zu uns ge-
bracht/ alda ſie von ſich ſelbſten waͤchßt/
wird nunmehr auch in Jtalien uñ Teutſch-
land in die Gaͤrten gepflantzet. Mit blauen
und weiſſen Blumen kommet ſie in vorge-
meltem Luſtgarten herfuͤr.
4. Die wilde haarige wenig riechende
Meliſſen/ Meliſſa ſylveſtris hirſutior, minùs
odorata, Raj. waͤchßt bey Livorno in Jtalien.
5. Die Sicilianiſche ſtaudichte Meliſ-
ſen mit offenen weiten kelchlein/ und einem
ſtarcken geruch/ Meliſſa fruticoſa Sicula, cali-
ce amplo, patulo, Raj. waͤchßt umb Meſſina
in Sicilien.
Eigenſchafft.
Es iſt die Meliſſen eines der herꝛlichſten
Kraͤuteren/ ſo da voll des reineſten/ lieb-
lichſten/ fluͤchtigen/ oͤlicht-Aromatiſchen
Saltz-geiſtes iſt/ und hierdurch ſtattliche Ei-
genſchafften hat wol zu erwaͤrmen und zu
troͤcknen/ das Haupt/ Hertz/ Magen und
Mutter zu ſtaͤrcken/ die Lebens-geiſter zu er-
wecken und auffzumunteren; ſchmertzen zu
ſtillen/ fluͤſſe zu troͤcknen/ den zaͤhen ſchleim
aller orten zu erduͤnneren/ und zu verthei-
len/ verſtopffungen des Miltzes und der Mut-
ter zu eroͤffnen/ wind und blaͤſte zu ſtillen/
die monatliche Weiber-reinigung zu befoͤr-
deren/ und das gantze unreine Gebluͤt zu
verbeſſeren. Man muß ſie ſamlen im Brach-
und Heumonat/ wenn der Mond im Stier
oder Loͤwen gehet. Man gebraucht allein die
Blaͤtter.
Gebrauch.
Auß der Meliſſen werden underſchiedli-
che herꝛliche Artzneyen zubereitet/ als da
ſind der Spiritus oder Geiſt/ welcher entwe-
der durch die infuſion mit Brantenwein/ da
man die friſche Meliſſen etliche tag in Bran-
tenwein einbeitzt/ hernach ſo fort deſtillieret;
oder durch die fermentation bereitet/ da man
nemblich eine quantitet zerſchnittener Me-
liſſen in ein Kolbenglaß ſetzet/ ein wenig ſaur-
teig darzu wirfft/ das Glaß wol vermacht/
doch wo moͤglich/ daß man an einem ort
ein kleines loͤchlein offen laͤßt/ welches man
mit einem zaͤpflein ſtopffen und nach belie-
ben auffmachen kan; demnach ſolch Glaß
in Keller in Aſchen oder Pferdmiſt ſetzet/
und alſo 5. 6. oder mehr wochen ſtehen laͤßt/
biß das Kraut wol under einander gejohren
und geſaͤuret hat: damit aber das Kolben-
glaß in waͤhrendem jaſten nicht zerſpringe/
welches mir denn etlich mahl begegnet/ ſo
kan man taͤglich ein oder zweymahl das
zaͤpfflein auß obgedachtem loͤchlein ziehen/
hiemit nur einen augenblick lufft laſſen/ ſo
wird alle gefahr des verſpringens vorbey
gehen. Wenn denn das kraut ſolcher geſtal-
ten außgejohren/ ſo thut man das Kolben-
glaß auff/ ſetzt fluchs ein Helm daruͤber/
ſtellet ihn in die Sand-capellen/ ſetzt einen
recipienten vor/ und deſtilliert alſo den Spi-
ritum, oder den uͤber alle maſſen lieblich rie-
chenden/ und durchtringenden Geiſt her-
auß/ welchen man demnach beliebig rectifi-
ciren kan. Dieſer Geiſt auff ein paar tropffen
mit Wein/ oder einem deſtillierten Waſſer
oͤffters eingenommen/ hat treffliche Tugen-
den die undergetruckten Lebens-geiſter wider
auff zurichten/ Ohnmachten/ Mutterwehe/
und allerhand andere Schwachheiten und
Hertzens-bangigkeiten zu vertreiben/ Wind
und Blaͤſte zu vertheilen/ Schlagfluͤſſe zu
verwehren/ und abzutreiben/ die erlahmten
Glieder wider zu recht zu bringen/ die Mo-
natliche
Der Me-
liſſen-geiſt.
Per infu-
ſionem.
Per fer-
mẽtatio-
nem.
ohnmacht
Mutter-
weh/ Her-
tzensban:
gigkeit/
winde/
ſchlagfluͤß/
lahme gli-
der.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/758>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.