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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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Arbeiterbewegung zustande kam, ließ das alte Klassenwahlrecht weiter-
bestehen, schuf aber eine neue fünfte Wählerklasse, für welche das all-
gemeine, gleiche und direkte Stimmrecht eingeführt wurde. Den Frauen
blieb das Stimmrecht in der neuen Wählerklasse ausdrücklich versagt,
denn das Gesetz von 1896 anerkannte nur männliche Wahlberechtigte.
Da es an den Wahlrechtsbestimmungen in den alten Wählerklassen nichts
änderte, so bestand in ihnen das Frauenwahlrecht zu dem Reichsrat ent-
sprechend dem Landtagswahlrecht der einzelnen Kronländer fort. Der
neuerliche Ansturm des Proletariats hat endlich 1906 eine bei weitem
gründlichere Wahlreform als 1896 ertrotzt. Das Klassenwahlrecht ist
gefallen, die Abgeordneten zum Reichsrat werden nun auf Grund
des allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrechtes gewählt, das sich jedoch
leider auf das männliche Geschlecht beschränkt. Die sozialdemokratische
Fraktion, welche das allgemeine Wahlrecht im Mai dieses Jahres in den
Reichsrat entsendet hat, beantragte sofort die Einführung des all-
gemeinen
Frauenwahlrechts. Zu den Gewerbegerichten besitzen in
Oesterreich die Frauen das aktive Wahlrecht. Die österreichischen
Genossinnen haben sich eifrig und erfolgreich bemüht, die Arbeiterinnen
zur Anteilnahme an den Gewerbegerichtswahlen heranzuziehen.

Schweiz.

Jn der Schweiz sind in einzelnen Kantonen die Frauen zum Ge-
meindewahlrecht zugelassen, in anderen wieder davon ausgeschlossen.
Letzteres ist zum Beispiel in den Kantonen Waadt und Genf der Fall.
Der Kanton Bern hat dagegen durch die Gemeindeordnung von 1852 den
selbständigen Frauen, welche Gemeindesteuern zahlten, das Wahlrecht
zuerkannt, das sie durch Stellvertreter ausüben mußten. Die Frauen
nützten jedoch das Recht lange nicht aus. Erst 1885 nahmen sie, von
den sich bekämpfenden politischen Parteien zur Unterstützung aufgerufen,
an den Gemeinderatswahlen teil. Natürlich mußte ihr Eingreifen in
den Wahlkampf auf eine Parteinahme für die verschiedenen politischen
Gruppen hinauslaufen. Daraus destillierte man einen "inneren Wider-
spruch" heraus sowohl zu den "wirtschaftlichen Aufgaben" der Gemeinde,
wie zu der Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts auf politischem Ge-
biete. Das Wahlrecht wurde in der Folge den Frauen genommen, nach-
dem sie es ein erstes Mal gebraucht hatten. Die "Freie Kirche" im
Kanton Waadt hat 1898 den Frauen das Stimmrecht in kirchlichen An-
gelegenheiten verliehen. Jn manchen Kantonen nehmen die Frauen
an der Wahl von Waisenpflegern, Schulvorständen und dergleichen teil,
im Kanton Zürich sind sie in den Kommissionen der städtischen Schul-
und Armenpflege zugelassen.

Jtalien.

Jn Jtalien wird wie in Belgien, Luxemburg, Rumänien und
Preußen das Einkommen der Ehefrau beziehentlich ihre Steuerleistung
zugunsten des Mannes in Anrechnung gebracht, so daß dieser dadurch oft
das Stimmrecht erhält, das er dank des Zensus auf Grund seines eigenen
Einkommens und seiner Steuerleistung allein nicht erhalten würde. Jn
Jtalien können außerdem Witwen und geschiedene Frauen verlangen,
daß ihre Steuerleistung einem männlichen Anverwandten gutgeschrieben
und dieser auf diese Weise wahlberechtigt wird. Jm Gegensatz zu den
deutschen Arbeiterinnen haben in Jtalien die Arbeiterinnen das aktive
und passive Wahlrecht zu den Gewerbegerichten. Die Frauen sind wähl-

Arbeiterbewegung zustande kam, ließ das alte Klassenwahlrecht weiter-
bestehen, schuf aber eine neue fünfte Wählerklasse, für welche das all-
gemeine, gleiche und direkte Stimmrecht eingeführt wurde. Den Frauen
blieb das Stimmrecht in der neuen Wählerklasse ausdrücklich versagt,
denn das Gesetz von 1896 anerkannte nur männliche Wahlberechtigte.
Da es an den Wahlrechtsbestimmungen in den alten Wählerklassen nichts
änderte, so bestand in ihnen das Frauenwahlrecht zu dem Reichsrat ent-
sprechend dem Landtagswahlrecht der einzelnen Kronländer fort. Der
neuerliche Ansturm des Proletariats hat endlich 1906 eine bei weitem
gründlichere Wahlreform als 1896 ertrotzt. Das Klassenwahlrecht ist
gefallen, die Abgeordneten zum Reichsrat werden nun auf Grund
des allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrechtes gewählt, das sich jedoch
leider auf das männliche Geschlecht beschränkt. Die sozialdemokratische
Fraktion, welche das allgemeine Wahlrecht im Mai dieses Jahres in den
Reichsrat entsendet hat, beantragte sofort die Einführung des all-
gemeinen
Frauenwahlrechts. Zu den Gewerbegerichten besitzen in
Oesterreich die Frauen das aktive Wahlrecht. Die österreichischen
Genossinnen haben sich eifrig und erfolgreich bemüht, die Arbeiterinnen
zur Anteilnahme an den Gewerbegerichtswahlen heranzuziehen.

Schweiz.

Jn der Schweiz sind in einzelnen Kantonen die Frauen zum Ge-
meindewahlrecht zugelassen, in anderen wieder davon ausgeschlossen.
Letzteres ist zum Beispiel in den Kantonen Waadt und Genf der Fall.
Der Kanton Bern hat dagegen durch die Gemeindeordnung von 1852 den
selbständigen Frauen, welche Gemeindesteuern zahlten, das Wahlrecht
zuerkannt, das sie durch Stellvertreter ausüben mußten. Die Frauen
nützten jedoch das Recht lange nicht aus. Erst 1885 nahmen sie, von
den sich bekämpfenden politischen Parteien zur Unterstützung aufgerufen,
an den Gemeinderatswahlen teil. Natürlich mußte ihr Eingreifen in
den Wahlkampf auf eine Parteinahme für die verschiedenen politischen
Gruppen hinauslaufen. Daraus destillierte man einen „inneren Wider-
spruch‟ heraus sowohl zu den „wirtschaftlichen Aufgaben‟ der Gemeinde,
wie zu der Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts auf politischem Ge-
biete. Das Wahlrecht wurde in der Folge den Frauen genommen, nach-
dem sie es ein erstes Mal gebraucht hatten. Die „Freie Kirche‟ im
Kanton Waadt hat 1898 den Frauen das Stimmrecht in kirchlichen An-
gelegenheiten verliehen. Jn manchen Kantonen nehmen die Frauen
an der Wahl von Waisenpflegern, Schulvorständen und dergleichen teil,
im Kanton Zürich sind sie in den Kommissionen der städtischen Schul-
und Armenpflege zugelassen.

Jtalien.

Jn Jtalien wird wie in Belgien, Luxemburg, Rumänien und
Preußen das Einkommen der Ehefrau beziehentlich ihre Steuerleistung
zugunsten des Mannes in Anrechnung gebracht, so daß dieser dadurch oft
das Stimmrecht erhält, das er dank des Zensus auf Grund seines eigenen
Einkommens und seiner Steuerleistung allein nicht erhalten würde. Jn
Jtalien können außerdem Witwen und geschiedene Frauen verlangen,
daß ihre Steuerleistung einem männlichen Anverwandten gutgeschrieben
und dieser auf diese Weise wahlberechtigt wird. Jm Gegensatz zu den
deutschen Arbeiterinnen haben in Jtalien die Arbeiterinnen das aktive
und passive Wahlrecht zu den Gewerbegerichten. Die Frauen sind wähl-

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[71/0081] Arbeiterbewegung zustande kam, ließ das alte Klassenwahlrecht weiter- bestehen, schuf aber eine neue fünfte Wählerklasse, für welche das all- gemeine, gleiche und direkte Stimmrecht eingeführt wurde. Den Frauen blieb das Stimmrecht in der neuen Wählerklasse ausdrücklich versagt, denn das Gesetz von 1896 anerkannte nur männliche Wahlberechtigte. Da es an den Wahlrechtsbestimmungen in den alten Wählerklassen nichts änderte, so bestand in ihnen das Frauenwahlrecht zu dem Reichsrat ent- sprechend dem Landtagswahlrecht der einzelnen Kronländer fort. Der neuerliche Ansturm des Proletariats hat endlich 1906 eine bei weitem gründlichere Wahlreform als 1896 ertrotzt. Das Klassenwahlrecht ist gefallen, die Abgeordneten zum Reichsrat werden nun auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrechtes gewählt, das sich jedoch leider auf das männliche Geschlecht beschränkt. Die sozialdemokratische Fraktion, welche das allgemeine Wahlrecht im Mai dieses Jahres in den Reichsrat entsendet hat, beantragte sofort die Einführung des all- gemeinen Frauenwahlrechts. Zu den Gewerbegerichten besitzen in Oesterreich die Frauen das aktive Wahlrecht. Die österreichischen Genossinnen haben sich eifrig und erfolgreich bemüht, die Arbeiterinnen zur Anteilnahme an den Gewerbegerichtswahlen heranzuziehen. Schweiz. Jn der Schweiz sind in einzelnen Kantonen die Frauen zum Ge- meindewahlrecht zugelassen, in anderen wieder davon ausgeschlossen. Letzteres ist zum Beispiel in den Kantonen Waadt und Genf der Fall. Der Kanton Bern hat dagegen durch die Gemeindeordnung von 1852 den selbständigen Frauen, welche Gemeindesteuern zahlten, das Wahlrecht zuerkannt, das sie durch Stellvertreter ausüben mußten. Die Frauen nützten jedoch das Recht lange nicht aus. Erst 1885 nahmen sie, von den sich bekämpfenden politischen Parteien zur Unterstützung aufgerufen, an den Gemeinderatswahlen teil. Natürlich mußte ihr Eingreifen in den Wahlkampf auf eine Parteinahme für die verschiedenen politischen Gruppen hinauslaufen. Daraus destillierte man einen „inneren Wider- spruch‟ heraus sowohl zu den „wirtschaftlichen Aufgaben‟ der Gemeinde, wie zu der Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts auf politischem Ge- biete. Das Wahlrecht wurde in der Folge den Frauen genommen, nach- dem sie es ein erstes Mal gebraucht hatten. Die „Freie Kirche‟ im Kanton Waadt hat 1898 den Frauen das Stimmrecht in kirchlichen An- gelegenheiten verliehen. Jn manchen Kantonen nehmen die Frauen an der Wahl von Waisenpflegern, Schulvorständen und dergleichen teil, im Kanton Zürich sind sie in den Kommissionen der städtischen Schul- und Armenpflege zugelassen. Jtalien. Jn Jtalien wird wie in Belgien, Luxemburg, Rumänien und Preußen das Einkommen der Ehefrau beziehentlich ihre Steuerleistung zugunsten des Mannes in Anrechnung gebracht, so daß dieser dadurch oft das Stimmrecht erhält, das er dank des Zensus auf Grund seines eigenen Einkommens und seiner Steuerleistung allein nicht erhalten würde. Jn Jtalien können außerdem Witwen und geschiedene Frauen verlangen, daß ihre Steuerleistung einem männlichen Anverwandten gutgeschrieben und dieser auf diese Weise wahlberechtigt wird. Jm Gegensatz zu den deutschen Arbeiterinnen haben in Jtalien die Arbeiterinnen das aktive und passive Wahlrecht zu den Gewerbegerichten. Die Frauen sind wähl-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-08-28T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-28T12:13:05Z)

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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/81>, abgerufen am 23.11.2024.