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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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verleiht. Erst im März 1904 nahm der Senat den Entwurf an, nach-
dem er jedoch daraus das Recht der Frauen gestrichen hatte, als Ge-
werberichter gewählt zu werden. Wir konnten leider nicht feststellen,
ob sich die Hoffnungen der französischen Frauenrechtlerinnen erfüllt
haben, daß die Kammer die einschlägige Bestimmung wieder herstellen
und der Senat ihr bei abermaliger Beratung seine Zustimmung geben
würde. Auf Grund eines alten Gewohnheitsrechtes in manchen fran-
zösischen Gemeinden -- ländlichen und städtischen -- sind alle steuer-
zahlenden Frauen stimmberechtigt bei einer Art Referendum, mittels
dessen die Gemeindeverwaltungen wichtige Fragen zur Entscheidung
bringen. Es fehlt nicht an Beispielen, daß die Frauen dieses Stimm-
recht bis in die neueste Zeit hinaus ausgeübt haben, und zwar auch
in großen Gemeinden, so in Bordeaux und Marseille. Jm Jahre 1878
lag der französischen Kammer ein Antrag vor, dieses alte Gewohnheits-
recht in ein gesetzlich festgelegtes Recht zu verwandeln, gleichzeitig aber
den Frauen das Stimmrecht bei dem Referendum abzuerkennen. Für
das Recht der Frauen traten nur wenige Abgeordnete, vor allem aber
die Sozialisten ein. Der Antrag erlangte nicht Gesetzeskraft, so daß
also in Gemeinden die steuerzahlenden Frauen noch bei einem
Referendum ihre Stimme abgeben können. Jn neuerer Zeit
treten in den klerikalen Kreisen Strömungen zugunsten des Frauen-
stimmrechtes auf, die immer kräftiger werden und immer größere Kreise
erfassen. Jhre treibende Kraft ist nicht die Einsicht in den geschicht-
lichen Entwickelungsprozeß und Gerechtigkeitsgefühl dem weiblichen
Geschlecht gegenüber, sondern der Wunsch, die weiblichen Wähler als
eine Schutztruppe des Klerikalismus, der Kirche gegen die fortschritt-
lichen Elemente auszuspielen. Der letzte Parteitag der geeinten fran-
zösischen Sozialisten hat eine Resolution angenommen, die die Fraktion
auffordert, das politische Frauenwahlrecht in der Kammer zu bean-
tragen.

Großbritannien und Jrland. Englische Kolonial-
länder
.

Große Fortschritte, wenn auch noch keinen vollen Sieg, hat die
Sache des Frauenstimmrechtes in England zu verzeichnen. Freilich
besteht das politische Frauenwahlrecht erst zu dem kleinen Parlamentchen
der Jnsel Man, das neben dem weltbeherrschenden Parlament von West-
minster für England, Schottland und Jrland seine Selbständigkeit be-
wahrt hat. 1881 erhielten hier die Frauen, die Eigentümer von Grund-
stücken sind, deren Jahresertrag sich auf mindestens 81 Mk. beläuft,
das Stimmrecht für das Unterhaus, und seit dem Jahre 1892 besitzen
auf jener Jnsel die weiblichen Steuerzahler in gleicher Weise das Wahl-
recht wie die Männer.

Vor ungefähr 70 Jahren hat sich das englische Parlament mit dem
Frauenstimmrecht zum erstenmal befaßt. Eine Frau aus der hohen
Aristokratie, Mary Smith von Stanmore, hatte eine Petition für das
Frauenwahlrecht eingereicht, die aber erfolglos blieb. Zwei der be-
rühmtesten Politiker Englands im 19. Jahrhundert, Richard Cobden
und John Stuart Mill, machten sich zu Wortführern der Bewegung für
Erlangung des Frauenstimmrechtes. John Stuart Mill legte im Jahre
1866 dem Parlament eine Petition von 1500 Frauen vor, die das
Stimmrecht forderten, und schon im folgenden Jahre konnte er eine
Petition mit 12000 Unterschriften überreichen. Am 20. Mai 1867 be-
antragte Mill bei Beratung der Wahlrechtsreform, daß das Wort

verleiht. Erst im März 1904 nahm der Senat den Entwurf an, nach-
dem er jedoch daraus das Recht der Frauen gestrichen hatte, als Ge-
werberichter gewählt zu werden. Wir konnten leider nicht feststellen,
ob sich die Hoffnungen der französischen Frauenrechtlerinnen erfüllt
haben, daß die Kammer die einschlägige Bestimmung wieder herstellen
und der Senat ihr bei abermaliger Beratung seine Zustimmung geben
würde. Auf Grund eines alten Gewohnheitsrechtes in manchen fran-
zösischen Gemeinden — ländlichen und städtischen — sind alle steuer-
zahlenden Frauen stimmberechtigt bei einer Art Referendum, mittels
dessen die Gemeindeverwaltungen wichtige Fragen zur Entscheidung
bringen. Es fehlt nicht an Beispielen, daß die Frauen dieses Stimm-
recht bis in die neueste Zeit hinaus ausgeübt haben, und zwar auch
in großen Gemeinden, so in Bordeaux und Marseille. Jm Jahre 1878
lag der französischen Kammer ein Antrag vor, dieses alte Gewohnheits-
recht in ein gesetzlich festgelegtes Recht zu verwandeln, gleichzeitig aber
den Frauen das Stimmrecht bei dem Referendum abzuerkennen. Für
das Recht der Frauen traten nur wenige Abgeordnete, vor allem aber
die Sozialisten ein. Der Antrag erlangte nicht Gesetzeskraft, so daß
also in Gemeinden die steuerzahlenden Frauen noch bei einem
Referendum ihre Stimme abgeben können. Jn neuerer Zeit
treten in den klerikalen Kreisen Strömungen zugunsten des Frauen-
stimmrechtes auf, die immer kräftiger werden und immer größere Kreise
erfassen. Jhre treibende Kraft ist nicht die Einsicht in den geschicht-
lichen Entwickelungsprozeß und Gerechtigkeitsgefühl dem weiblichen
Geschlecht gegenüber, sondern der Wunsch, die weiblichen Wähler als
eine Schutztruppe des Klerikalismus, der Kirche gegen die fortschritt-
lichen Elemente auszuspielen. Der letzte Parteitag der geeinten fran-
zösischen Sozialisten hat eine Resolution angenommen, die die Fraktion
auffordert, das politische Frauenwahlrecht in der Kammer zu bean-
tragen.

Großbritannien und Jrland. Englische Kolonial-
länder
.

Große Fortschritte, wenn auch noch keinen vollen Sieg, hat die
Sache des Frauenstimmrechtes in England zu verzeichnen. Freilich
besteht das politische Frauenwahlrecht erst zu dem kleinen Parlamentchen
der Jnsel Man, das neben dem weltbeherrschenden Parlament von West-
minster für England, Schottland und Jrland seine Selbständigkeit be-
wahrt hat. 1881 erhielten hier die Frauen, die Eigentümer von Grund-
stücken sind, deren Jahresertrag sich auf mindestens 81 Mk. beläuft,
das Stimmrecht für das Unterhaus, und seit dem Jahre 1892 besitzen
auf jener Jnsel die weiblichen Steuerzahler in gleicher Weise das Wahl-
recht wie die Männer.

Vor ungefähr 70 Jahren hat sich das englische Parlament mit dem
Frauenstimmrecht zum erstenmal befaßt. Eine Frau aus der hohen
Aristokratie, Mary Smith von Stanmore, hatte eine Petition für das
Frauenwahlrecht eingereicht, die aber erfolglos blieb. Zwei der be-
rühmtesten Politiker Englands im 19. Jahrhundert, Richard Cobden
und John Stuart Mill, machten sich zu Wortführern der Bewegung für
Erlangung des Frauenstimmrechtes. John Stuart Mill legte im Jahre
1866 dem Parlament eine Petition von 1500 Frauen vor, die das
Stimmrecht forderten, und schon im folgenden Jahre konnte er eine
Petition mit 12000 Unterschriften überreichen. Am 20. Mai 1867 be-
antragte Mill bei Beratung der Wahlrechtsreform, daß das Wort

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[58/0068] verleiht. Erst im März 1904 nahm der Senat den Entwurf an, nach- dem er jedoch daraus das Recht der Frauen gestrichen hatte, als Ge- werberichter gewählt zu werden. Wir konnten leider nicht feststellen, ob sich die Hoffnungen der französischen Frauenrechtlerinnen erfüllt haben, daß die Kammer die einschlägige Bestimmung wieder herstellen und der Senat ihr bei abermaliger Beratung seine Zustimmung geben würde. Auf Grund eines alten Gewohnheitsrechtes in manchen fran- zösischen Gemeinden — ländlichen und städtischen — sind alle steuer- zahlenden Frauen stimmberechtigt bei einer Art Referendum, mittels dessen die Gemeindeverwaltungen wichtige Fragen zur Entscheidung bringen. Es fehlt nicht an Beispielen, daß die Frauen dieses Stimm- recht bis in die neueste Zeit hinaus ausgeübt haben, und zwar auch in großen Gemeinden, so in Bordeaux und Marseille. Jm Jahre 1878 lag der französischen Kammer ein Antrag vor, dieses alte Gewohnheits- recht in ein gesetzlich festgelegtes Recht zu verwandeln, gleichzeitig aber den Frauen das Stimmrecht bei dem Referendum abzuerkennen. Für das Recht der Frauen traten nur wenige Abgeordnete, vor allem aber die Sozialisten ein. Der Antrag erlangte nicht Gesetzeskraft, so daß also in Gemeinden die steuerzahlenden Frauen noch bei einem Referendum ihre Stimme abgeben können. Jn neuerer Zeit treten in den klerikalen Kreisen Strömungen zugunsten des Frauen- stimmrechtes auf, die immer kräftiger werden und immer größere Kreise erfassen. Jhre treibende Kraft ist nicht die Einsicht in den geschicht- lichen Entwickelungsprozeß und Gerechtigkeitsgefühl dem weiblichen Geschlecht gegenüber, sondern der Wunsch, die weiblichen Wähler als eine Schutztruppe des Klerikalismus, der Kirche gegen die fortschritt- lichen Elemente auszuspielen. Der letzte Parteitag der geeinten fran- zösischen Sozialisten hat eine Resolution angenommen, die die Fraktion auffordert, das politische Frauenwahlrecht in der Kammer zu bean- tragen. Großbritannien und Jrland. Englische Kolonial- länder. Große Fortschritte, wenn auch noch keinen vollen Sieg, hat die Sache des Frauenstimmrechtes in England zu verzeichnen. Freilich besteht das politische Frauenwahlrecht erst zu dem kleinen Parlamentchen der Jnsel Man, das neben dem weltbeherrschenden Parlament von West- minster für England, Schottland und Jrland seine Selbständigkeit be- wahrt hat. 1881 erhielten hier die Frauen, die Eigentümer von Grund- stücken sind, deren Jahresertrag sich auf mindestens 81 Mk. beläuft, das Stimmrecht für das Unterhaus, und seit dem Jahre 1892 besitzen auf jener Jnsel die weiblichen Steuerzahler in gleicher Weise das Wahl- recht wie die Männer. Vor ungefähr 70 Jahren hat sich das englische Parlament mit dem Frauenstimmrecht zum erstenmal befaßt. Eine Frau aus der hohen Aristokratie, Mary Smith von Stanmore, hatte eine Petition für das Frauenwahlrecht eingereicht, die aber erfolglos blieb. Zwei der be- rühmtesten Politiker Englands im 19. Jahrhundert, Richard Cobden und John Stuart Mill, machten sich zu Wortführern der Bewegung für Erlangung des Frauenstimmrechtes. John Stuart Mill legte im Jahre 1866 dem Parlament eine Petition von 1500 Frauen vor, die das Stimmrecht forderten, und schon im folgenden Jahre konnte er eine Petition mit 12000 Unterschriften überreichen. Am 20. Mai 1867 be- antragte Mill bei Beratung der Wahlrechtsreform, daß das Wort

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-08-28T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-28T12:13:05Z)

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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/68>, abgerufen am 22.12.2024.