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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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mus, vor allem aber den verschiedenen Schattierungen des bürgerlichen
Freisinns zugute gekommen. Was aber bedeutet das, wenn man das
Frauenwahlrecht und zwar als allgemeines Frauenwahlrecht zur
Kampfesparole erhebt? Das mögen die folgenden Ausführungen zeigen.



V.
Die politischen Parteien und das Frauenwahlrecht.

Keine einzige der bürgerlichen liberalen und demokratischen Parteien
ist in Deutschland zurzeit offiziell und programmatisch auf das Frauen-
stimmrecht verpflichtet, von keiner einzigen von ihnen ist daher eine
energische und geschlossene Unterstützung dieser Forderung zu erwarten.
Die drei freisinnigen Fraktionen haben sich auf einer Tagung mit der
Frauenfrage so nebenher in oberflächlicher Weise auseinandergesetzt. Was
das Frauenstimmrecht insbesondere anbelangt, so haben sie ihm die
Almosen einiger freundlichen Redensarten zugeworfen, die durchblicken
ließen, daß der "volle und ganze" Freisinn nicht mehr abgeneigt sei,
später einmal, in nebelgrauer Zukunft, die Forderung in wohlwollende
Berücksichtigung ziehen zu wollen. Die Deutsche Volkspartei hat auf ihrem
letzten Parteitag zu München eine entschiedene Stellungnahme zu der
Frage des kommunalen und erst recht des politischen Wahlrechts ebenfalls
auf die lange Bank geschoben. Jhre einflußreichsten Führer bekämpfen
die Forderung mit Spießbürgerwitzchen, die der Clown in dem Zirkus
einer leidlich großen Stadt nicht mehr aufzutischen wagt. Jahrelang
haben die vulgärsten Mätzchen gegen das Frauenstimmrecht zu den be-
liebtesten Pfeilen gehört, welche die Partei in ihrem Kampfe gegen die
Sozialdemokratie von ihrem schlappen Bogen schnellte. Und noch im
letzten Landtagswahlkampfe -- Dezember 1906 -- haben die um Hauß-
mann und Payer in ihrem Kampfe gegen den "Umsturz" feierlich das
Frauenstimmrecht als eine "blinde Ueberstürzung" abgeschworen, für die
sich nur die utopienbegeisterte Sozialdemokratie erklären könne.

Was aber inmitten der bürgerlich liberalen und freisinnigen
Parteien die einzelnen "Frauenrechtsfreunde" wert sind, zu denen die
radikalen Frauenrechtlerinnen in der schwärmerischen Verzückung einer
ersten Backfischliebe aufblicken: das haben erst kurz vor den letzten Reichs-
tagswahlen wieder einmal Taten sinnenfällig enthüllt. Jm Frühjahr
1906 mußte der Reichstag über einen Antrag der Sozialdemokratie ver-
handeln, der zu den Parlamenten aller Bundesstaaten die Einführung
des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle
großjährigen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts
forderte, also das Frauenwahlrecht in sich begriff. Alle bürgerlichen
Parteien haben versagt, das allgemeine Wahlrecht überhaupt, das
Frauenwahlrecht insbesondere auch nur im Prinzip zu einem Siege
zu führen. Ausnahmslos haben sie gegen den sozialdemokratischen
Antrag gestimmt, und die Freisinnigen obendrein mit der aus-
drücklichen Begründung, ihm nicht beitreten zu können, weil er die
Forderung des Frauenwahlrechts enthalte. Doch mehr noch. Das
Frauenstimmrecht wurde auch von den vereinzelten bürgerlichen
Politikern schnöde im Stich gelassen, die in der Theorie für
diese Forderung schwärmen und von den bürgerlichen Frauenrechtle-
rinnen als die verdienstvollsten und zuverlässigsten Vorkämpfer für die
volle Gleichberechtigung der Geschlechter über den grünen Klee gefeiert

mus, vor allem aber den verschiedenen Schattierungen des bürgerlichen
Freisinns zugute gekommen. Was aber bedeutet das, wenn man das
Frauenwahlrecht und zwar als allgemeines Frauenwahlrecht zur
Kampfesparole erhebt? Das mögen die folgenden Ausführungen zeigen.



V.
Die politischen Parteien und das Frauenwahlrecht.

Keine einzige der bürgerlichen liberalen und demokratischen Parteien
ist in Deutschland zurzeit offiziell und programmatisch auf das Frauen-
stimmrecht verpflichtet, von keiner einzigen von ihnen ist daher eine
energische und geschlossene Unterstützung dieser Forderung zu erwarten.
Die drei freisinnigen Fraktionen haben sich auf einer Tagung mit der
Frauenfrage so nebenher in oberflächlicher Weise auseinandergesetzt. Was
das Frauenstimmrecht insbesondere anbelangt, so haben sie ihm die
Almosen einiger freundlichen Redensarten zugeworfen, die durchblicken
ließen, daß der „volle und ganze‟ Freisinn nicht mehr abgeneigt sei,
später einmal, in nebelgrauer Zukunft, die Forderung in wohlwollende
Berücksichtigung ziehen zu wollen. Die Deutsche Volkspartei hat auf ihrem
letzten Parteitag zu München eine entschiedene Stellungnahme zu der
Frage des kommunalen und erst recht des politischen Wahlrechts ebenfalls
auf die lange Bank geschoben. Jhre einflußreichsten Führer bekämpfen
die Forderung mit Spießbürgerwitzchen, die der Clown in dem Zirkus
einer leidlich großen Stadt nicht mehr aufzutischen wagt. Jahrelang
haben die vulgärsten Mätzchen gegen das Frauenstimmrecht zu den be-
liebtesten Pfeilen gehört, welche die Partei in ihrem Kampfe gegen die
Sozialdemokratie von ihrem schlappen Bogen schnellte. Und noch im
letzten Landtagswahlkampfe — Dezember 1906 — haben die um Hauß-
mann und Payer in ihrem Kampfe gegen den „Umsturz‟ feierlich das
Frauenstimmrecht als eine „blinde Ueberstürzung‟ abgeschworen, für die
sich nur die utopienbegeisterte Sozialdemokratie erklären könne.

Was aber inmitten der bürgerlich liberalen und freisinnigen
Parteien die einzelnen „Frauenrechtsfreunde‟ wert sind, zu denen die
radikalen Frauenrechtlerinnen in der schwärmerischen Verzückung einer
ersten Backfischliebe aufblicken: das haben erst kurz vor den letzten Reichs-
tagswahlen wieder einmal Taten sinnenfällig enthüllt. Jm Frühjahr
1906 mußte der Reichstag über einen Antrag der Sozialdemokratie ver-
handeln, der zu den Parlamenten aller Bundesstaaten die Einführung
des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle
großjährigen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts
forderte, also das Frauenwahlrecht in sich begriff. Alle bürgerlichen
Parteien haben versagt, das allgemeine Wahlrecht überhaupt, das
Frauenwahlrecht insbesondere auch nur im Prinzip zu einem Siege
zu führen. Ausnahmslos haben sie gegen den sozialdemokratischen
Antrag gestimmt, und die Freisinnigen obendrein mit der aus-
drücklichen Begründung, ihm nicht beitreten zu können, weil er die
Forderung des Frauenwahlrechts enthalte. Doch mehr noch. Das
Frauenstimmrecht wurde auch von den vereinzelten bürgerlichen
Politikern schnöde im Stich gelassen, die in der Theorie für
diese Forderung schwärmen und von den bürgerlichen Frauenrechtle-
rinnen als die verdienstvollsten und zuverlässigsten Vorkämpfer für die
volle Gleichberechtigung der Geschlechter über den grünen Klee gefeiert

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[18/0028] mus, vor allem aber den verschiedenen Schattierungen des bürgerlichen Freisinns zugute gekommen. Was aber bedeutet das, wenn man das Frauenwahlrecht und zwar als allgemeines Frauenwahlrecht zur Kampfesparole erhebt? Das mögen die folgenden Ausführungen zeigen. V. Die politischen Parteien und das Frauenwahlrecht. Keine einzige der bürgerlichen liberalen und demokratischen Parteien ist in Deutschland zurzeit offiziell und programmatisch auf das Frauen- stimmrecht verpflichtet, von keiner einzigen von ihnen ist daher eine energische und geschlossene Unterstützung dieser Forderung zu erwarten. Die drei freisinnigen Fraktionen haben sich auf einer Tagung mit der Frauenfrage so nebenher in oberflächlicher Weise auseinandergesetzt. Was das Frauenstimmrecht insbesondere anbelangt, so haben sie ihm die Almosen einiger freundlichen Redensarten zugeworfen, die durchblicken ließen, daß der „volle und ganze‟ Freisinn nicht mehr abgeneigt sei, später einmal, in nebelgrauer Zukunft, die Forderung in wohlwollende Berücksichtigung ziehen zu wollen. Die Deutsche Volkspartei hat auf ihrem letzten Parteitag zu München eine entschiedene Stellungnahme zu der Frage des kommunalen und erst recht des politischen Wahlrechts ebenfalls auf die lange Bank geschoben. Jhre einflußreichsten Führer bekämpfen die Forderung mit Spießbürgerwitzchen, die der Clown in dem Zirkus einer leidlich großen Stadt nicht mehr aufzutischen wagt. Jahrelang haben die vulgärsten Mätzchen gegen das Frauenstimmrecht zu den be- liebtesten Pfeilen gehört, welche die Partei in ihrem Kampfe gegen die Sozialdemokratie von ihrem schlappen Bogen schnellte. Und noch im letzten Landtagswahlkampfe — Dezember 1906 — haben die um Hauß- mann und Payer in ihrem Kampfe gegen den „Umsturz‟ feierlich das Frauenstimmrecht als eine „blinde Ueberstürzung‟ abgeschworen, für die sich nur die utopienbegeisterte Sozialdemokratie erklären könne. Was aber inmitten der bürgerlich liberalen und freisinnigen Parteien die einzelnen „Frauenrechtsfreunde‟ wert sind, zu denen die radikalen Frauenrechtlerinnen in der schwärmerischen Verzückung einer ersten Backfischliebe aufblicken: das haben erst kurz vor den letzten Reichs- tagswahlen wieder einmal Taten sinnenfällig enthüllt. Jm Frühjahr 1906 mußte der Reichstag über einen Antrag der Sozialdemokratie ver- handeln, der zu den Parlamenten aller Bundesstaaten die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle großjährigen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts forderte, also das Frauenwahlrecht in sich begriff. Alle bürgerlichen Parteien haben versagt, das allgemeine Wahlrecht überhaupt, das Frauenwahlrecht insbesondere auch nur im Prinzip zu einem Siege zu führen. Ausnahmslos haben sie gegen den sozialdemokratischen Antrag gestimmt, und die Freisinnigen obendrein mit der aus- drücklichen Begründung, ihm nicht beitreten zu können, weil er die Forderung des Frauenwahlrechts enthalte. Doch mehr noch. Das Frauenstimmrecht wurde auch von den vereinzelten bürgerlichen Politikern schnöde im Stich gelassen, die in der Theorie für diese Forderung schwärmen und von den bürgerlichen Frauenrechtle- rinnen als die verdienstvollsten und zuverlässigsten Vorkämpfer für die volle Gleichberechtigung der Geschlechter über den grünen Klee gefeiert

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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/28>, abgerufen am 21.11.2024.