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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten.
dieselben nicht mischbar sind. Was von zwei communicirenden Ge-
fässen gilt, das gilt auch von einem System, welches aus einer grös-
seren Zahl solcher Gefässe besteht, und das behält endlich seine Gül-
tigkeit, wenn es sich nicht bloss um den Druck der eigenen Schwere
der Flüssigkeit handelt, sondern wenn dieselbe überdies in dem einen
oder dem andern Gefäss noch unter einem äussern Drucke steht. Ein
derartiges System zahlreicher communicirender Gefässe ist z. B. das
thierische Gefässsystem. Fortwährend werden in demselben durch die
Action des Herzens Druckunterschiede erzeugt, eine Druckzunahme in
den Arterien durch deren Anfüllung, eine Druckabnahme in den Venen
durch deren Entleerung. Wie in jedem System communicirender Ge-
fässe, so muss auch hier der Druck fortwährend sich ausgleichen. Die
Kraft, welche die Blutbewegung zu Stande bringt, besteht in einer
Störung des hydrostatischen Gleichgewichts, die Blutbewegung selbst
ist eine fortwährende Wiederherstellung dieses Gleichgewichts.

Wie die Theilchen einer Flüssigkeit gegen einander oder gegen69
Gewichtsverlust
fester Körper
in Flüssigkei-
ten. Archime-
disches Princip.

die Wände des Gefässes, in welchem sie sich befinden, einen dem
Druck, unter dem sie selbst stehen, gleichen Druck ausüben, so ver-
halten sie sich auch gegen einen festen Körper, der in die Flüssigkeit
getaucht wird. Den Druck, welcher jeder Punkt des Körpers durch
die Schwere der Flüssigkeit erfährt, ist bloss abhängig von der Höhe
der Flüssigkeitssäule, die über ihm steht. So erfährt also die obere
Fläche des Körpers a b c d (Fig. 41) einen Druck, welcher gleich ist

[Abbildung] Fig. 41.
der Flüssigkeitssäule a e f b, die untere Flä-
che c d erfährt einen Druck, der einer Flüs-
sigkeitssäule c e f d gleichkommt. Ebenso
steht irgend ein Punkt der seitlichen Ober-
fläche, g oder h, unter einem Druck, welcher
der Höhe g e oder h f entspricht. Dabei ist
aber der Druck g e von g nach h und der
Druck h f von h nach g gerichtet. Die sämmt-
lichen seitlichen Druckkräfte heben sich da-
her auf, und es bleibt nur der Druck auf die obere Fläche a b und
auf die untere Fläche c d übrig. Der Körper wird also nach aufwärts
getrieben mit einer Kraft, die dem Unterschied der auf seiner untern
und oberen Fläche lastenden Druckkräfte gleich ist. Diese Kraft wirkt
der eigenen Schwere des Körpers entgegen, sie vermindert das Ge-
wicht desselben genau um das Gewicht einer dem Körper a b c d selbst
gleichen Flüssigkeitsmasse. Es ergiebt sich hieraus das allgemeine
Gesetz, dass jeder in eine Flüssigkeit getauchte Körper
ebenso viel an Gewicht verliert, als das Gewicht der Flüs-
sigkeit beträgt, das er verdrängt
. Man bezeichnet dieses Ge-
setz nach seinem Entdecker als das Princip des Archimedes.


Wundt, medicin. Physik. 7

Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten.
dieselben nicht mischbar sind. Was von zwei communicirenden Ge-
fässen gilt, das gilt auch von einem System, welches aus einer grös-
seren Zahl solcher Gefässe besteht, und das behält endlich seine Gül-
tigkeit, wenn es sich nicht bloss um den Druck der eigenen Schwere
der Flüssigkeit handelt, sondern wenn dieselbe überdies in dem einen
oder dem andern Gefäss noch unter einem äussern Drucke steht. Ein
derartiges System zahlreicher communicirender Gefässe ist z. B. das
thierische Gefässsystem. Fortwährend werden in demselben durch die
Action des Herzens Druckunterschiede erzeugt, eine Druckzunahme in
den Arterien durch deren Anfüllung, eine Druckabnahme in den Venen
durch deren Entleerung. Wie in jedem System communicirender Ge-
fässe, so muss auch hier der Druck fortwährend sich ausgleichen. Die
Kraft, welche die Blutbewegung zu Stande bringt, besteht in einer
Störung des hydrostatischen Gleichgewichts, die Blutbewegung selbst
ist eine fortwährende Wiederherstellung dieses Gleichgewichts.

Wie die Theilchen einer Flüssigkeit gegen einander oder gegen69
Gewichtsverlust
fester Körper
in Flüssigkei-
ten. Archime-
disches Princip.

die Wände des Gefässes, in welchem sie sich befinden, einen dem
Druck, unter dem sie selbst stehen, gleichen Druck ausüben, so ver-
halten sie sich auch gegen einen festen Körper, der in die Flüssigkeit
getaucht wird. Den Druck, welcher jeder Punkt des Körpers durch
die Schwere der Flüssigkeit erfährt, ist bloss abhängig von der Höhe
der Flüssigkeitssäule, die über ihm steht. So erfährt also die obere
Fläche des Körpers a b c d (Fig. 41) einen Druck, welcher gleich ist

[Abbildung] Fig. 41.
der Flüssigkeitssäule a e f b, die untere Flä-
che c d erfährt einen Druck, der einer Flüs-
sigkeitssäule c e f d gleichkommt. Ebenso
steht irgend ein Punkt der seitlichen Ober-
fläche, g oder h, unter einem Druck, welcher
der Höhe g e oder h f entspricht. Dabei ist
aber der Druck g e von g nach h und der
Druck h f von h nach g gerichtet. Die sämmt-
lichen seitlichen Druckkräfte heben sich da-
her auf, und es bleibt nur der Druck auf die obere Fläche a b und
auf die untere Fläche c d übrig. Der Körper wird also nach aufwärts
getrieben mit einer Kraft, die dem Unterschied der auf seiner untern
und oberen Fläche lastenden Druckkräfte gleich ist. Diese Kraft wirkt
der eigenen Schwere des Körpers entgegen, sie vermindert das Ge-
wicht desselben genau um das Gewicht einer dem Körper a b c d selbst
gleichen Flüssigkeitsmasse. Es ergiebt sich hieraus das allgemeine
Gesetz, dass jeder in eine Flüssigkeit getauchte Körper
ebenso viel an Gewicht verliert, als das Gewicht der Flüs-
sigkeit beträgt, das er verdrängt
. Man bezeichnet dieses Ge-
setz nach seinem Entdecker als das Princip des Archimedes.


Wundt, medicin. Physik. 7
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[97/0119] Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten. dieselben nicht mischbar sind. Was von zwei communicirenden Ge- fässen gilt, das gilt auch von einem System, welches aus einer grös- seren Zahl solcher Gefässe besteht, und das behält endlich seine Gül- tigkeit, wenn es sich nicht bloss um den Druck der eigenen Schwere der Flüssigkeit handelt, sondern wenn dieselbe überdies in dem einen oder dem andern Gefäss noch unter einem äussern Drucke steht. Ein derartiges System zahlreicher communicirender Gefässe ist z. B. das thierische Gefässsystem. Fortwährend werden in demselben durch die Action des Herzens Druckunterschiede erzeugt, eine Druckzunahme in den Arterien durch deren Anfüllung, eine Druckabnahme in den Venen durch deren Entleerung. Wie in jedem System communicirender Ge- fässe, so muss auch hier der Druck fortwährend sich ausgleichen. Die Kraft, welche die Blutbewegung zu Stande bringt, besteht in einer Störung des hydrostatischen Gleichgewichts, die Blutbewegung selbst ist eine fortwährende Wiederherstellung dieses Gleichgewichts. Wie die Theilchen einer Flüssigkeit gegen einander oder gegen die Wände des Gefässes, in welchem sie sich befinden, einen dem Druck, unter dem sie selbst stehen, gleichen Druck ausüben, so ver- halten sie sich auch gegen einen festen Körper, der in die Flüssigkeit getaucht wird. Den Druck, welcher jeder Punkt des Körpers durch die Schwere der Flüssigkeit erfährt, ist bloss abhängig von der Höhe der Flüssigkeitssäule, die über ihm steht. So erfährt also die obere Fläche des Körpers a b c d (Fig. 41) einen Druck, welcher gleich ist [Abbildung Fig. 41.] der Flüssigkeitssäule a e f b, die untere Flä- che c d erfährt einen Druck, der einer Flüs- sigkeitssäule c e f d gleichkommt. Ebenso steht irgend ein Punkt der seitlichen Ober- fläche, g oder h, unter einem Druck, welcher der Höhe g e oder h f entspricht. Dabei ist aber der Druck g e von g nach h und der Druck h f von h nach g gerichtet. Die sämmt- lichen seitlichen Druckkräfte heben sich da- her auf, und es bleibt nur der Druck auf die obere Fläche a b und auf die untere Fläche c d übrig. Der Körper wird also nach aufwärts getrieben mit einer Kraft, die dem Unterschied der auf seiner untern und oberen Fläche lastenden Druckkräfte gleich ist. Diese Kraft wirkt der eigenen Schwere des Körpers entgegen, sie vermindert das Ge- wicht desselben genau um das Gewicht einer dem Körper a b c d selbst gleichen Flüssigkeitsmasse. Es ergiebt sich hieraus das allgemeine Gesetz, dass jeder in eine Flüssigkeit getauchte Körper ebenso viel an Gewicht verliert, als das Gewicht der Flüs- sigkeit beträgt, das er verdrängt. Man bezeichnet dieses Ge- setz nach seinem Entdecker als das Princip des Archimedes. 69 Gewichtsverlust fester Körper in Flüssigkei- ten. Archime- disches Princip. Wundt, medicin. Physik. 7

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/119>, abgerufen am 26.04.2024.