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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Fünfter Abschnitt.
Von der Wärme
.

Die meisten Körper bewirken, wenn wir sie berühren, in unsern241
Allgemeine
Uebersicht der
Wärmeerschei-
nungen. Ein-
theilung dieses
Abschnitts.

Gefühlsnerven die Empfindung der Wärme oder der Kälte. Wir nen-
nen einen Körper warm, wenn er einen höheren, und kalt, wenn er
einen tieferen Wärmegrad als unsere Haut besitzt. Die Unterschei-
dung von kalt und warm bezieht sich somit nur auf unsere Empfin-
dungsorgane. Objectiv ist die Wärme ein Zustand, der jedem Körper
in irgend einem Grade zukommt, und der auf die sonstigen Eigen-
schaften desselben von wesentlichem Einflusse ist. Namentlich beobach-
ten wir, dass mit dem Steigen des Wärmegrades das Volum der Kör-
per zunimmt, und bei bestimmten Wärmegraden wechseln dieselben
ihren Aggregatzustand. Um diese Aenderungen des Volumens und
Aggregatzustandes zu bewirken, muss den Körpern Wärme von aus-
sen zugeführt oder entzogen werden. Dies geschieht theils durch Lei-
tung von einem Körper zu einem andern, der ihn berührt, theils, ähn-
lich der Fortpflanzung des Lichtes, durch Strahlung. Bei der Auf-
nahme der Wärme zeigen aber die Körper ein sehr verschiedenes
Verhalten, indem die einen mehr, die andern weniger Wärme bedürfen
um den gleichen Wärmegrad anzunehmen. Es ist, wie man sich kurz
ausdrückt, die Wärmecapacität oder die specifische Wärme
der Körper verschieden. Andere Unterschiede sind darin begründet,
dass bei der Ausdehnung der Körper, namentlich aber bei dem Ueber-
gang in einen loseren Aggregatzustand, immer ein Theil der zuge-
führten Wärme verschwindet, der dann bei der Rückkehr zum frühe-
ren Volum oder in den früheren Aggregatzustand wieder zum Vor-
schein kommt. Man bezeichnet diese Wärme als die latente Wärme
der Körper. Auch bei der Trennung chemisch zusammengesetzter
Körper in ihre Bestandtheile wird Wärme latent, während hingegen
bei der Entstehung chemischer Verbindungen Wärme gebildet wird.
Unter den chemischen Verbindungsprozessen ist die Verbrennung

Fünfter Abschnitt.
Von der Wärme
.

Die meisten Körper bewirken, wenn wir sie berühren, in unsern241
Allgemeine
Uebersicht der
Wärmeerschei-
nungen. Ein-
theilung dieses
Abschnitts.

Gefühlsnerven die Empfindung der Wärme oder der Kälte. Wir nen-
nen einen Körper warm, wenn er einen höheren, und kalt, wenn er
einen tieferen Wärmegrad als unsere Haut besitzt. Die Unterschei-
dung von kalt und warm bezieht sich somit nur auf unsere Empfin-
dungsorgane. Objectiv ist die Wärme ein Zustand, der jedem Körper
in irgend einem Grade zukommt, und der auf die sonstigen Eigen-
schaften desselben von wesentlichem Einflusse ist. Namentlich beobach-
ten wir, dass mit dem Steigen des Wärmegrades das Volum der Kör-
per zunimmt, und bei bestimmten Wärmegraden wechseln dieselben
ihren Aggregatzustand. Um diese Aenderungen des Volumens und
Aggregatzustandes zu bewirken, muss den Körpern Wärme von aus-
sen zugeführt oder entzogen werden. Dies geschieht theils durch Lei-
tung von einem Körper zu einem andern, der ihn berührt, theils, ähn-
lich der Fortpflanzung des Lichtes, durch Strahlung. Bei der Auf-
nahme der Wärme zeigen aber die Körper ein sehr verschiedenes
Verhalten, indem die einen mehr, die andern weniger Wärme bedürfen
um den gleichen Wärmegrad anzunehmen. Es ist, wie man sich kurz
ausdrückt, die Wärmecapacität oder die specifische Wärme
der Körper verschieden. Andere Unterschiede sind darin begründet,
dass bei der Ausdehnung der Körper, namentlich aber bei dem Ueber-
gang in einen loseren Aggregatzustand, immer ein Theil der zuge-
führten Wärme verschwindet, der dann bei der Rückkehr zum frühe-
ren Volum oder in den früheren Aggregatzustand wieder zum Vor-
schein kommt. Man bezeichnet diese Wärme als die latente Wärme
der Körper. Auch bei der Trennung chemisch zusammengesetzter
Körper in ihre Bestandtheile wird Wärme latent, während hingegen
bei der Entstehung chemischer Verbindungen Wärme gebildet wird.
Unter den chemischen Verbindungsprozessen ist die Verbrennung

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[[363]/0385] Fünfter Abschnitt. Von der Wärme. Die meisten Körper bewirken, wenn wir sie berühren, in unsern Gefühlsnerven die Empfindung der Wärme oder der Kälte. Wir nen- nen einen Körper warm, wenn er einen höheren, und kalt, wenn er einen tieferen Wärmegrad als unsere Haut besitzt. Die Unterschei- dung von kalt und warm bezieht sich somit nur auf unsere Empfin- dungsorgane. Objectiv ist die Wärme ein Zustand, der jedem Körper in irgend einem Grade zukommt, und der auf die sonstigen Eigen- schaften desselben von wesentlichem Einflusse ist. Namentlich beobach- ten wir, dass mit dem Steigen des Wärmegrades das Volum der Kör- per zunimmt, und bei bestimmten Wärmegraden wechseln dieselben ihren Aggregatzustand. Um diese Aenderungen des Volumens und Aggregatzustandes zu bewirken, muss den Körpern Wärme von aus- sen zugeführt oder entzogen werden. Dies geschieht theils durch Lei- tung von einem Körper zu einem andern, der ihn berührt, theils, ähn- lich der Fortpflanzung des Lichtes, durch Strahlung. Bei der Auf- nahme der Wärme zeigen aber die Körper ein sehr verschiedenes Verhalten, indem die einen mehr, die andern weniger Wärme bedürfen um den gleichen Wärmegrad anzunehmen. Es ist, wie man sich kurz ausdrückt, die Wärmecapacität oder die specifische Wärme der Körper verschieden. Andere Unterschiede sind darin begründet, dass bei der Ausdehnung der Körper, namentlich aber bei dem Ueber- gang in einen loseren Aggregatzustand, immer ein Theil der zuge- führten Wärme verschwindet, der dann bei der Rückkehr zum frühe- ren Volum oder in den früheren Aggregatzustand wieder zum Vor- schein kommt. Man bezeichnet diese Wärme als die latente Wärme der Körper. Auch bei der Trennung chemisch zusammengesetzter Körper in ihre Bestandtheile wird Wärme latent, während hingegen bei der Entstehung chemischer Verbindungen Wärme gebildet wird. Unter den chemischen Verbindungsprozessen ist die Verbrennung 241 Allgemeine Uebersicht der Wärmeerschei- nungen. Ein- theilung dieses Abschnitts.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. [363]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/385>, abgerufen am 19.11.2024.