Weil ein iegliches Volck das Recht hatVon der Furcht vor der benach- barten Macht, und von der Er- haltung des Gleich- gewichts. seine Macht zu vermehren (§. 1102.), und derjenige, so einem schaden kann, deswegen nicht gleich schaden will; so ist die anwach- sende Macht eines benachbarten Vol- ckes und die Furcht, die man daraus schöpfet, keine rechtmäßige Ursache zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe- gen da das Gleichgewicht unter den Völckern(aequilibrium inter gentes) der Zustand mehrerer Völcker genennet wird, die nach der Macht unter einander in einem ge- wissen Verhältniß stehen, darinn der Macht eines Mächtigern, oder der vereinigten Macht einiger die vereinbarte Macht der andern gleich ist; so giebt die alleinige Erhal- tung des Gleichgewichts unter den Völckern keine rechtmäßige Ursache zum Kriege ab, doch aber gehöret sie unter die anrathenden Gründe, wenn man über einen rechtmäßig anzufan- genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.). Wofern also ein Volck, so sich auf sei- ne Macht steifet, offenbare Anschläge hat sich andere Völcker unterwürfig zu machen, oder sich nicht scheuet die öffentliche Sicherheit der Völcker mit ungerechten Waffen zu stören; so ist es erlaubt, weil sich ein iedes Volck erhal- ten muß (§. 1093.), und allen Völckern insgesamt ein Recht zukommt einen Störer
der
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Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.
§. 1172.
Weil ein iegliches Volck das Recht hatVon der Furcht vor der benach- barten Macht, und von der Er- haltung des Gleich- gewichts. ſeine Macht zu vermehren (§. 1102.), und derjenige, ſo einem ſchaden kann, deswegen nicht gleich ſchaden will; ſo iſt die anwach- ſende Macht eines benachbarten Vol- ckes und die Furcht, die man daraus ſchoͤpfet, keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe- gen da das Gleichgewicht unter den Voͤlckern(æquilibrium inter gentes) der Zuſtand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die nach der Macht unter einander in einem ge- wiſſen Verhaͤltniß ſtehen, darinn der Macht eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht einiger die vereinbarte Macht der andern gleich iſt; ſo giebt die alleinige Erhal- tung des Gleichgewichts unter den Voͤlckern keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege ab, doch aber gehoͤret ſie unter die anrathenden Gruͤnde, wenn man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan- genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.). Wofern alſo ein Volck, ſo ſich auf ſei- ne Macht ſteifet, offenbare Anſchlaͤge hat ſich andere Voͤlcker unterwuͤrfig zu machen, oder ſich nicht ſcheuet die oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit ungerechten Waffen zu ſtoͤren; ſo iſt es erlaubt, weil ſich ein iedes Volck erhal- ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern insgeſamt ein Recht zukommt einen Stoͤrer
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Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.
§. 1172.
Weil ein iegliches Volck das Recht hat
ſeine Macht zu vermehren (§. 1102.), und
derjenige, ſo einem ſchaden kann, deswegen
nicht gleich ſchaden will; ſo iſt die anwach-
ſende Macht eines benachbarten Vol-
ckes und die Furcht, die man daraus
ſchoͤpfet, keine rechtmaͤßige Urſache
zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe-
gen da das Gleichgewicht unter den
Voͤlckern (æquilibrium inter gentes) der
Zuſtand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die
nach der Macht unter einander in einem ge-
wiſſen Verhaͤltniß ſtehen, darinn der Macht
eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht
einiger die vereinbarte Macht der andern
gleich iſt; ſo giebt die alleinige Erhal-
tung des Gleichgewichts unter den
Voͤlckern keine rechtmaͤßige Urſache
zum Kriege ab, doch aber gehoͤret ſie
unter die anrathenden Gruͤnde, wenn
man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan-
genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.).
Wofern alſo ein Volck, ſo ſich auf ſei-
ne Macht ſteifet, offenbare Anſchlaͤge
hat ſich andere Voͤlcker unterwuͤrfig
zu machen, oder ſich nicht ſcheuet die
oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit
ungerechten Waffen zu ſtoͤren; ſo iſt
es erlaubt, weil ſich ein iedes Volck erhal-
ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern
insgeſamt ein Recht zukommt einen Stoͤrer
der
Von der
Furcht
vor der
benach-
barten
Macht,
und von
der Er-
haltung
des
Gleich-
gewichts.
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/893>, abgerufen am 03.12.2024.
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