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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Vom Rechte des Krieges der Völcker.
§. 1172.

Weil ein iegliches Volck das Recht hatVon der
Furcht
vor der
benach-
barten
Macht,
und von
der Er-
haltung
des
Gleich-
gewichts.

seine Macht zu vermehren (§. 1102.), und
derjenige, so einem schaden kann, deswegen
nicht gleich schaden will; so ist die anwach-
sende Macht eines benachbarten Vol-
ckes und die Furcht, die man daraus
schöpfet, keine rechtmäßige Ursache
zum Kriege
(§. 1170. 1171.). Derowe-
gen da das Gleichgewicht unter den
Völckern
(aequilibrium inter gentes) der
Zustand mehrerer Völcker genennet wird, die
nach der Macht unter einander in einem ge-
wissen Verhältniß stehen, darinn der Macht
eines Mächtigern, oder der vereinigten Macht
einiger die vereinbarte Macht der andern
gleich ist; so giebt die alleinige Erhal-
tung des Gleichgewichts unter den
Völckern keine rechtmäßige Ursache
zum Kriege ab, doch aber gehöret sie
unter die anrathenden Gründe, wenn
man über einen rechtmäßig anzufan-
genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.).
Wofern
also ein Volck, so sich auf sei-
ne Macht steifet, offenbare Anschläge
hat sich andere Völcker unterwürfig
zu machen, oder sich nicht scheuet die
öffentliche Sicherheit der Völcker mit
ungerechten Waffen zu stören; so ist
es erlaubt,
weil sich ein iedes Volck erhal-
ten muß (§. 1093.), und allen Völckern
insgesamt ein Recht zukommt einen Störer

der
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Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.
§. 1172.

Weil ein iegliches Volck das Recht hatVon der
Furcht
vor der
benach-
barten
Macht,
und von
der Er-
haltung
des
Gleich-
gewichts.

ſeine Macht zu vermehren (§. 1102.), und
derjenige, ſo einem ſchaden kann, deswegen
nicht gleich ſchaden will; ſo iſt die anwach-
ſende Macht eines benachbarten Vol-
ckes und die Furcht, die man daraus
ſchoͤpfet, keine rechtmaͤßige Urſache
zum Kriege
(§. 1170. 1171.). Derowe-
gen da das Gleichgewicht unter den
Voͤlckern
(æquilibrium inter gentes) der
Zuſtand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die
nach der Macht unter einander in einem ge-
wiſſen Verhaͤltniß ſtehen, darinn der Macht
eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht
einiger die vereinbarte Macht der andern
gleich iſt; ſo giebt die alleinige Erhal-
tung des Gleichgewichts unter den
Voͤlckern keine rechtmaͤßige Urſache
zum Kriege ab, doch aber gehoͤret ſie
unter die anrathenden Gruͤnde, wenn
man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan-
genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.).
Wofern
alſo ein Volck, ſo ſich auf ſei-
ne Macht ſteifet, offenbare Anſchlaͤge
hat ſich andere Voͤlcker unterwuͤrfig
zu machen, oder ſich nicht ſcheuet die
oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit
ungerechten Waffen zu ſtoͤren; ſo iſt
es erlaubt,
weil ſich ein iedes Volck erhal-
ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern
insgeſamt ein Recht zukommt einen Stoͤrer

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[857/0893] Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. §. 1172. Weil ein iegliches Volck das Recht hat ſeine Macht zu vermehren (§. 1102.), und derjenige, ſo einem ſchaden kann, deswegen nicht gleich ſchaden will; ſo iſt die anwach- ſende Macht eines benachbarten Vol- ckes und die Furcht, die man daraus ſchoͤpfet, keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe- gen da das Gleichgewicht unter den Voͤlckern (æquilibrium inter gentes) der Zuſtand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die nach der Macht unter einander in einem ge- wiſſen Verhaͤltniß ſtehen, darinn der Macht eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht einiger die vereinbarte Macht der andern gleich iſt; ſo giebt die alleinige Erhal- tung des Gleichgewichts unter den Voͤlckern keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege ab, doch aber gehoͤret ſie unter die anrathenden Gruͤnde, wenn man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan- genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.). Wofern alſo ein Volck, ſo ſich auf ſei- ne Macht ſteifet, offenbare Anſchlaͤge hat ſich andere Voͤlcker unterwuͤrfig zu machen, oder ſich nicht ſcheuet die oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit ungerechten Waffen zu ſtoͤren; ſo iſt es erlaubt, weil ſich ein iedes Volck erhal- ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern insgeſamt ein Recht zukommt einen Stoͤrer der Von der Furcht vor der benach- barten Macht, und von der Er- haltung des Gleich- gewichts. H h h 5

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/893>, abgerufen am 03.12.2024.