Wenn man sich über einen Handel ver- gleicht, so wird stillschweigend in alles übri- ge, was erfordert wird, daß solcher bestehen könne, gewilliget. Derowegen wird ange- nommen, daß man stillschweigend al- les verglichen und versprochen habe, ohne welches das, worein man gewil- liget hat, nicht bestehen kann. So liegt in einem ieden wohlthätigen Contract eine Schadloshaltung dessen, der dem andern etwas umsonst leistet, als welcher nicht Platz hat ausser der Verbindlichkeit, da niemand mit des andern seinem Schaden reicher werden muß (§. 271.). Es wird aber eine still- schweigende Treue und Glaube(fides tacita) genennet, welche sich auf eine still- schweigende Einwilligung gründet, und die deswegen nicht weniger heilig seyn muß, als die ausdrückliche, als welche nämlich auf einer ausdrücklichen Einwilligung be- ruhet.
§. 1155.
Von dem Rechte der ge- ringern Gewal- tigen.
Weil die geringern Gewaltigen alles Recht von der höchsten Gewalt haben (§. 1140.); so können sie im Nahmen der höch- sten nichts versprechen, ausser wenn sie ausdrückliche Vollmacht dazu ha- ben, oder was innerhalb den Schran- cken ihres Amts, dem sie vorgesetzet sind, geschehen kann: sie können auch diejenigen, welchen sie vorgesetzt sind,
oder
IV.Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſen
§. 1154.
Von der ſtill- ſchwei- genden Treue u. Glauben.
Wenn man ſich uͤber einen Handel ver- gleicht, ſo wird ſtillſchweigend in alles uͤbri- ge, was erfordert wird, daß ſolcher beſtehen koͤnne, gewilliget. Derowegen wird ange- nommen, daß man ſtillſchweigend al- les verglichen und verſprochen habe, ohne welches das, worein man gewil- liget hat, nicht beſtehen kann. So liegt in einem ieden wohlthaͤtigen Contract eine Schadloshaltung deſſen, der dem andern etwas umſonſt leiſtet, als welcher nicht Platz hat auſſer der Verbindlichkeit, da niemand mit des andern ſeinem Schaden reicher werden muß (§. 271.). Es wird aber eine ſtill- ſchweigende Treue und Glaube(fides tacita) genennet, welche ſich auf eine ſtill- ſchweigende Einwilligung gruͤndet, und die deswegen nicht weniger heilig ſeyn muß, als die ausdruͤckliche, als welche naͤmlich auf einer ausdruͤcklichen Einwilligung be- ruhet.
§. 1155.
Von dem Rechte der ge- ringern Gewal- tigen.
Weil die geringern Gewaltigen alles Recht von der hoͤchſten Gewalt haben (§. 1140.); ſo koͤnnen ſie im Nahmen der hoͤch- ſten nichts verſprechen, auſſer wenn ſie ausdruͤckliche Vollmacht dazu ha- ben, oder was innerhalb den Schran- cken ihres Amts, dem ſie vorgeſetzet ſind, geſchehen kann: ſie koͤnnen auch diejenigen, welchen ſie vorgeſetzt ſind,
oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0880"n="844"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#b">Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſen</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 1154.</head><lb/><noteplace="left">Von der<lb/>ſtill-<lb/>ſchwei-<lb/>
genden<lb/>
Treue u.<lb/>
Glauben.</note><p>Wenn man ſich uͤber einen Handel ver-<lb/>
gleicht, ſo wird ſtillſchweigend in alles uͤbri-<lb/>
ge, was erfordert wird, daß ſolcher beſtehen<lb/>
koͤnne, gewilliget. Derowegen <hirendition="#fr">wird ange-<lb/>
nommen, daß man ſtillſchweigend al-<lb/>
les verglichen und verſprochen habe,<lb/>
ohne welches das, worein man gewil-<lb/>
liget hat, nicht beſtehen kann.</hi> So<lb/>
liegt in einem ieden wohlthaͤtigen Contract<lb/>
eine Schadloshaltung deſſen, der dem andern<lb/>
etwas umſonſt leiſtet, als welcher nicht Platz<lb/>
hat auſſer der Verbindlichkeit, da niemand<lb/>
mit des andern ſeinem Schaden reicher werden<lb/>
muß (§. 271.). Es wird aber eine <hirendition="#fr">ſtill-<lb/>ſchweigende Treue und Glaube</hi><hirendition="#aq">(fides<lb/>
tacita)</hi> genennet, welche ſich auf eine ſtill-<lb/>ſchweigende Einwilligung gruͤndet, und die<lb/>
deswegen <hirendition="#fr">nicht weniger heilig ſeyn muß,<lb/>
als die ausdruͤckliche,</hi> als welche naͤmlich<lb/>
auf einer ausdruͤcklichen Einwilligung be-<lb/>
ruhet.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 1155.</head><lb/><noteplace="left">Von dem<lb/>
Rechte<lb/>
der ge-<lb/>
ringern<lb/>
Gewal-<lb/>
tigen.</note><p>Weil die geringern Gewaltigen alles Recht<lb/>
von der hoͤchſten Gewalt haben (§. 1140.);<lb/><hirendition="#fr">ſo koͤnnen ſie im Nahmen der hoͤch-<lb/>ſten nichts verſprechen, auſſer wenn<lb/>ſie ausdruͤckliche Vollmacht dazu ha-<lb/>
ben, oder was innerhalb den Schran-<lb/>
cken ihres Amts, dem ſie vorgeſetzet<lb/>ſind, geſchehen kann: ſie koͤnnen auch<lb/>
diejenigen, welchen ſie vorgeſetzt ſind,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">oder</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[844/0880]
IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſen
§. 1154.
Wenn man ſich uͤber einen Handel ver-
gleicht, ſo wird ſtillſchweigend in alles uͤbri-
ge, was erfordert wird, daß ſolcher beſtehen
koͤnne, gewilliget. Derowegen wird ange-
nommen, daß man ſtillſchweigend al-
les verglichen und verſprochen habe,
ohne welches das, worein man gewil-
liget hat, nicht beſtehen kann. So
liegt in einem ieden wohlthaͤtigen Contract
eine Schadloshaltung deſſen, der dem andern
etwas umſonſt leiſtet, als welcher nicht Platz
hat auſſer der Verbindlichkeit, da niemand
mit des andern ſeinem Schaden reicher werden
muß (§. 271.). Es wird aber eine ſtill-
ſchweigende Treue und Glaube (fides
tacita) genennet, welche ſich auf eine ſtill-
ſchweigende Einwilligung gruͤndet, und die
deswegen nicht weniger heilig ſeyn muß,
als die ausdruͤckliche, als welche naͤmlich
auf einer ausdruͤcklichen Einwilligung be-
ruhet.
§. 1155.
Weil die geringern Gewaltigen alles Recht
von der hoͤchſten Gewalt haben (§. 1140.);
ſo koͤnnen ſie im Nahmen der hoͤch-
ſten nichts verſprechen, auſſer wenn
ſie ausdruͤckliche Vollmacht dazu ha-
ben, oder was innerhalb den Schran-
cken ihres Amts, dem ſie vorgeſetzet
ſind, geſchehen kann: ſie koͤnnen auch
diejenigen, welchen ſie vorgeſetzt ſind,
oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/880>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.