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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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und dem allgem. Recht der Menschen.
des angebohrnes Recht ein vollkom-
menes Recht
(§. 74.).

§. 82.

Und daher erhellet, weil ich verbundenVon dem
Rechte
Liebes-
Dieuste
zu bit-
ten.

bin, anderer Hülfe in denen Fällen zu suchen,
in welchen ich mir selbst nicht hinlänglich hel-
fen kann (§. 44.); so ist das Recht, Lie-
bes-Dienste zu bitten, ein vollkomme-
nes Recht, obgleich das Recht zu den Lie-
bes-Diensten, die hier und jetzt von die-
sem geleistet werden, ein unvollkomme-
nes Recht ist
(jus imperfectum est) (§. 79.
80.). Da niemand den andern in dem Gebrauch
seines Rechts verhindern darf (§. 66.); so muß
man
auch niemand verhindern, um ei-
nen Liebes-Dienst zu bitten; und wenn
er bittet, so muß man es mit gelaße-
nem Gemüthe anhören.
Weil wir bloß
verbunden sind Liebes-Dienste dem Bedürfti-
gen zu leisten; so ist nothwendig, daß sie erbe-
then werden müßen.

§. 83.

Ungerecht (injustum) ist dasjenige, wasVom ge-
rechten
und un-
gerech-
ten, billi-
gen und
unbilli-
gen.

dem vollkommenen Rechte des andern zuwie-
der geschieht; unbillig (iniquum), was dem
unvollkommenen Rechte des andern zuwieder
geschieht. Es geschieht aber etwas dem
Recht des andern zuwieder
(fit contra
jus alterius),
wodurch dasselbe entweder ihm
benommen, oder vermindert, oder der Ge-
brauch desselben, es sey auf was vor Art und
Weise es wolle, verhindert wird; so wie im

Gegen-
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und dem allgem. Recht der Menſchen.
des angebohrnes Recht ein vollkom-
menes Recht
(§. 74.).

§. 82.

Und daher erhellet, weil ich verbundenVon dem
Rechte
Liebes-
Dieuſte
zu bit-
ten.

bin, anderer Huͤlfe in denen Faͤllen zu ſuchen,
in welchen ich mir ſelbſt nicht hinlaͤnglich hel-
fen kann (§. 44.); ſo iſt das Recht, Lie-
bes-Dienſte zu bitten, ein vollkomme-
nes Recht, obgleich das Recht zu den Lie-
bes-Dienſten, die hier und jetzt von die-
ſem geleiſtet werden, ein unvollkomme-
nes Recht iſt
(jus imperfectum eſt) (§. 79.
80.). Da niemand den andern in dem Gebrauch
ſeines Rechts verhindern darf (§. 66.); ſo muß
man
auch niemand verhindern, um ei-
nen Liebes-Dienſt zu bitten; und wenn
er bittet, ſo muß man es mit gelaße-
nem Gemuͤthe anhoͤren.
Weil wir bloß
verbunden ſind Liebes-Dienſte dem Beduͤrfti-
gen zu leiſten; ſo iſt nothwendig, daß ſie erbe-
then werden muͤßen.

§. 83.

Ungerecht (injuſtum) iſt dasjenige, wasVom ge-
rechten
und un-
gerech-
ten, billi-
gen und
unbilli-
gen.

dem vollkommenen Rechte des andern zuwie-
der geſchieht; unbillig (iniquum), was dem
unvollkommenen Rechte des andern zuwieder
geſchieht. Es geſchieht aber etwas dem
Recht des andern zuwieder
(fit contra
jus alterius),
wodurch daſſelbe entweder ihm
benommen, oder vermindert, oder der Ge-
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Weiſe es wolle, verhindert wird; ſo wie im

Gegen-
D 2
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[51/0087] und dem allgem. Recht der Menſchen. des angebohrnes Recht ein vollkom- menes Recht (§. 74.). §. 82. Und daher erhellet, weil ich verbunden bin, anderer Huͤlfe in denen Faͤllen zu ſuchen, in welchen ich mir ſelbſt nicht hinlaͤnglich hel- fen kann (§. 44.); ſo iſt das Recht, Lie- bes-Dienſte zu bitten, ein vollkomme- nes Recht, obgleich das Recht zu den Lie- bes-Dienſten, die hier und jetzt von die- ſem geleiſtet werden, ein unvollkomme- nes Recht iſt (jus imperfectum eſt) (§. 79. 80.). Da niemand den andern in dem Gebrauch ſeines Rechts verhindern darf (§. 66.); ſo muß man auch niemand verhindern, um ei- nen Liebes-Dienſt zu bitten; und wenn er bittet, ſo muß man es mit gelaße- nem Gemuͤthe anhoͤren. Weil wir bloß verbunden ſind Liebes-Dienſte dem Beduͤrfti- gen zu leiſten; ſo iſt nothwendig, daß ſie erbe- then werden muͤßen. Von dem Rechte Liebes- Dieuſte zu bit- ten. §. 83. Ungerecht (injuſtum) iſt dasjenige, was dem vollkommenen Rechte des andern zuwie- der geſchieht; unbillig (iniquum), was dem unvollkommenen Rechte des andern zuwieder geſchieht. Es geſchieht aber etwas dem Recht des andern zuwieder (fit contra jus alterius), wodurch daſſelbe entweder ihm benommen, oder vermindert, oder der Ge- brauch deſſelben, es ſey auf was vor Art und Weiſe es wolle, verhindert wird; ſo wie im Gegen- Vom ge- rechten und un- gerech- ten, billi- gen und unbilli- gen. D 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/87>, abgerufen am 21.11.2024.