tia) seiner Handlungen, nach seinen eigenen Wil- len wird die Freyheit(libertas) genannt. Von Natur sind also alle Menschen frey. Da aber die natürliche Verbindlichkeit unver- änderlich ist (§. 38.), so hebt die Frey- heit die natürliche Verbindlichkeit nicht auf, noch verändert etwas in derselben.
§. 78.
Was da- her von Seiten der an- dern vor eine Ver- bindlich- keit statt findet.
Da vermöge der natürlichen Frey- heit, der Mensch in seinen Handlungen sich bloß nach seinem Willen, nicht aber eines an- dern richten darf (§. 77.); so ist eben daher ihm zu erlauben, daß er bey der Be- stimmung seiner Handlungen seinem Urtheil folge, und daß er nicht gehal- ten ist einem Menschen Rechenschaft zu geben, warum er dieses thue, oder nicht thue; wenn er nur nicht gegen jemand anders etwas unternimmt, welches er zu unterlassen vollkommen (perfecte)verbunden ist (§. 80.).
§. 79.
Beobach- tung der Liebes- Dienste.
Daher erhellet ferner, daß man es in Beobachtung der Liebes-Dienste dem Urtheil desjenigen, der sie leistet, über- lassen müsse, ob es in seinem Vermö- gen stehe, sie zu leisten, oder nicht; eben wie demjenigen, der dieselben ver- langet, das Urtheil von seiner Bedürf- nis überlassen wird; folglich wenn einer dem andern einen Liebes-Dienst ab-
schlägt,
I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
tia) ſeiner Handlungen, nach ſeinen eigenen Wil- len wird die Freyheit(libertas) genannt. Von Natur ſind alſo alle Menſchen frey. Da aber die natuͤrliche Verbindlichkeit unver- aͤnderlich iſt (§. 38.), ſo hebt die Frey- heit die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf, noch veraͤndert etwas in derſelben.
§. 78.
Was da- her von Seiten der an- dern vor eine Ver- bindlich- keit ſtatt findet.
Da vermoͤge der natuͤrlichen Frey- heit, der Menſch in ſeinen Handlungen ſich bloß nach ſeinem Willen, nicht aber eines an- dern richten darf (§. 77.); ſo iſt eben daher ihm zu erlauben, daß er bey der Be- ſtimmung ſeiner Handlungen ſeinem Urtheil folge, und daß er nicht gehal- ten iſt einem Menſchen Rechenſchaft zu geben, warum er dieſes thue, oder nicht thue; wenn er nur nicht gegen jemand anders etwas unternimmt, welches er zu unterlaſſen vollkommen (perfecte)verbunden iſt (§. 80.).
§. 79.
Beobach- tung der Liebes- Dienſte.
Daher erhellet ferner, daß man es in Beobachtung der Liebes-Dienſte dem Urtheil desjenigen, der ſie leiſtet, uͤber- laſſen muͤſſe, ob es in ſeinem Vermoͤ- gen ſtehe, ſie zu leiſten, oder nicht; eben wie demjenigen, der dieſelben ver- langet, das Urtheil von ſeiner Beduͤrf- nis uͤberlaſſen wird; folglich wenn einer dem andern einen Liebes-Dienſt ab-
ſchlaͤgt,
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I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
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Natur ſind alſo alle Menſchen frey.
Da aber die natuͤrliche Verbindlichkeit unver-
aͤnderlich iſt (§. 38.), ſo hebt die Frey-
heit die natuͤrliche Verbindlichkeit
nicht auf, noch veraͤndert etwas in
derſelben.
§. 78.
Da vermoͤge der natuͤrlichen Frey-
heit, der Menſch in ſeinen Handlungen ſich
bloß nach ſeinem Willen, nicht aber eines an-
dern richten darf (§. 77.); ſo iſt eben daher
ihm zu erlauben, daß er bey der Be-
ſtimmung ſeiner Handlungen ſeinem
Urtheil folge, und daß er nicht gehal-
ten iſt einem Menſchen Rechenſchaft
zu geben, warum er dieſes thue, oder
nicht thue; wenn er nur nicht gegen
jemand anders etwas unternimmt,
welches er zu unterlaſſen vollkommen
(perfecte) verbunden iſt (§. 80.).
§. 79.
Daher erhellet ferner, daß man es in
Beobachtung der Liebes-Dienſte dem
Urtheil desjenigen, der ſie leiſtet, uͤber-
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gen ſtehe, ſie zu leiſten, oder nicht;
eben wie demjenigen, der dieſelben ver-
langet, das Urtheil von ſeiner Beduͤrf-
nis uͤberlaſſen wird; folglich wenn einer
dem andern einen Liebes-Dienſt ab-
ſchlaͤgt,
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/84>, abgerufen am 21.11.2024.
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