Freyheit (§. 77.), deren Gebrauch von einem andern Volcke nicht gehindert werden muß (§. 78.). Kein Volck darf das andere beleidigen, oder dessen voll- kommnes Recht verletzen (§. 88.), oder ihm Unrecht thun (§. 87.): Ja es kommt einem ieden Volcke das Recht zu sich wider ein zuzufügendes Un- recht zu vertheidigen (§. 90.), und ein bereits angethanes zu bestrafen (§. 93.). Ueberdem haben auch alle Völcker das Recht sich andere, daß sie ihnen dieses und jenes leisten müssen, verbindlich zu machen, und folglich ein vollkomm- nes Recht sich etwas zu erwerben (§. 97.), so ihnen nicht entrissen werden kann (§. 100.), und dann endlich auch das Recht des Krieges (§. 92.).
§. 1090.
Von dem will kühr- lichen Rechte der Völ- ker.
Weil die Völcker schuldig sind sich und ihren Zustand mit vereinigten Kräften vollkommner zu machen (§. 44. 1088.); so hat die Natur selbst un- ter den Völckern eine Gesellschaft ge- stiftet, in welche sie wegen der unwiderruf- lichen Nothwendigkeit der natürlichen Ver- bindlichkeit willigen müssen (§. 38.), so daß es scheinet als wenn sie durch einen eigenen Vertrag zu wege gebracht wäre (§. 836.). Und diese Gesellschaft, so der gemeinsamen Wohlfahrt wegen errichtet ist, wird der grösseste Staat(civitas maxima) genen-
net,
IV.Theil 1. Hauptſtuͤck.
Freyheit (§. 77.), deren Gebrauch von einem andern Volcke nicht gehindert werden muß (§. 78.). Kein Volck darf das andere beleidigen, oder deſſen voll- kommnes Recht verletzen (§. 88.), oder ihm Unrecht thun (§. 87.): Ja es kommt einem ieden Volcke das Recht zu ſich wider ein zuzufuͤgendes Un- recht zu vertheidigen (§. 90.), und ein bereits angethanes zu beſtrafen (§. 93.). Ueberdem haben auch alle Voͤlcker das Recht ſich andere, daß ſie ihnen dieſes und jenes leiſten muͤſſen, verbindlich zu machen, und folglich ein vollkomm- nes Recht ſich etwas zu erwerben (§. 97.), ſo ihnen nicht entriſſen werden kann (§. 100.), und dann endlich auch das Recht des Krieges (§. 92.).
§. 1090.
Von dem will kuͤhr- lichen Rechte der Voͤl- ker.
Weil die Voͤlcker ſchuldig ſind ſich und ihren Zuſtand mit vereinigten Kraͤften vollkommner zu machen (§. 44. 1088.); ſo hat die Natur ſelbſt un- ter den Voͤlckern eine Geſellſchaft ge- ſtiftet, in welche ſie wegen der unwiderruf- lichen Nothwendigkeit der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit willigen muͤſſen (§. 38.), ſo daß es ſcheinet als wenn ſie durch einen eigenen Vertrag zu wege gebracht waͤre (§. 836.). Und dieſe Geſellſchaft, ſo der gemeinſamen Wohlfahrt wegen errichtet iſt, wird der groͤſſeſte Staat(civitas maxima) genen-
net,
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IV. Theil 1. Hauptſtuͤck.
Freyheit (§. 77.), deren Gebrauch von
einem andern Volcke nicht gehindert
werden muß (§. 78.). Kein Volck darf
das andere beleidigen, oder deſſen voll-
kommnes Recht verletzen (§. 88.), oder
ihm Unrecht thun (§. 87.): Ja es
kommt einem ieden Volcke das Recht
zu ſich wider ein zuzufuͤgendes Un-
recht zu vertheidigen (§. 90.), und ein
bereits angethanes zu beſtrafen (§. 93.).
Ueberdem haben auch alle Voͤlcker das
Recht ſich andere, daß ſie ihnen dieſes
und jenes leiſten muͤſſen, verbindlich
zu machen, und folglich ein vollkomm-
nes Recht ſich etwas zu erwerben (§.
97.), ſo ihnen nicht entriſſen werden
kann (§. 100.), und dann endlich auch das
Recht des Krieges (§. 92.).
§. 1090.
Weil die Voͤlcker ſchuldig ſind ſich
und ihren Zuſtand mit vereinigten
Kraͤften vollkommner zu machen (§.
44. 1088.); ſo hat die Natur ſelbſt un-
ter den Voͤlckern eine Geſellſchaft ge-
ſtiftet, in welche ſie wegen der unwiderruf-
lichen Nothwendigkeit der natuͤrlichen Ver-
bindlichkeit willigen muͤſſen (§. 38.), ſo daß
es ſcheinet als wenn ſie durch einen eigenen
Vertrag zu wege gebracht waͤre (§. 836.).
Und dieſe Geſellſchaft, ſo der gemeinſamen
Wohlfahrt wegen errichtet iſt, wird der
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 796. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/832>, abgerufen am 21.11.2024.
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