Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Th. 2. A. 5. H. Von der natürl. Lehre
ben erst durch den Willen des Ober-
herrn, welcher befiehlt daß es Gesetze
seines Staats seyn sollen, die Kraft zu
verbinden.
Weil aber die öffentliche Wohl-
fahrt das höchste Gesetz ist (§. 976.); so
müssen fremde Gesetze nicht ehr ange-
nommen werden, als erwiesen ist, daß
durch ihre Vorschriften das gemein-
same Wohl dieses Staates befördert
werden könne, und wenn
daher, nach-
dem sich der Zustand der Sache geän-
dert, oder man den Jrrthum erkannt
hat, bemercket wird, daß sie keine
Mittel das gemeinsame Beste zu be-
fördern abgeben, so muß man sie wie-
derum abschaffen
: und dies ist auch über-
haupt von allen Gesetzen zu behalten.

§. 1069.
Von dem
Verhält-
nisse der
bürgerli-
chen Ge-
setze ge-
gen die
natürli-
chen ge-
bieten-
den und
verbie-
ten den
Gesetze.

Da die natürliche Verbindlichkeit unver-
änderlich ist (§. 38.), und sich kein Mensch
davon losmachen kann (§. 42.); so müssen
die bürgerlichen Gesetze denen natür-
lichen gebietenden und verbietenden
nicht zuwider seyn
; folglich kann das
bürgerliche Gesetz aus dem, was man
natürlicher Weise schuldig ist, nicht et-
was unerlaubtes, und aus dem, was
natürlicher Weise unerlaubt ist, nicht
eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub-
tes machen
(§. 49.). Derowegen wenn
nach dem bürgerlichen Gesetze still-
schweigend zugelassen wird, was ei-

nem

III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre
ben erſt durch den Willen des Ober-
herrn, welcher befiehlt daß es Geſetze
ſeines Staats ſeyn ſollen, die Kraft zu
verbinden.
Weil aber die oͤffentliche Wohl-
fahrt das hoͤchſte Geſetz iſt (§. 976.); ſo
muͤſſen fremde Geſetze nicht ehr ange-
nommen werden, als erwieſen iſt, daß
durch ihre Vorſchriften das gemein-
ſame Wohl dieſes Staates befoͤrdert
werden koͤnne, und wenn
daher, nach-
dem ſich der Zuſtand der Sache geaͤn-
dert, oder man den Jrrthum erkannt
hat, bemercket wird, daß ſie keine
Mittel das gemeinſame Beſte zu be-
foͤrdern abgeben, ſo muß man ſie wie-
derum abſchaffen
: und dies iſt auch uͤber-
haupt von allen Geſetzen zu behalten.

§. 1069.
Von dem
Verhaͤlt-
niſſe der
buͤrgerli-
chen Ge-
ſetze ge-
gen die
natuͤrli-
chen ge-
bieten-
den und
verbie-
ten den
Geſetze.

Da die natuͤrliche Verbindlichkeit unver-
aͤnderlich iſt (§. 38.), und ſich kein Menſch
davon losmachen kann (§. 42.); ſo muͤſſen
die buͤrgerlichen Geſetze denen natuͤr-
lichen gebietenden und verbietenden
nicht zuwider ſeyn
; folglich kann das
buͤrgerliche Geſetz aus dem, was man
natuͤrlicher Weiſe ſchuldig iſt, nicht et-
was unerlaubtes, und aus dem, was
natuͤrlicher Weiſe unerlaubt iſt, nicht
eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub-
tes machen
(§. 49.). Derowegen wenn
nach dem buͤrgerlichen Geſetze ſtill-
ſchweigend zugelaſſen wird, was ei-

nem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0814" n="778"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#b">Th. 2. A. 5. H. Von der natu&#x0364;rl. Lehre</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ben er&#x017F;t durch den Willen des Ober-<lb/>
herrn, welcher befiehlt daß es Ge&#x017F;etze<lb/>
&#x017F;eines Staats &#x017F;eyn &#x017F;ollen, die Kraft zu<lb/>
verbinden.</hi> Weil aber die o&#x0364;ffentliche Wohl-<lb/>
fahrt das ho&#x0364;ch&#x017F;te Ge&#x017F;etz i&#x017F;t (§. 976.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en fremde Ge&#x017F;etze nicht ehr ange-<lb/>
nommen werden, als erwie&#x017F;en i&#x017F;t, daß<lb/>
durch ihre Vor&#x017F;chriften das gemein-<lb/>
&#x017F;ame Wohl die&#x017F;es Staates befo&#x0364;rdert<lb/>
werden ko&#x0364;nne, und wenn</hi> daher, <hi rendition="#fr">nach-<lb/>
dem &#x017F;ich der Zu&#x017F;tand der Sache gea&#x0364;n-<lb/>
dert, oder man den Jrrthum erkannt<lb/>
hat, bemercket wird, daß &#x017F;ie keine<lb/>
Mittel das gemein&#x017F;ame Be&#x017F;te zu be-<lb/>
fo&#x0364;rdern abgeben, &#x017F;o muß man &#x017F;ie wie-<lb/>
derum ab&#x017F;chaffen</hi>: und dies i&#x017F;t auch u&#x0364;ber-<lb/>
haupt von allen Ge&#x017F;etzen zu behalten.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 1069.</head><lb/>
                <note place="left">Von dem<lb/>
Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
bu&#x0364;rgerli-<lb/>
chen Ge-<lb/>
&#x017F;etze ge-<lb/>
gen die<lb/>
natu&#x0364;rli-<lb/>
chen ge-<lb/>
bieten-<lb/>
den und<lb/>
verbie-<lb/>
ten den<lb/>
Ge&#x017F;etze.</note>
                <p>Da die natu&#x0364;rliche Verbindlichkeit unver-<lb/>
a&#x0364;nderlich i&#x017F;t (§. 38.), und &#x017F;ich kein Men&#x017F;ch<lb/>
davon losmachen kann (§. 42.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze denen natu&#x0364;r-<lb/>
lichen gebietenden und verbietenden<lb/>
nicht zuwider &#x017F;eyn</hi>; folglich <hi rendition="#fr">kann das<lb/>
bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;etz aus dem, was man<lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e &#x017F;chuldig i&#x017F;t, nicht et-<lb/>
was unerlaubtes, und aus dem, was<lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e unerlaubt i&#x017F;t, nicht<lb/>
eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub-<lb/>
tes machen</hi> (§. 49.). Derowegen <hi rendition="#fr">wenn<lb/>
nach dem bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze &#x017F;till-<lb/>
&#x017F;chweigend zugela&#x017F;&#x017F;en wird, was ei-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nem</hi></fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[778/0814] III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre ben erſt durch den Willen des Ober- herrn, welcher befiehlt daß es Geſetze ſeines Staats ſeyn ſollen, die Kraft zu verbinden. Weil aber die oͤffentliche Wohl- fahrt das hoͤchſte Geſetz iſt (§. 976.); ſo muͤſſen fremde Geſetze nicht ehr ange- nommen werden, als erwieſen iſt, daß durch ihre Vorſchriften das gemein- ſame Wohl dieſes Staates befoͤrdert werden koͤnne, und wenn daher, nach- dem ſich der Zuſtand der Sache geaͤn- dert, oder man den Jrrthum erkannt hat, bemercket wird, daß ſie keine Mittel das gemeinſame Beſte zu be- foͤrdern abgeben, ſo muß man ſie wie- derum abſchaffen: und dies iſt auch uͤber- haupt von allen Geſetzen zu behalten. §. 1069. Da die natuͤrliche Verbindlichkeit unver- aͤnderlich iſt (§. 38.), und ſich kein Menſch davon losmachen kann (§. 42.); ſo muͤſſen die buͤrgerlichen Geſetze denen natuͤr- lichen gebietenden und verbietenden nicht zuwider ſeyn; folglich kann das buͤrgerliche Geſetz aus dem, was man natuͤrlicher Weiſe ſchuldig iſt, nicht et- was unerlaubtes, und aus dem, was natuͤrlicher Weiſe unerlaubt iſt, nicht eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub- tes machen (§. 49.). Derowegen wenn nach dem buͤrgerlichen Geſetze ſtill- ſchweigend zugelaſſen wird, was ei- nem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/814
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/814>, abgerufen am 21.12.2024.