Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
Das all-
gemeine
Recht.
er ein Mensch ist. Und das allgemeine
Recht
(jus universale), was aus derselben
entstehet (§. 46.), ist dasjenige, was einem je-
den Menschen zukömmt, in so fern als er ein
Mensch ist.

§. 69.
Daß es
allgemei-
ne Ver-
bindlich-
keiten u.
Rechte
gebe, und
welche
dieselben
sind.

Weil die natürliche Verbindlichkeit selbst
in der Natur und dem Wesen des Menschen
ihren hinreichenden Grund hat, und mit der-
selben zugleich da ist (§. 38.), und weil die
Natur und das Wesen überhaupt bey allen
Menschen einerley ist; so ist die Verbind-
lichkeit, die der Mensch als ein Mensch
erfüllen muß, bey allen Menschen ei-
nerley;
und folglich sind auch die Rech-
te, die dem Menschen zukommen, in so-
fern als er ein Mensch ist, bey jedem
Menschen einerley.
Also ist klar, daß
es allgemeine Verbindlichkeiten und
allgemeine Rechte gebe.
Ja, da in dem
Rechte der Natur diejenigen vornämlich vor-
getragen werden, welche aus der Natur und
dem Wesen, so allen Menschen gemein, her-
geleitet werden; so werden auch in demselben
vorzüglich allgemeine Verbindlichkeiten und
allgemeine Rechte erkläret.

§. 70.
Die na-
türliche
Gleich-
heit der
Men-
schen.

Jm moralischen Verstande sind die Men-
schen
einander gleich (homines aequales),
deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley
sind; aber ungleich (inaequales) diejenigen,
deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei-

nerley

I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
Das all-
gemeine
Recht.
er ein Menſch iſt. Und das allgemeine
Recht
(jus univerſale), was aus derſelben
entſtehet (§. 46.), iſt dasjenige, was einem je-
den Menſchen zukoͤmmt, in ſo fern als er ein
Menſch iſt.

§. 69.
Daß es
allgemei-
ne Ver-
bindlich-
keiten u.
Rechte
gebe, und
welche
dieſelben
ſind.

Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ſelbſt
in der Natur und dem Weſen des Menſchen
ihren hinreichenden Grund hat, und mit der-
ſelben zugleich da iſt (§. 38.), und weil die
Natur und das Weſen uͤberhaupt bey allen
Menſchen einerley iſt; ſo iſt die Verbind-
lichkeit, die der Menſch als ein Menſch
erfuͤllen muß, bey allen Menſchen ei-
nerley;
und folglich ſind auch die Rech-
te, die dem Menſchen zukommen, in ſo-
fern als er ein Menſch iſt, bey jedem
Menſchen einerley.
Alſo iſt klar, daß
es allgemeine Verbindlichkeiten und
allgemeine Rechte gebe.
Ja, da in dem
Rechte der Natur diejenigen vornaͤmlich vor-
getragen werden, welche aus der Natur und
dem Weſen, ſo allen Menſchen gemein, her-
geleitet werden; ſo werden auch in demſelben
vorzuͤglich allgemeine Verbindlichkeiten und
allgemeine Rechte erklaͤret.

§. 70.
Die na-
tuͤrliche
Gleich-
heit der
Men-
ſchen.

Jm moraliſchen Verſtande ſind die Men-
ſchen
einander gleich (homines æquales),
deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley
ſind; aber ungleich (inæquales) diejenigen,
deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei-

nerley
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0080" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.</hi></fw><lb/><note place="left">Das all-<lb/>
gemeine<lb/>
Recht.</note>er ein Men&#x017F;ch i&#x017F;t. Und das <hi rendition="#fr">allgemeine<lb/>
Recht</hi> <hi rendition="#aq">(jus univer&#x017F;ale),</hi> was aus der&#x017F;elben<lb/>
ent&#x017F;tehet (§. 46.), i&#x017F;t dasjenige, was einem je-<lb/>
den Men&#x017F;chen zuko&#x0364;mmt, in &#x017F;o fern als er ein<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 69.</head><lb/>
              <note place="left">Daß es<lb/>
allgemei-<lb/>
ne Ver-<lb/>
bindlich-<lb/>
keiten u.<lb/>
Rechte<lb/>
gebe, und<lb/>
welche<lb/>
die&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ind.</note>
              <p>Weil die natu&#x0364;rliche Verbindlichkeit &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in der Natur und dem We&#x017F;en des Men&#x017F;chen<lb/>
ihren hinreichenden Grund hat, und mit der-<lb/>
&#x017F;elben zugleich da i&#x017F;t (§. 38.), und weil die<lb/>
Natur und das We&#x017F;en u&#x0364;berhaupt bey allen<lb/>
Men&#x017F;chen einerley i&#x017F;t; <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t die Verbind-<lb/>
lichkeit, die der Men&#x017F;ch als ein Men&#x017F;ch<lb/>
erfu&#x0364;llen muß, bey allen Men&#x017F;chen ei-<lb/>
nerley;</hi> und folglich <hi rendition="#fr">&#x017F;ind auch die Rech-<lb/>
te, die dem Men&#x017F;chen zukommen, in &#x017F;o-<lb/>
fern als er ein Men&#x017F;ch i&#x017F;t, bey jedem<lb/>
Men&#x017F;chen einerley.</hi> Al&#x017F;o i&#x017F;t klar, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
es allgemeine Verbindlichkeiten und<lb/>
allgemeine Rechte gebe.</hi> Ja, da in dem<lb/>
Rechte der Natur diejenigen vorna&#x0364;mlich vor-<lb/>
getragen werden, welche aus der Natur und<lb/>
dem We&#x017F;en, &#x017F;o allen Men&#x017F;chen gemein, her-<lb/>
geleitet werden; &#x017F;o werden auch in dem&#x017F;elben<lb/>
vorzu&#x0364;glich allgemeine Verbindlichkeiten und<lb/>
allgemeine Rechte erkla&#x0364;ret.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 70.</head><lb/>
              <note place="left">Die na-<lb/>
tu&#x0364;rliche<lb/>
Gleich-<lb/>
heit der<lb/>
Men-<lb/>
&#x017F;chen.</note>
              <p>Jm morali&#x017F;chen Ver&#x017F;tande &#x017F;ind <hi rendition="#fr">die Men-<lb/>
&#x017F;chen</hi> einander <hi rendition="#fr">gleich</hi> <hi rendition="#aq">(homines æquales),</hi><lb/>
deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley<lb/>
&#x017F;ind; aber <hi rendition="#fr">ungleich</hi> <hi rendition="#aq">(inæquales)</hi> diejenigen,<lb/>
deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nerley</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0080] I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. er ein Menſch iſt. Und das allgemeine Recht (jus univerſale), was aus derſelben entſtehet (§. 46.), iſt dasjenige, was einem je- den Menſchen zukoͤmmt, in ſo fern als er ein Menſch iſt. Das all- gemeine Recht. §. 69. Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ſelbſt in der Natur und dem Weſen des Menſchen ihren hinreichenden Grund hat, und mit der- ſelben zugleich da iſt (§. 38.), und weil die Natur und das Weſen uͤberhaupt bey allen Menſchen einerley iſt; ſo iſt die Verbind- lichkeit, die der Menſch als ein Menſch erfuͤllen muß, bey allen Menſchen ei- nerley; und folglich ſind auch die Rech- te, die dem Menſchen zukommen, in ſo- fern als er ein Menſch iſt, bey jedem Menſchen einerley. Alſo iſt klar, daß es allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte gebe. Ja, da in dem Rechte der Natur diejenigen vornaͤmlich vor- getragen werden, welche aus der Natur und dem Weſen, ſo allen Menſchen gemein, her- geleitet werden; ſo werden auch in demſelben vorzuͤglich allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte erklaͤret. §. 70. Jm moraliſchen Verſtande ſind die Men- ſchen einander gleich (homines æquales), deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley ſind; aber ungleich (inæquales) diejenigen, deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei- nerley

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/80
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/80>, abgerufen am 21.11.2024.